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So kommt also überall das sympathetische Naturgefühl, welches der Natur Mitempfinden leiht, in ihr ein menschengleiches Schaudern vor dem Bösen, ein Entsetzen vor dem Verbrecherischen ahnt, zu erschütterndem Ausdruck; am erschütterndsten wohl in den Worten des mörderischen Macbeth III, 3:

Komm mit deiner dunklen Binde, Nacht, verschließe

Des mitleidvollen Tages zartes Auge;

Durchstreich' mit unsichtbarer, blut'ger Hand
Und reiß in Stücke jenen großen Schuldbrief,
Der meine Wangen bleicht!1

Auch im Hamlet flößt die Unthat der Menschen Entsetzen

der Natur ein, III, 4:

Solch eine That (der Königin), Die alle Huld der Sittsamkeit entstellt!
Des Himmels Antlitz glüht (vor Zorn oder Scham), ja diese Feste,
Dies Weltgebäu, mit trauerndem Gesicht,

Als nahte sich der jüngste Tag, gedenkt

Trübsinnig dieser That.2

Doch auch andere Beseelungen begegnen in dieser wunderbarsten aller Tragödien wie die großartige des Morgens I, 1:

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Doch sieh, der Morgen, angethan mit Purpur,

Betritt den Tau des hohen Hügels dort.3

Die Stille vor dem Sturm malt der deklamierende Schauspieler II, 2:

Doch wie wir oftmals sehn vor einem Sturm

Ein Schweigen in den Himmeln, still die Wolken,

Die Winde sprachlos und den Erdball drunten dumpf wie der Tod. . .4

1 Come seeling night Scarf up the tender eye of pitiful day, And with thy bloody and invisible hand, Cancel and tear to pieces that great bond Which keeps me pale.

2 Heaven's face doth glow, Yea, this solidity and compound mass, With tristful visage, as against the doom, Is thought sick at the act.

3 But look, the morn, in russet mantle clad, Walks o'er the dew of

yon high eastern hill.

4 A silence in the heavens the ruck stand still, The bold winds speechless and the orb below As hush as death.

Ophelia sinkt, von Blumen umwunden,,,ins weinende Gewässer" (IV, 7), und Laertes befiehlt V, 1:,,Legt sie in den Grund, und ihrer schönen unbefleckten Hülle Entsprießen Veilchen!"

Es leuchtet demnach ein, wie die Phantasie des großen Dichters die ganze Natur in ihren einzelnen Erscheinungen belebt und beseelt, wie er der Grundstimmung der Tragödien nicht nur durch die landschaftliche Scenerie den rechten Hintergrund ver-. leiht, sondern auch die Gemütsregung der Handelnden auf die Natur überträgt, sodaß sie das lichte Glück widerstrahlt oder vor dem Verbrechen Grauen empfindet.

Allen Sphären des Naturlebens weiß er individualisierend charakteristische Merkmale abzugewinnen und ihnen das Seelische anzupassen, oft mit jener intuitiven Dichterkraft, welche mit der mythologischen Phantasie sich so nahe berührt.

Und nicht sind es bloß die großartigen, elementaren Gewalten wie Sturm und Unwetter, Blitz und Donner und Meereswüten, sondern ebenso der murmelnde Bach, die friedlich träumende Blume, das goldene, holde Sonnenlicht, denen er Mitempfinden und Mitgefühl leiht. Immer und überall ist die Auffassung intensiver, individueller, subjektiver, als sie uns in unserer bisherigen Untersuchung begegnet ist.

Das idyllische Naturgefühl seiner Zeit steigerte Shakespeare zum sympathetischen.

Siebentes Kapitel.

Die Entdeckung der landschaftlichen Schönheit in der Malerei.

ie unerläßliche Bedingung einer Landschaftsmalerei d. h. einer Malerei, welche die Darstellung der Natur zu ihrem Selbstzwecke erhebt und ein abgerundetes Bild der Erdoberfläche lediglich um des landschaftlichen Reizes willen wiedergiebt und somit nicht minder intensiv als die Litteratur Zeugnis eines lebendigen Natursinnes ablegen kann, ist die Fähigkeit, das Einzelne zu einem Ganzen zu komponieren und dieses mit künstlerischer Auffassung zu durchdringen. Eine Landschaftsmalerei wird daher nicht möglich sein in Zeiten und bei Völkern, welche den Blick nur ins Weite und Ferne schweifen lassen, das Ganze zwar im Auge behalten, aber ohne die notwendige Begrenzung wie die Hebräer thun 1 und andererseits bei denen, welche nur das Einzelne erfassen, immer nur Bächlein und Blümlein, Gräser und Tautropfen beachten, aber ohne Beziehung auf ein landschaftliches Ganze, lauter Vordergrund ohne Ferne bieten, wie es im Mittelalter bis auf die Renaissance in der Poesie der Fall ist. Wie nun aber die Gesetze der Linien- und Luftperspektive ein geschultes und scharfes Auge verlangen und somit auch schon ein Interesse an der Natur überhaupt, so ist die Stimmung des Landschaftsbildes, das Seelische, welches die einzelnen Formen und Figuren durch das Kolorit zu einem einheitlichen Ganzen

1

Vergl. WOERMANN „Über den landschaftlichen Natursinn der Griechen und Römer, Vorstudien zu einer Archäologie der Landschaftsmalerei“. München 1871, S. 6.

verbindet, erst recht abhängig von dem mehr oder weniger lebendigen Naturgefühl des Künstlers: soll doch das Landschaftsbild nicht bloß eine treue Abzeichnung des Realen, Gegenständlichen sein, sondern eine Widerspiegelung der Idee und Stimmung, welche der Künstler in die Landschaft hineingeschaut hat, oder des verwandten Geistes, welchen er in ihr ahnt und zum Leben weckt. So lange jedoch die Natur nur in Bezug auf den Menschen, nicht um ihrer selbst willen gesucht, geliebt und in der Poesie geschildert wird, so lange die Naturanschauung nur naive Bewunderung ist, die poetischen Schilderungen nur Rahmen und Arabesken, nur Gegenbilder menschlicher Stimmungen sind, wird es auch keine Landschaftsmalerei geben, sondern nur landschaftliche Hintergründe für menschliche Zustände und Handlungen. Erst in Zeiten des sentimental-idyllischen, des elegischen und des sympathetischen Naturgefühles, welches die Landschaft rein und ungetrübt auf sich wirken läßt und dem Zauber der Erscheinungen sich voll und ganz hingiebt, kurz, wo eben ein wirklich landschaftlicher Natursinn erwacht ist, der sich in der Poesie durch selbständige Landschaftsbilder offenbart und mit der künstlerischen Komposition des Einzelnen auch eine künstlerische Auffassung des Ganzen verbindet, wird auch eine Landschaftsmalerei erstehen können.

Wir sahen, wie durch die Renaissance in Italien die Schranken und Fesseln von Dogma, Tradition und mittelalterlicher Sitte fielen und ein gesunder, frischer Individualismus und Realismus an die Stelle mittelalterlicher Unselbständigkeit und Phantastik traten, wie Mensch und Welt neu entdeckt wurden, wie weiter auch bei den andern romanischen Nationen ein lebendiges, teils idyllisches, teils religiös-mystisches Naturgefühl sich entwickelte und wie endlich bei Shakespeare ein sympathetisches Naturempfinden zum dramatischen Ausdruck gelangte. Auch die Naturforschung, welche sich endlich aus den Banden einseitiger christlicher Auffassung und aus denen der antiken Tradition loszumachen begann, verband allmählich mehr und mehr mit ernstem Streben

nach Wahrheit nicht bloß die Bewunderung Gottes in der Natur, sondern auch ein selbständiges Interesse für diese, sodaß man mit liebevollem Auge, ja leidenschaftlicher Begeisterung nicht nur ihren Gesetzen nachspürte, sondern auch ihre Schönheit belauschte. Lange dauerte somit allerdings jener Entwickelungsprozeß, welcher im Mittelalter auf die Höhe der ästhetischen Naturanschauung führte, auf welcher das Altertum stehen geblieben war; die Renaissance bedeutete auch die Wiedergeburt des hellenistischen Naturgefühles; freilich aber gestaltete sich, wie das antike sinnlicher und trotz der sentimentalen und pantheistischen Ansätze naiver und leichter und oberflächlicher stets blieb, das christliche Naturgefühl sowohl infolge der durch die scholastische Wissenschaft ausgebildeten größeren Verstandesschärfe als auch der größeren Wärme des christlichen Gefühles tiefer und auch abstrakter, sodaß bald das Einzelne bald das Ganze in subjektiver Empfindung Gegenstand der Betrachtung wurde.1

Wie gesetzmäßig und organisch aber alles in der Entwickelung des menschlichen Geistes verläuft, wie auch die zunächst vereinzelt dünkende Erscheinung als Glied einer Kette sich einreiht, das wird auch deutlich, wenn wir im Gange unserer Untersuchung nunmehr dem ersten Landschaftsbilde begegnen und die Geburt der Landschaftsmalerei in den Niederlanden konstatieren. Die mittelalterliche Malerei verwandte das Landschaftliche nur als Hintergrund, der mehr oder weniger stimmungsvoll sich zu dem dargestellten Gegenstande verhielt. Auch die italienische Renaissance, auch RAFAEL und CORREGGIO und TIZIAN führen nicht darüber hinaus; allerdings wie weiß der Pinsel eines Rafael auch diese dekorativen landschaftlichen Arabesken zu entwerfen! Wie lebt das alles, oder vielmehr, wie wird das lebendig vor unsern Augen! Diese Vögelchen auf den zarten Zweigen, sie könnten davonfliegen, so leicht und natürlich sind sie! Diese

1 Vergl. SCHNAASE, Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert (Gesch. der bild. Künste Achter Band), herausgegeben von WILH. LÜBKE, Stuttg. 1879, S. 72.

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