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Fünftes Kapitel.

Die Naturbegeisterung der Entdeckungsreisenden und katholische Naturmystik.

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ie Entdeckung der Innenwelt, des ganzen tiefen Gehaltes menschlichen Wesens ist die That der italienischen Renaissance. Mit Recht rühmt diese kulturhistorische Großthat Burckhardt, indem er sagt: Was das leidenschaftliche Seelenleben anlangt, so liegen in der mittelalterlichen Dichtung wohl Ahnungen (wie in GOTTFRIED's Tristan) vor, allein diese Perlen liegen zerstreut in einem Meere des Konventionellen und Künstlichen, und ihr Inhalt bleibt noch immer weit entfernt von einer vollständigen Objektivmachung des inneren Menschen und seines geistigen Reichtums." Die Entdeckung der landschaftlichen Schönheit ist ein notwendiges Accedenz zu dem Erwachen des Individualismus, der Ergründung der Tiefen des Menschentums, denn die Natur erschließt sich voll und ganz nur dem voll und ganz entwickelten Menschen; erst bei reifender Erkenntnis wächst auch das ästhetische Verständnis, nur wer in sich Gedanken- und Empfindungsgehalt hat, weiß die Natur in ihren Reizen zu belauschen und zu deuten und wird auch in dieser Hinsicht ihr Herr und Meister. Auch dieser Gedanke findet sich schon bei einem der philosophischsten Köpfe der Renaissance, bei PICO DELLA MIRAN DOLA in seiner Rede von der Würde des Menschen': Gott hat am Ende der Schöpfungstage den Menschen geschaffen, damit

BURCKHARDT a. a. O. II, S. 72.

derselbe die Gesetze des Weltalls erkenne, dessen Schönheit liebe, dessen Größe bewundere. Er band denselben an keinen festen Sitz, an kein bestimmtes Thun, an keine Notwendigkeiten, sondern er gab ihm Beweglichkeit und freien Willen. Mitten in die Welt", spricht der Schöpfer zu Adam, „habe ich dich gestellt, damit du um so leichter um dich schauest und sehest alles, was darinnen ist. Ich schuf dich als ein Wesen, weder himmlisch noch irdisch, weder sterblich noch unsterblich allein, damit du dein eigener freier Bildner und Überwinder seiest; du kannst zum Tiere entarten und zum gottähnlichen Wesen dich wiedergebären. Die Tiere bringen aus dem Mutterleibe mit, was sie haben sollen, die höheren Geister sind von Anfang an oder doch bald hernach, was sie in Ewigkeit bleiben werden. Du hast eine Entwickelung, ein Wachsen nach freiem Willen, du hast Keime eines allartigen Lebens in dir." Und zu einem solchen allartigen Leben entwickelten sich die besten Männer der Renaissance. Doch ihnen ging nicht nur eine neue Welt im eigenen Innern auf, sondern auch die Entdeckung jener fernen, einst geahnten, mit phantastischen Träumen ersehnten Welt, die man seither die neue genannt hat, sowie die wissenschaftliche Erforschung der fremden Weltteile ist die Großthat der Italiener des 14. und 15. Jahrhunderts.

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Mochten auch die Motive der Entdeckungsreisenden vordem der Kreuzfahrer - immerhin recht gemischte, ja meist recht egoistische sein: unschwer können wir uns ihre Stimmung rekonstruieren, die sie befallen mußte, als sie die kulturlosen Menschen, ohne Bedeckung ihrer Blöße, ohne den Fluch des

1 Vergl. PET. MARTYR, de rebus oceanicis, Colon. 1574, p. 22: Nudi, sine ponderibus, sine mensura, sine mortifera denique pecunia, aurea aetate viventes, sine legibus, sine calumniosis iudicibus, sine libris, natura contenti vitam agunt, de futuro minime soliciti; dec. I, 3, p. 45: Aetas est illis aurea neque fossis neque parietibus aut sepibus praedia sepiunt. Apertis vivunt hortis. Sine legibus, sine libris, sine iudicibus suapte natura rectum colunt. Vergl. ferner HIERONYMI OSORII, Lusitani in Algarbiis episcopi, De rebus Emmanuelis Lusitaniae regis invictissimi, Coloniae MDLXXXVI, lib. II, p. 49, die Beschreibung der Brasilianer, p. 63 f.

BIESE, Naturgef. im Mittelalter etc.

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Geldes, ohne Gesetz, ohne Maß und Gewicht, ohne Richter und Bücher, befriedigt von den Gütern der Natur und sorglos um das Künftige ein goldenes Zeitalter genießen sahen, als sich vor ihnen die üppige Vegetation und das herrliche Klima der Tropenländer erschloß, mit ihren herrlichen fremdartigen Wäldern, mit ihren Schwärmen von glänzend gefiederten, hellsingenden Vögeln, mit dem balsamischen Duft der Gewürzhaine und Blumenfelder, mit der leuchtenden Pracht und Klarheit des sternbesäeten Himmels.

Und doch! Ein anderes ist genießen und empfinden, ein anderes dies Empfinden, diesen Genuß mit Worten wiederzugeben und anderen zu übermitteln. Dessen sind die Reisenden auch selbst sich völlig bewußt und bedauern, daß ihre Sprache oder ihre Sprachkenntnis nicht ausreiche, um von der Schönheit der sich ihren staunenden Blicken darthuenden Scenerie den rechten Begriff zu geben. Auch fällt ferner zur Beurteilung ihrer Berichte ins Gewicht, daß diese meist ganz schlichten, ungebildeten Seeleute in erster Linie begreiflicher Weise den Reichtum und die Fülle an Pflanzen und Produkten, sowie ihre Nützlichkeit bewundern und sich freuen an der günstigen Lage der Häfen und Buchten, über die Größe und Dicke der Baumstämme, die zum Schiffbau sich eignen, über die Ergiebigkeit mit Korn besäbarer Felder u. s. f. Wohl können auch diese in der Darstellung ungewandten Erzähler sich dem Reiz des Neuen und Schönen nicht entziehen, aber sie kommen selten über die dürftigsten Ausdrücke wie „anmutig, hübsch" u. dergl. hinaus, wenn ihnen nicht ein so eigenartiger und gewaltiger Geist innewohnt wie dem Italiener Christoforo Colombo.

MARCO POLO beschreibt uns seine Reise vom Hochlande des inneren Iran zur Küste von Ormuz1 in durchaus nüchterner Weise, trotzdem aber nicht ohne Zeichen des Wohlgefallens, das

1 RUGE, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen, Berlin 1881 (Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen von ONCKEN), S. 55; Die New Welt der Landschaften, Insuln u. s. w., Straßb. 1534, Fol. 107.

er an der eigenartigen Beschaffenheit des Landes findet. So heißt es daselbst von dem lustigen veld und von der statt Cormos": ,,Zuletzt kompt man zu eim überaus hypschen veldt, das ist zwo tagreisen lang, und heisset das orth die schöne (der Übersetzer hat also auch Formosa wieder verdeutscht!). Inn disem land sind vil wasser bäch und palmen beum. Es seind auch mangerley vögel mit hauffen da, zuvor papageyen, die diesseit des meeres nicht funden werden. Von denen kompt man zu dem meer Ocean, do ligt am gestaden die statt Kormos, die hat ein guten port, do viel Kaufleut zusammen kommen, die bringen aus India spezerey, berlin, edelgestein, gewant von seiden u. s. f. Sie seehen inn disem land im Wintermonat, und im Mertzen ernden sie, dann sind auch andere frücht zeitig abzulesen, dann nach dem Mertzen verdorren alle beum am laub und gras und findt man den gantzen summer kein grien blat, es sey denn an den wassern.".. In derselben Weise ergeht er sich auch sonst über die landschaftliche Scenerie; er sah die Wüsten Persiens und die grünen Hochflächen und wilden Schluchten Badachschans, er erzählt von Japan mit seinen goldbedeckten Palästen, von Birma mit seinen goldenen Pagoden, schildert zuerst die paradiesischen Eilandfluren der Sundawelt mit ihren aromatischen Gewürzen, das ferne Java und Sumatra mit seinen vielen Königreichen u. s. f. In erster Linie steht ihm natürlich das Nationale der fremden Völker, ihre Sitten und Gebräuche, und der Nutzen und die Fruchtbarkeit des Landes. Der Bischof OSORIO giebt uns in seiner Geschichte Emmanuel's, Königs von Portugal, manche nicht uninteressante Schilderungen, interessant sowohl wegen der charakteristischen Nüchternheit, gemäß dem vorwiegenden Nützlichkeitsstandpunkt, als auch wegen der durchschimmernden Freude über die Anmut der neuentdeckten Länder. So erzählt er von den Begleitern des Vasca de Gama, daß sie die äußersten Küsten Afrikas bewunderten, indem sie die Fruchtbarkeit zugleich mit der Lieblichkeit erschauten, denn sie sahen ungeheure Wälder und dichte Haine, unzählige Scharen von Vieh und eine Menge

umherschweifender Menschen."1 Ganz besondern Eindruck machen die riesigen Palmen auf Mozambique mit den langen Blättern, dem angenehmsten Schatten und ungeheuer großen Kokosnüssen.2 Melinde wird also geschildert: „Die Stadt liegt in der Ebene, ringsumgeben von dem dichten Grün der Gärten; sie ist reich an Bäumen, besonders Citronen, aus deren Blumen die lieblichsten Düfte weithin ausströmen. Die Gegend ist fruchtbar und fett, sie ist reich nicht nur an Herden, sondern auch an jeder Art von Tieren, welche durch Jagd und Fischfang zur Speise genommen zu werden pflegen."3 Ebenso wird die Insel Zanzibaris als reich und fruchtbar, durch zahlreiche Quellen und dichte Wälder anmutig, vom Festlande ungefähr 24 000 Schritt entfernt, geschildert,,,auf ihr wachsen unter andern sehr hohe Malimedicae frei, von deren Blüten, wenn der Wind sanft weht, auch in entfernte Orte die lieblichsten Düfte sich verbreiten sollen." Brasilien wird ein ,,fruchtbares und schönes Land" genannt, und so gesund, daß man kaum ein Heilmittel nötig hat und alle nur vom Greisenalter bezwungen sterben; es wird von vielen großen Flüssen durchströmt, hat zahllose Quellen von süßem und ewig rinnendem Wasser, großenteils mit Wäldern und Berg und Thal geschmückt; die Wälder sind dicht und schattig mit Bäumen, die vorher uns völlig unbekannt waren, wie jener, aus dessen Laub Balsam, oder andere, aus denen rote Farbe gewonnen wird; auch finden sich heilsame Kräuter."5 Von der Insel Armuza (bei Arabien) heißt es: „Sie ist trocken und unfruchtbar, aber ob1 A. a. O. p. 23: cum situm et fertilitatem cum iucunditate perciperent . . p. 25.

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3 p. 29: Urbs est in planitie sita. Cingitur autem undique multiplici hortorum viriditate. Abundat multis arboribus, in primis autem citreis malis, e quarum floribus odores suavissimi admodum longe diffunduntur.

4 p. 40: Zanzibarim, fertilem et opimam, fontibus crebris et densis nemoribus amoenam

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p. 49; über St. Helena mit seiner gesunden und für Verschlagene so willkommenen Lage mitten im Meer, vergl. p. 62: Fluvios habet gelidos atque perennes et silvas atque nemora densissima cadumque saluberrimum; über Malaca p. 186: Arboribus et variis fructibus abundat; Sundae insulae p. 243 u. dgl. m.

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