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Verständig und flug kann man Niemand nennen, als den, welcher viel gesehen, viel gehört und viel erfahren hat, und der über Alles, was er erfahren hat, reiflich nachdenkt und sowohl den Nugen als auch den Schaden genügend überlegt. Das Alter hat mehr Erfahrung, als die Jugend. Obwohl die Kräfte des Körpers nachlassen, behält doch der Geist seine Stärke. Der Körper zittert zwar; aber der Verstand geht seinen festen Schritt. Der Rücken frümmt und beugt sich; aber der Wille steht fest und ist nicht so wankelmüthig wie in der brausenden Jugend, wo die Leidenschaften den Willen wie einen Spielball hin und herwerfen. Johannes sah in der geheimen Offenbarung vier Thiere, welche am ganzen Leibe voll Augen waren. Diese Thiere gleichen dem verständigen erfahrnen Alter, welches nicht nur die Gegenwart sieht, sondern auch die Vergangenheit zu benugen weiß, und eben deßwegen dazu ges eignet ist, reifer und besser über den Zusammenhang der Dinge nachzudenken und über die daraus entstehenden Folgen richtiger zu urtheilen. „Im Alter ist Weisheit und in vieler erlebten Zeit ist Klugheit," sagt Job 12, 12.

Wie unbesonnen und nur bloß nach dem Schein urtheilt oft die unerfahrne Jugend! Sie glaubt oft Glück und Freude da zu finden, wo sie nur Unglück und Reue findet. Wohl euch, ihr jungen, noch

unerfahrenen Leute, wenn ihr den Rath, die Ermahnungen und Warnungen verständiger, erfahrner Greise anhört und befolgt!

Verstand, Einsicht und Erfahrung sind eine Zierde der grauen Haare; aber ein tadelloses Leben ist die Ehre eines hohen Alters. Das heutige Evangelium sagt von dem alten Simeon, daß er fromm und gottesfürchtig war. Dieß ist das schönste Lob und also auch die größte Ehre für einen alten Mann. Die Gottesfurcht ist der Ruhm der Alten, sagt der weise Sirach 25, 6. Deßwegen sollen vorzüglich alte Leute der Tugend und Frömmigkeit ergeben sein.

Der h. Apostel Paulus schreibt in seinem Briefe an Titus 2, 2.: „Den ältern Männern schärfe die heilsame Lehre ein, daß fie mäßig, bescheiden, freundlich, start im Glauben und in der Geduld sein sollen." Dieß ist also das Evangelium für die alten betagten Männer in einer Gemeinde.

Im nämlichen Brief und Kapitel, aber am 5. Vers schreibt der h. Apostel Paulus an Titus: „Den alten Personen des weiblichen Geschlechts schärfe die heilsame Lehre ein: „Sie sollen rechtschaffen und untadelhaft sein; sie sollen nicht lästern und nicht tadeln, nicht mürrisch, nicht zänkisch, nicht gebieterisch, nicht ungeduldig, sondern bescheiden, freundlich, sanftmüthig und lehrreich sein.“ Dieß ist nun das Evangelium für die alten Weiber.

Wie oft klagen die Alten über die Jungen, und die Jungen über die Alten, und klagen nicht selten nur aus dem Grunde, weil beide Theile ihre Pflichten nicht erkennen, oder wenigstens nicht erfüllen wollen. Und da gibt es denn nichts als Zank und Plage, wo eigentlich Ruhe und Friede, Eintracht und Liebe sein sollte.

Das tugendhafte Alter ist aller Ehre würdig. „Steh vor einem grauen Haupte auf und ehre die Person eines Alten," sagt Gott selbst im 3. Buche Moses 19, 32. Was für ehrwürdige Alte waren Adam, der neunhundertunddreißig Jahre in fast beständiger Buße gelebt hat. Henoch, der mit Gott wandelte, und im dreihundertundfünfund sechzigsten Jahre von Gott hinweggenommen ward. Noe, dessen Alter sich auf neunhundertundfünfzig Jahre erstreckte. Abraham, der einhundertundfünfundfiebenzig Jahre erreichte. Isaat, dessen Leben einhundertundachtzig Jahre ausmachte. Jacob, der nach einhundertundsiebenundvierzig Jahren starb. Moses, den Gott im einhundertundzwanzigsten Jahre sterben und Eleazar, der sich im neunzigsten Jahre für das Gesez martern ließ.

Die alten Leute, wenn sie anders rechtschaffen waren, haben mehr gelernt, mehr erfahren, mehr Böses erduldet und mehr Gutes gethan, als die jungen: sollen sie also von diesen verachtet werden?

Was kann wohl ehrwürdiger sein als ein Greis, welcher bald ein Jahrhundert mit Ehren durchlebt hat, welcher den größten Theil der ihn umgebenden Menschen aufwachsen sah, und ihnen, so lange es seine Kräfte erlaubten, mit Rath und That beistand.

Gott straft daher auch keine Sünde strenger, als die Sünde gegen das ehrwürdige Alter. Die Söhne des Noe wurden gezüchtigt, weil sie ihres alten Vaters spotteten, und die vierzig muthwilligen Knaben, welche den Propheten Elisäus als einen Kahlkopf beschimpften, wurden von Bären zerrissen.

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Wie viele Bären müßte es heut zu Tage geben, wenn alle diejenigen, welche das ehrwürdige Alter beschimpfen, verspotten, ja sogar oft mißhandeln, von Bären zerrissen werden sollten? Hier ist ein ausgearteter Sohn, der seinen Vater darben läßt und ihm hundertmal den Tod wünscht. Dort eine ehrvergessene Schwiegertochter, die ihre Schwiegermutter wie eine Bettlerin behandelt und sie durch ihre Mißhandlungen vor der Zeit ins Grab bringt. Dort find muthwillige Knaben und Mädchen, welche alte Leute beschimpfen, verspotten und nicht selten auch mißhandeln. Von Bären werden sie zwar nicht zerrissen, diese Gottlosen; aber Gottes Fluch trifft sie noch in diesem Leben und Strafe nach dem Lode.

Freilich bleiben auch die besten alten Leute nicht

ganz ohne Fehler, zu denen sie das gebrechliche Alter verleitet. Mit diesen Fehlern und Gebrechen sollen aber die Jüngern Geduld und Nachsicht haben und sie deßwegen nicht gleich beschimpfen oder mit rauhen Worten anfahren. „Einen Alten," schreibt der h. Apostel Paulus in seinem Briefe an Thimotheus 5, 1., „sollst du nicht mit rauhen Worten bestrafen, sondern wie einen Vater bitten und ermahnen.“

Ein guter gottesfürchtiger Alter blickt auf seinen Lebensweg zurück, den er durch so viele Jahre gemacht hat. Er wird da für Vieles zu danken, und auch Vieles Vieles zu bereuen und abzubitten haben. Darum betet er öfters mit dem königlichen Propheten David, Psalm 70, 17. 18.: „Gott! du hast mich von Jugend auf gelehrt, und noch jezt will ich deine Wunder rühmen! Verlaß mich auch nicht, o Gott! in meinem Alter, da ich nun grau bin, bis ich deine Macht den Nachkommen verkünde. Herr! verwirf mich nicht in der Zeit meines Alters, verlaß mich nicht, wenn meine Kräfte schwinden!"

„Gedenke nicht der Sünden und Missethaten meiner Jugend, sondern nach deiner Güte und Barmherzigkeit denk an mich." Psalm 24, 7. Dann kann, o Herr! dein Diener auf dein Wort hin freudig sterben. Luf. 2, 29.

Seht, meine Christen! also auch der Tod schreckt

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