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In der französischen Litteratur blüht seit den Minnesängern, selbst in der klassischen Dichtung eines CORNEILLE nnd RACINE, kaum ein Blümchen; FENELON's Télémaque bietet idyllische Züge, den Alten lauscht stimmungsvolle Motive RONSARD ab; aber die Schäferpoesie treibt auch hier wie in Italien und Spanien üppige Blüten; HONORÉ D'URFE schreibt seine berühmte, vielübersetzte Astraea; aber diese Hirten sind keine Menschen, wenigstens keine Naturkinder, und die Landschaft selbst ist keine Natur; Hofparfüm, Salongalanterie, gemischt mit weltschmerzlicher Sehnsucht, ruht über ihnen. Ganz anders in der Malerei. Die beiden POUSSIN'S dringen in die Geheimnisse der Natur selbst ein, schaffen sie neu nach ihrem künstlerischen Gefühl, ohne ihrer Wahrheit untreu zu werden. NICOLAS POUSSIN (1594—1665) ist auf das Ernste und Feierliche in der Landschaft gerichtet; eine Baumgruppe im Vordergrund, eine Höhe mit antiker Architektur in der Mitte, ein Gebirge zur Umgrenzung der Ferne ordnet er zusammen und legt mehr Nachdruck auf schwungvolle Linien als auf den Reiz und Duft des Kolorits. Bewegteres Leben ist bei seinem Schwager CASPAR DUGHET, ebenfalls POUSSIN genannt; sein Gras ist saftig frischer, der Wind säuselt in den Bäumen oder der Sturm biegt die Äste, wühlt im Laube und scheucht die Wolken. Mehr Innerlichkeit und Wärme zeigt LE SUEUR (1617-1655); CLAUDE LORRAIN (1600-1682) aber vollendet den idealen Stil der Landschaft. Er erfüllt die rohen Stoffe der Wälder, Wasser und Wolken mit Geist und Empfindung; Thäler, Wald und Ozeane sind nur die Hülle, in welcher der Geist der Gottheit selbst sich offenbart, das Instrument, welchem überirdische Laute enttönen. Jedes Unschöne, Schmerzliche oder Verworrene wird zu lichter Klarheit und ehrfurchtgebietender Würde geläutert und verklärt. Keine Schwermut, keine niederdrückende Traurigkeit lagert über seinen Gebilden, sondern die ruhige, heitere, in sich befriedigte Schönheit, ohne alles Gepränge, ohne jeden gesuchten Gegensatz oder wesenlosen Schimmer. Leiser Lufthauch spielt in den anmutigen Laubmassen seiner prachtvollen Bäume, goldiges Licht zittert durch

sie hin und leitet den Blick in die duftig klare Ferne; „der Himmel ist so feierlich, so ganz als wollt' er öffnen sich: dies ist der Tag des Herrn!" sagen wir mit Uhland, denn es ist Sonntag in der Natur, so heiter, so morgenfrisch oder so abendruhig ist alles. - Das malerische Naturgefühl wird bei Claude Lorrain zur Naturandacht.

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Dem Sterne Lorrain's folgen die Niederländer in edlem Wetteifer mit immer mehr sich steigernder Wonne, alle Erscheinungen der Natur für sich, in selbständiger Darstellung, mit dem individuellen Reiz und in subjektiver Stimmung mit dem Pinsel zu schildern. Die Poesie der Luft, des Gewölks, der Beleuchtung, die kühle Frische des Morgens, die dunstige Schwüle des Mittags, der warme Glanz des Abends alles das webt und lebt in den Bildern CUYP's und WYNANT'S, während Winterschnee und Mondschein bei AART VAN DER MEER, die düstere melancholische Stimmung trüber Beleuchtung bei JAN VAN GOYEN begegnen. Er versteht es, mit wenigen Bäumen, die sich im Wasser spiegeln, mit einem Sandhügel u. ä. eine Wirkung zu erzielen; doch in dieser Kunst, mit Wenigem Stimmung zu erwecken, ist niemand größer als JACOB RUYSDAEL († 1681). Die ganze Poesie der Natur, jener im Grunde so geheimnisvolle Zauber, der über dem stillen Walde, dem rauschenden Meer oder dem stillen Weiher und den einsamen Weiden ruht, gewinnt bei ihm Form und Farbe. Es genügt so Weniges, und doch bannt es uns, regt zum Nachdenken an, zur Nachempfindung des von dem großen Meister Empfundenen und in Farbe und Linien Getauchten. Nordischer Ernst und nordische Schwermut brütet über den meisten Stücken dieser gemalten Naturdichtung; schwere Wolken und Regennebel hangen über den dunklen Bäumen, düstere Schatten weben um Ruinen. Den Frieden der Waldeinsamkeit, sagt Carriere, hat er lange gemalt, ehe Tieck dies Wort erfand. Es weht uns an wie eine Morgenhymne, wenn sein Buchenwald in der ruhig klaren Flut wiederscheint und die duftigen Wolkenmassen von der aufgehenden Sonne bestrahlt werden; wir sehen eine Elegie

in Farben und Formen, wenn der Regenschauer die Trümmer einer Kirche im Hintergrunde verschleiert, ein geschwellter Gießbach im Vordergrunde sich eine Bahn zwischen Gräbern bricht, auf denen noch ein letzter Gruß der scheidenden Sonne durch die Dämmerung schimmert.

In RUYSDAEL gipfelt somit jene Entwickelung, welche von den schlichten landschaftlichen Hintergründen, von der liebevollen Abzeichnung der einzelnen Naturerscheinungen und wenn es nur eine Blumenstaude oder ein Grashalm ist zu der von einer Stimmung, einem Geiste durchwehten landschaftlichen Komposition führt, bei welcher weder das Einzelne dominiert, noch die Richtung in das Weite und Ferne von jenem ablenkt, sondern beides sich innerlich durchdringt, zu jenen Wunderwerken der Kunst, welche mit geringen Mitteln, mit wenigen Strichen und Farben doch eine ganze, kleine Welt darstellen und eine Welt von Empfindungen im empfänglichen Gemüte wecken. Wer möchte im einzelnen den Reiz wiederzugeben sich anheischig machen, welcher über den Bildern seiner Nachfolger, über einer Waldmühle oder einem Bauernhofe HOBBEMA'S, über den großartigen, norwegischen Gebirgslandschaften ALDERT'S VAN EVERDINGEN mit den düstern Fichten, den schroffen Klippen und dem leuchtenden, schäumenden Wassersturz oder über den teils freundlichen teils düsteren Marinebildern BAKHUYSEN'S und VAN DE VELDE's liegt?

Alle diese großen Niederländer eilen weit der Poesie ihrer Zeit voraus; Gebirge und Meer finden im Wort erst 100 Jahre später ihre begeisterten Schilderer, und ein in sich stimmungsvoll abgeschlossenes, lyrisches Landschaftsbild wird erst am Ende des achtzehnten Jahrhunderts in der deutschen Dichtung geboren.

Achtes Kapitel.

Humanismus, Rococo und Zopf.

s sollte eine lange Reihe von Jahrzehnten vergehen, ehe Deutschland jene Höhe erreichte, welche der Natursinn der italienischen Renaissance und der niederländischen LandHatte im Mittelalter das kirchliche

schaftsmalerei gewannen.

Dogma, das Verhältnis des Menschen nicht nur zu Gott, sondern zu der alleinseligmachenden Kirche fast alles Interesse in Wissenschaft und Kunst in Anspruch genommen, so ist die große That des fünfzehnten Jahrhunderts die Reformation, die Wiedererweckung des religiösen Gewissens, und es galt mit Wort und Schwert abzurechnen mit einer jahrtausendealten Überlieferung und der Sklaverei des geistigen Despotismus. Die neue Zeit ward unter schweren Wehen geboren. Sie zog aber auch Geister heran, von individuellem Gepräge, wie sie Deutschland vorher nicht gekannt hatte, Charakterköpfe mit ausgesprochen eigenartiger Physiognomie. Aber die wesentlichen Fragen, um die es sich handelte, waren kirchliche, religiöse, waren die auf die Freiheit eines Christenmenschen zielenden. Es gab für die rührigen und thatkräftigen, mit dem Wort wie mit dem Schwert gleichgewandten Männer kaum Zeit zur stillen Versenkung in sich und in die Natur, denn ward das geistige Leben auch durch die neue Strömung gesteigert und erwachte auch neue Lebenslust und Freude am Genuß, so ist doch von einem so intensiven Natursinne, wie ihn uns Petrarca und Enea Silvio bieten, kaun eine Spur zu entdecken.

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Es ist gewiß mit GEIGER als ein Irrtum anzusehen, wenn man die humanistische Bewegung in Deutschland, so sehr sie auch von der italienischen Renaissance beeinflußt ist, als eine ,,bloß importierte, gänzlich unselbständige Bildung" bezeichnet. Vielmehr lagen die Keime zu dieser großen, die Geister befreienden Bewegung in der allgemeinen Zeitrichtung selber, die sich loszulösen suchte von den Fesseln des Mittelalters, nicht bloß des Dogmas, sondern auch der Sitte und Bildung. Der deutsche Humanismus ist eine Bewegung vornehmlich der Gelehrten, des polemischen Kampfes, erfüllt von Streitlust, und so sehr auch Daseinsfreude und Genußsucht in dieser ,,naiv sinnlichen" Zeit die Schriften deutscher Humanisten kennzeichnet, so wenig ist doch in ihnen von heimlicherem, innigem Naturgefühl zu spüren, so wenig giebt es doch einen Dichter und eine Dichtung, welche mit Petrarca's Sonetten u. a. sich messen könnte.

Auch die Naturwissenschaften stehen noch unter dem Banne scholastischer Weisheit, erst allmählich schält man aus der Entstellung des Mittelalters den echten Aristoteles heraus. So ist CONRAD SUMMENHART 2 (1450-1501) als Physiker völlig leichtgläubig, so daß er sich selbst nicht von den thörichten Märchen abwendet, die Erscheinung eines Kometen z. B. als sichere Ankündigung von vier Dingen: Hitze, Wind, Krieg, Fürstensterben betrachtet, aber nicht abergläubisch, so daß er sich von der Wahnwissenschaft der Astrologie und allen mit ihr zusammenhängenden Betrügereien fernhält; ja als Beobachter der Natur oder vielmehr als Anhänger und Fortbildner der scholastischaristotelischen Naturlehre bietet er den Ansatz zur Entwickelungslehre, wonach die höher organisierten Gebilde aus den niedriger organisierten und diese aus den anorganischen unter der Einwirkung meteorischer und siderischer Einflüsse hervorgehen. — Zu den echten Dichtern gehört der poeta laureatus, CONRAD CELTES, 1459 geboren, ein Sänger der Liebe, Verfasser von vier Büchern

1 Renaissance und Humanismus in Italien und Deutschland, Berlin 1882. 2 GEIGER a. a. O. S. 422.

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