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gezogen." Mystisch fließen so Menschen- und Pflanzenleben zusammen und vertauschen Wesen und Sein in der unnatürlich überreizten Phantasie. Eine solche schwelgt naturgemäß am liebsten in den Schauern der Nacht, der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht“: „Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand, aus dem Bündel Mohn; die schweren Flügel des Gemüts hebst du empor."2 Nacht und Tod werden als Wonne und Wollust gepriesen. Wie eine Erquickung mutet nach den düsteren, die Grenze des Wahnsinns streifenden Reflexionen den Leser das reizende Märchen von ,,Hyacinth und Rosenblütchen" an. Wie hochpoetisch ist hier die märchenduftige Beseelung, wenn von der lieblichen Kinder innigen Zuneigung sich die übrigen kleinen Lebewesen zuraunen: „Das Veilchen hatte es der Erdbeere im Vertrauen gesagt, die sagte es ihrer Freundin, der Stachelbeere, die ließ nun das Sticheln nicht, wenn Hyacinth gegangen kam; so erfuhr's denn bald der ganze Garten und der Wald, und wenn Hyacinth ausging, so rief's von allen Seiten: ,,Rosenblütchen ist mein Schätzchen!" Und wie er in die Weite zieht, um das Land der Isis zu suchen, fragt er Tiere und Quellen, Felsen und Bäume nach dem Weg, und die Blumen lächeln ihn an, und die Quellen bieten ihm einen frischen Trunk; und als er zurückkehrt, da giebt eine wunderbare Musik,,die Geheimnisse des liebenden Wiedersehens." „,0, daß der Mensch", sagen die Zuhörer des Märchens, ,,die innere Musik der Natur verstände." In mystisch bunten Farben wird dann geschildert „die süße Leidenschaft für das Weben der

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1 So singt FR. SCHLEGEL in seinem „Lied": Wenn die Nachtigallen schlagen, Hell die grüne Farbe brennt, Will ich, was die Blumen sagen Und das Auge nur erkennt, Leise kaum mich selbst befragen. Wenn ich wandl' auf stiller Flur, Still verfolgend die Natur Und sie fühlend denken lerne, Folg' ich den Gefühlen nur, Denn Gedanken stehn zu ferne". Auch BETTINA schreibt einmal: „Der Grashalm, die Spitzen der Saat, ein Vogelnest mit Treue gebaut, das Blau des Himmels, das Alles rührt und ergreift mich, als ob das menschlich wär“; vergl. den hübschen Aufsatz von CARRIERE in,,Nord und Süd" No. 118, 1886, S. 87.

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Natur, ihre entzückenden Mysterien" und der Zauber der dichterischen Phantasie, welche alles Innere in der Außenwelt findet und,,eine wunderbare Sympathie mit dem menschlichen Herzen" in allem entdeckt so in dem Windeshauch, der ,,mit tausend dunkeln, wehmütigen Lauten den stillen Schmerz in einen tiefen melodischen Seufzer der ganzen Natur aufzulösen scheint“ ,,Und was bin ich anders als der Strom, wenn ich wehmütig in seine Wellen hineinschaue und die Gedanken in seinem Gleiten verliere?" Mit glühender Ekstase ruft der Jüngling aus:,,Wem regt sich nicht das Herz in hüpfender Lust, wenn ihm das innerste Leben der Natur in seiner ganzen Fülle in das Gemüt kommt, wenn dann jenes mächtige Gefühl, wofür die Sprache keine anderen Namen hat als Liebe und Wollust, sich in ihm ausdehnt wie ein gewaltiger, alles auflösender Dunst und er bebend in süßer Angst in den dunkeln lockenden Schoß der Natur versinkt und die arme Persönlichkeit in den überschlagenden Wogen der Lust sich verzehrt." Hier haben wir den Schlüssel zu dem romantischen Naturgefühl, hier wird deutlich jener Punkt bezeichnet, in welchem dasselbe gipfelt es ist das unnennbare, unsagbare Zusammenweben von Menschenseele und Naturstimmung, das Zerfließende, im dunstigen Duft Dämmernde, das in der Menschenbrust das träumerische Versenken in die Natur verursacht.

Daß aber der Romantiker auch für das eigentlich Romantische in der Natur, für die erhabene Majestät der Gebirgswelt schwärmt, davon zeugen die,,Naturbetrachtungen auf einer Reise durch die Schweiz" von HÜLSEN.1 Mit enthusiastischem Pathos, in klingender, halbmetrischer und schwülstiger Prosa kündet er das Lob jenes Landes,,,wo die Göttin sich vor allen ihren Tempel erbaute und wo sie in jeder Erscheinung dein Innerstes rührt durch Freude und Begeisterung. Überall wandelt dein Auge in ewiger Umkränzung des Schönen und sieht hier Größe und Hoheit

1 Im Athenäum III, 1800, S. 34-58.

und süßes himmlisches Lächeln." Aber die ästhetische Anschauung tritt vor der ethisch-philosophischen Betrachtung zurück. Es ist mystischer Pantheismus, der in allem die Harmonie „innig vertrauender Liebe“ findet und in dem Anblick der ewigen Göttin Rührung und Freude, Bewunderung und Andacht gewinnt: „Es ist Vollendung und Gottheit, die du ihm strahlest, wenn in der tiefen Rührung des Schönen und Erhabenen, du Ewige, Unendliche, sein Innerstes durchströmst, daß mitten durch das Dunkel eines verworrenen Lebens himmlischer Friede ihm lächelt."

Doch auch die Naturlyrik verstummte nicht ganz in dem mystischen Taumel der Romantik. Herzige, weiche Töne schlug EICHENDORFF an. Waldesduft umfängt traumhaft und Wanderlust durchzittert den Leser des „,Taugenichts" und der herrlichen Lieder. Wie singt und jubiliert es umher in der freien Gotteswelt, wie rauschen die Bäche und die Mühlräder, wie blüht und glüht alles in dem herrlich-schönen Gottesgarten. Was klingt nicht alles mit im Herzen, wenn man den Liedern sich wieder zuwendet, die seit der Kindheit so lieb und vertraut uns geworden, wie der „Abschied":

O Thäler weit, o Höhen,

O schöner, grüner Wald,

Du meiner Lust und Wehen
Andächt'ger Aufenthalt ..

und,,Der Wandersmann":

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt;

Dem will er seine Wunder weisen

In Berg und Wald und Strom und Feld.

und der Nachtgesang":

Hörst du nicht die Bäume rauschen
Draußen durch die stille Rund?
Lockt's dich nicht, hinabzulauschen
Von dem Söller in den Grund,

1 Man lese z. B. S. 50 und denke dem nach: „Dahin wandelt der Strom. Deute seine Wahrheit und fühle die ewige Harmonie. Was du siehst in seinem Wandel, ist Himmel in dir, denn er ruht in der vereinten Kraft deines Lebens, und jede Regung des Schönen ist Wink seiner Erfüllung".

Wo die vielen Bäche gehen,
Wunderbar im Mondenschein? .

und das „Morgengebet":

O wunderbares, tiefes Schweigen,
Wie einsam ist's noch auf der Welt,
Die Wälder nur sich leise neigen,
Als ging' der Herr durchs stille Feld..

und „Schöne Fremde":

Was sprichst du wirr wie in Träumen
Zu mir, phantastische Nacht?

Es funkeln auf mich alle Sterne
Mit glühendem Liebesblick.

Es redet trunken die Ferne

Wie von künft'gem großen Glück.

Und wie berückend naiv ist,,Wandernder Dichter":

Ich weiß nicht, was das sagen will!
Kaum tret' ich von der Schwelle still,
Gleich schwingt sich eine Lerche auf
Und jubiliert durchs Blau vorauf.
Das Gras ringsum, die Blumen gar
Stehn mit Juwelen und Perl'n im Haar,
Die schlanken Pappeln, Busch und Saat
Verneigen sich im größten Staat.
Als Bot' vorauf das Bächlein eilt,
Und wo der Wind die Wipfel teilt,
Die Au' verstohlen nach mir schaut,
Als wär' sie meine liebe Braut.

Das sind echte Töne unverfälschter Naturlyrik, die unberührt ist von mystischer Reflexion oder von krankhaftem Weltschmerz und in hellen, frohen Liedern sich ergießt, beseelend und belebend, Widerhall weckend und findend in allem, was die schöne Natur dem empfindenden Menschen darbietet.

Die Romantik, so wirre Wege sie auch gegangen ist, getäuscht von den trügerischen Irrlichtern überschwenglicher Gefühlsmystik und zügellos ausschweifender Phantasie, hat doch das Empfindungsleben und somit auch das Naturgefühl erweitert, gesteigert und vertieft; die moderne Litteratur ist noch durch tausend Fäden mit ihr verknüpft.

BIESE, Naturgef. im Mittelalter etc.

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Schluß.

In mannigfachen Kurven führten die Wege, die wir verfolgten, auf die Höhe unseres modernen Naturempfindens. Auch die Entwickelung, welche wir zu zeichnen suchten, kann uns zeigen, wie nur der die Gegenwart versteht, welcher die Vergangenheit begreift; denn was die Jahrhunderte vor uns gedacht und empfunden und die großen Denker und Dichter auch des 19. Jahrhunderts erkannt und geschaffen haben, es verweht nicht im Winde wie Spreu, sondern wird zu fruchtbringendem Samen, der unablässig fortwuchert und fortblüht. Ein buntes Geflecht von Empfindungen und Stimmungen suchten wir zu entwirren wer möchte aber leugnen, daß auch heute noch alle die Fäden weitergesponnen werden, daß die Melodien, welche in leisen Akkorden einst erklangen, nunmehr in vollen Harmonien weiterklingend dahinrauschen? Unser moderner Naturkultus wurzelt in der Vergangenheit; aber die Höhe der heutigen Betrachtung würde er nicht erreicht haben ohne die Blüte der Naturwissenschaften. Wohl ist unser Empfinden jetzt, in dem Zeitalter der Elektrizität und des Mikroskops, viel nüchterner und realistischer geworden, aber die Naturliebe hat durch das gesteigerte Naturerkennen nur an Vertiefung gewonnen, ja, sie ist dem Forscher zur Religion geworden. Der Zug zum Pantheismus, den wir bei den größten Dichtern des Jahrhunderts nachwiesen, geht überhaupt durch unser modernes Denken und Fühlen hindurch, mag derselbe sich nun in gläubigen Herzen um die Idee des allgegenwärtigen Gottes ranken oder mag die in der Materie wirkende, organische Kraft, das unerschöpflich thätige Lebensprinzip in der Flucht der Erscheinungen an dessen Stelle treten. Auf die hohen Gletscherberge und in die Tiefe der Meere steigen die unermüdlich nach Erkenntnis strebenden Forscher, nach dem Nordpol wie nach den heißen Tropen, in die Alpen wie in die Anden treibt es den nach Wahrheit dürstenden Geist; und nicht nüchterne Tagebuchberichte geben die Reisenden, nein, von Naturenthusiasmus und tiefem

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