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Bezeichnend hebt Menon den Reiz des Gartens hervor, der durch den Kontrast mit der wilden Umgebung gesteigert werde:

Ein schöner Garten, rings vom wilden Forst umgürtet,

Ist um so schöner, je näher Er den Gegensatz berühret.

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Farbenprächtig ist alles bei CALDERON, aber wie seine gesamte katholische, strenge, ja inquisitorische Weltanschauung berührt diese Pracht uns kühl, ja erkältend in ihrer Steifheit und Förmlichkeit. Wie aber im Drama der Zeit ein echt sympathetisches, individuelles Naturgefühl mit lebensvollen Pulsen zum Ausdruck gelangt, das zeigt uns SHAKESPEARE ungleich wärmer und tiefer. GOETHE sagt:,,Shakespeare reicht uns die volle reife Traube vom Stock; wir mögen sie nun beliebig Beere für Beere genießen, sie auspressen, keltern, als Most, als gegorenen Wein kosten oder schlürfen; auf jede Weise sind wir erquickt. Bei Calderon dagegen ist dem Zuschauer, dessen Wahl und Wollen nichts überlassen; wir empfangen abgezogenen, höchst rektifizierten Weingeist, mit mancherlei Spezereien geschärft, mit Süßigkeiten gemildert; wir müssen den Trank einnehmen, wie er ist, als schmackhaftes, köstliches Reizmittel, oder ihn abweisen." Neben dem verwerflichsten Fanatismus, neben der abergläubischen Verwechselung von Symbol und Begriff und der unsittlichsten Trennung von Religion und Moral, bei welcher das Verbrecherische durch das Hängen an äußerlichem Fetischdienst noch geheiligt und entschuldigt wird,1 findet sich z. B. in dem vortrefflich komponierten Werke „Die Andacht zum Kreuz" auch wirklich echt christliche Naturandacht und mystische Innigkeit:

Gott, des Lebens und der Weisheit Geist und Quell, der Allerschaffer, Herrschet üher der Natur! Was geheimnisvoll im Schaffen

Heil'g

'ger Nächte sie im Traume, von ihr selber unverstanden, Ruft zum Blühen und Vergehen, wirkt sie durch sein ew'ges Walten.. Ja, Gott selber ist sein Wort, jene Stimmen des Gesanges,

Die aus Wald und Meer erbrausen, kamen süß mit Schmerzensbangen In des Menschen Brust und gaben ihm die neue Himmelssprache,

1 Vergl. CARRIERE a. a. O. IV 2, S. 438.

Die sein Schöpfer aus ihm redet; Poesie, die Himmelsflamme,
Kam uns aus den Sternen nieder, und nur Gott schwingt ihre Fackel.
Und was aus dem Menschen spricht, wenn er Tempel baut, gewalt'ge
Steine zu einander fügend, wenn er Meere mißt und Lande

Und die Bahnen der Gestirne, wenn des Menschen Bild mit warmer
Liebe an ihn weht und er ringt, das Schönste zu gestalten,

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Gott ist's! denn daß wir ihn fühlen, schuf der Schöpfer uns erschaffend.
So ist aller Menschenweisheit Ursprung Er, so rieselt aller
Schönheit Quell aus Ihm, und reifet Ewigkeit im Wandelbaren.

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Ähnliche mystische Bekenntnisse lassen sich in großer Zahl aus Schriften von Asketen, Mönchen und Nonnen jener Zeit sammeln.1 Selbst von einem so blutig strengen Fanatiker und Selbstgeißler wie dem spanischen Franziskaner PETRUS V. ALCANTARA († 1562) melden die Biographen, daß er ungeachtet der Stärke seiner Weltentsagung doch das wärmste und innigste Gefühl für Naturschönheit gehegt habe. Was er nur in freier Natur erblickte, hob und beflügelte seine Andacht. Der von seinem Klostergärtlein aus angeschaute Sternenhimmel versenkte ihn oft in stundenlange tiefsinnige Meditationen; bei Betrachtung der in lieblichen Blumen und Gewächsen abgespiegelten Macht und Herrlichkeit Gottes kam er nicht selten wie außer sich ob der Stärke seiner andächtigen Empfindungen." GREGORIO LOPEZ († 1596), der eine weitumfassende Kenntnis der verschiedensten Naturgebiete sich angeeignet hatte, antwortete auf die Frage, ob ihn das Vielerlei nicht verwirre: „Ich finde Gott in allen Dingen, den größten wie den kleinsten." Ähnliches wurde vielen anderen nachgerühmt.

Als glühend begeisterte und schwungvolle mystische Dichterin steht neben León die berühmte TERESA VON AVILA († 1582), besonders mit den oft hinreißend schönen Bildern und Gleichnissen, womit sie die inneren Vorgänge des gottliebenden Christenherzens zu erläutern weiß.2

1 ZOECKLER I, S. 575.

2 ZOECKLER a. a. O. weist hin u. a. auf Le Saint Solitaire des Indes ou la Vie de Gregoire Lopez, de la traduction de Mr. ARNAULD D'ANDILLY, Cologne 1717, GOERRES, Die christliche Mystik, II, 205, S. ARNOLD, Leben

Doch alle diese Ergüsse mystischer Naturandacht zeigen kein reines, selbständiges, freies Naturinteresse, sondern mehr oder weniger ist dasselbe beeinflußt von der religiösen Stimmung, diktiert von glaubensvoller Versenkung in Gott, dessen Abbild in der herrlichen Natur bewundert und geliebt wird. Dies mystische Naturgefühl ist durchtränkt von streng christlichem Glauben, von hochgradiger Innigkeit und Innerlichkeit, ja, auch Spuren weicher Sentimentalität fehlen nicht; aber der Protestantismus und der Pantheismus, welcher sich besonders bei späteren deutschen und italienischen Mystikern merklich macht wie bei BRUNO, CAMPANELLA und JACOB BOEHME, steigern die Subjektivität und das Individuelle der Naturbetrachtung in noch höherem Grade.

Auch der protestantische, freimütige Dramatiker SHAKESPEARE zeigt ein wärmeres, intensiveres Naturgefühl als der katholischklerikale CALDERON.

der Gläubigen, MiB FRENCH, The Life of St. Teresa, London 1875, ZOECKLER in Herzog's Real-Encykl., XXI, 227 ff.

Sechstes Kapitel.

Das sympathetische Naturgefühl Shakespeare's.

ie Dramen der Inder können uns als Maßstab dienen, inwieweit in dieser Dichtungsgattung überhaupt die Natur eine Rolle spielen und zur Geltung kommen kann. Da wuchern in Fülle die Gleichnisse und Beseelungen, da gelangt das herzlichste und innigste Mitgefühl des Menschen mit Pflanzen und Tieren, sowie auch dieser mit jenem zum beredten und vollen Ausdruck. In der griechischen Tragödie tritt zunächst die Natur in den Hintergrund, nicht allzu oft wird sie zum Gleichnis verwandt, und nicht allzu oft findet sich eine Metapher aus der Natur und Naturbeseelungen; erst allmählich, besonders bei Sophokles und Euripides, nimmt der Mensch, besonders in den Chorliedern und Monologen, persönlichen Anteil an der Natur, begrüßt das Licht und den Himmel, redet das Land und das Meer an, legt ihnen Liebe und Mitleid oder Haß bei und sucht Trost in der stillen Einsamkeit der Natur, wenn er ihn bei den Menschen nicht findet. Im Mittelalter liegt das Drama brach; die Blütezeit der französischen Tragödie fördert nur kalte Deklamation, frostige Rhetorik zu Tage, die sich an dem Pathos des Seneca herangebildet hat von herzlicher, wechselseitiger Sympathie zwischen dem Menschen und der Natur kann keine Rede sein.

Die Brücke zu SHAKESPEARE bildet CALDERON.

Aber jener erreicht doch erst die Höhe der alten Griechen wieder und thut zugleich mit seinem weit moderneren Geiste einen weiten Schritt über sie hinaus er ist nicht bloß der größte

BIESE, Naturgef. im Mittelalter etc.

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Dramatiker der neueren Zeit als Darsteller menschlichen Handelns und Leidens und als scharfer Charakterzeichner, sondern auch als der geniale Interpret der Natur.1

Halten die alten Dramatiker sich in immerhin noch engen Grenzen, so zeigt SHAKESPEARE das geweitete Auge, die reife Weltanschauung eines Modernen; überschritten die Inder oft das Maß des Schönen in Überfülle und in Übertreibung, so hütet sich Shakespeare doch trotz seiner macht- und kraft- und saftvollen Diktion, in ein bloßes Abschildern und Beschreiben zu verfallen wie so häufig Calderon.

Die Subjektivität, welche die Renaissance in die moderne Kunst einführte, zeigt SHAKESPEARE in noch höherem Grade. Das offenbart sich auch in seinen Gleichnissen und Metaphern und vor allem in jener vollendeten Kunst, die Natur in die Handlung hineinspielen zu lassen, so daß sie nicht bloß für letztere den entsprechenden Hindergrund bildet und ihr ein lichtes oder düsteres Kolorit giebt, sondern daß auch die Naturerscheinungen an den Geschicken der Menschen Anteil nehmen.

So sagt auch Carriere 2: „Auch das eignet ihn dem Weltalter des Gemüts an, daß er in einer Periode, welche die Malerei zur leitenden Kunst gehabt hatte und sich zur Musik wandte, durch die Stimmung und malerische Beleuchtung seiner Werke einen Effekt erzielte, welcher den Alten fremd war. Schon Herder bemerkte, daß SHAKESPEARE da Farben und Duft gebe, wo die Griechen nur Umrisse zeichnen. Sind diese bei ihm mehr charakteristisch wahr als auf formale Schönheit berechnet, so zieht er wie ein großer Landschaftsmaler die ganze Natur in Mitleidenschaft mit dem Menschen; wir fühlen die Geisterschauer der Novembernacht im Hamlet, wir atmen die stählende Luft des Hochlandes im Macbeth, den Waldesduft in,,Wie es euch gefällt“,

1 Über die Naturanschauung Shakespeare's handelt im IV. Kapitel seiner Shakespeare-Studien HENSE, Halle 1834, in anregender Weise; doch bin ich überall meinen eigenen Weg gegangen.

2 a. a. O. IV 2, S. 522.

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