Изображения страниц
PDF
EPUB

aber ist das Studium des Griechischen an unserem Gymnasium und zwar eben datum, weil wie bei der Mathematik der Gewinn, den es bringt, nicht an der Oberfläche liegt. Ich hatte einst Gelegenheit, keinen geringeren Mann als den Fürsten Bismarck zu fragen, ob er in seinem vielbewegten Leben Ursache gehabt habe, es zu bereuen, daß er seine Vorbildung auf einem preußischen humanistischen Gymnasium erhalten habe: dabei äußerte er, es sei eigentlich schade, daß Latein nicht mehr die Sprache der Diplomatie sei, es habe sich zu jener Zeit die Ueberlegenheit der deutschen Gelehrsamkeit geltend gemacht. Und ein andermal, als ein Teil der deutschen Lehrerschaft ihm ihre Huldigung zu seinem 80 sten Geburtstage darbrachte, hörten wir ihn das gewichtige Wort von den Imponderabilien der Bildung aussprechen: auch bei unserem Gegenstand müssen wir stets daran denken, daß man nicht Alles, auch nicht mit der Goldwage, wägen und messen kann. So ganz imponderabel aber ist der Gewinn, den das Studium des Griechischen auf dem Gymnasium verspricht, doch nicht.

Von dem nicht zufälligen, auch nicht unwichtigen, aber der großen Kulturfrage gegenüber doch nicht entscheidenden Umstand, daß wichtige Wissenszweige ihre Kunstausdrücke der griechischen Sprache entnehmen, rede ich hier nicht. Daß aber das Griechische beibehalten werden muß, weil Homer und Sophokles, Herodot und Thukydides, Plato und Demosthenes zu uns in dieser Sprache reden und daß es wünschenswert ist, daß ein starkes Kontingent von solchen, welche diese Werke im Original auf sich haben wirken lassen, über die leitenden Kreise unseres Volkes verteilt sei, - daß es eine Thorheit ist, zu behaupten, daß Überseßungen denselben Dienst thun wie die Originale, daß dieser Sah das Gegenteil ernster und strenger Wissenschaft und mithin auch ernster und strenger wissenschaftlicher Vorbildung bedeutet, darüber ist kein weiteres Wort zu verlieren. Das Griechische ist unentbehrlich, weil unsere Jugend, soweit sie für die leitenden Stellungen auf Gymnasien vorgebildet wird, damit aus denselben Quellen schöpft, wie die großen Geister unseres eigenen Volks, die Klopstock und Wieland, Lessing und Herder, Goethe und Schiller, und wie die führenden Geister der übrigen Kulturvölker, zwischen denen seit vielen Jahrhunderten die Kenntnis der alten Sprachen und der Welt des Altertums- und dies heißt des Griechischen und des Lateinischen, nicht blos der einen oder der anderen dieser Sprachen - ein Band und Verständigungsmittel im tiefsten Sinn gewesen ist und noch ist.

Hier nun, an dieser Stelle wird man versucht sein, der Begeisterung für die Welt der ewigen Besißtümer, der ztýpata èç àsì der griechischen Litteratur Raum zu geben, - von dem heiligen Feuer des Idealismus zu reden, das unsere Gymnasialjugend, wenn sie dereinst ins Mannesalter getreten sei, zu hüten haben werde. Ich will dieser Versuchung aber widerstehen und nur auf Eines, freilich das wichtigste Moment hinweisen, das wir im Auge haben müssen, wo wir von der Bedeutung des Griechischen im Organismus der Gymnasialerziehung sprechen. Die Griechen sind die erste Gemeinschaft von Menschen gewesen, bei denen ein sittlicher Begriff von unermeßlicher Bedeutung, eine Kraft, die in der That noch viel größere Wunder vollbracht hat als Dampf und Elektrizität, erstmals ins Leben getreten

[ocr errors]

-

ift: der Begriff der Freiheit, von der wir Wort und Sache in der ganzen Litteratur des Orients, auch im Alten Testament vergebens suchen werden. Dieser ethische Wert oder Begriff oder wie wir es nennen wollen, diese Kraft, dieselbe, auf der unsere ganze abendländische Bildung und Lebensführung beruht, tritt uns mit ihren Segnungen und ihren Gefahren beim griechischen Volk zuerst entgegen, anders, ursprünglicher, frischer, tiefer als beim römischen oder in jeder späteren Welt. Und darum verlangen wir, daß unsere gymnasiale Jugend mit diesem Volke, das eben durch jene neue ethische Kraft für alle Kultur aller Folgezeit bahnbrechend geworden ist, in eine unmittelbare Berührung komme, seine Sprache lerne, das heißt mit anderen Worten, seine Ideenwelt kennen lerne und an ihr sich bilde. We wäre ein vollwertiger Ersatz für jene Stellen aus Herodot, wo jenes noch junge Freiheitsgefühl in schlichten Worten ursprünglichster Begeisterung sich ausspricht: in dem Gespräch der beiden ausgelieferten Spartaner mit dem persischen Großen Hydarnes zu Suja (7, 135) das Unterthansein kennst du freilich, die Frei= heit aber hast du noch nicht gekostet, ob sie süß ist oder nicht: denn wenn du ihre Kraft erfahren, so würdest du uns raten, nicht blos mit Lanzen, sondern selbst mit der Art für sie zu kämpfen“, oder die Unterredung des Xerres und des Demaratos: „frei wie sie sind, sind sie doch nicht in Allem frei: denn über ihnen ist als ein Herr das Gesez, das sie noch mehr fürchten, als die Deinigen dich:" oder die recht eigentlich klassische Stelle in der Anabasis, wo der hochbegabte Barbarenfürst die Hauptleute seiner griechischen Söldner, die doch nicht gerade die auserforensten ihrer Landsleute waren, um ihre Freiheit beneidet, deren Wirkungen er sieht, ohne ihr Wesen begreifen zu können. Angesichts solcher Stellen verstehen wir die edlen Worte, mit denen der jüngere Plinius. dieser entschwundenen Morgenröte der Freiheit nachtrauert, indem er seinen Freund Marimus, der als Statthalter nach Achaia abzugehen im Begriff steht, ermahnt, nicht zu vergessen, daß er in ein Land geschickt werde, wo Humanität und Freiheit und das tägliche Brot (fruges) zuerst gefunden worden seien, zu Griechen, ad homines maxime homines, ad liberos maxime liberos quibus reliquam umbram et residuum libertatis nomen eripere durum ferreum barbarum esset. Wohlgemerkt aber: in diesen ethischen Begriff und alle, die daraus fließen, muß der Schüler hinein= wachsen, man kann sie ihm nicht vorerzählen und vordemonstrieren und an die Tafel malen, wie die Kennzeichen einer Pflanzengattung: und darum müssen wir uns gegen diejenigen zur Wehre segen, die, aufrichtige Freunde des Griechischen, wie sie versichern und wie wir ihnen gerne glauben, das Griechische erst spät mit sogenannten gereifteren Schülern anfangen wollen aufrichtige, aber kurzsichtige Freunde.

Indes man wird mit diesem Idealismus bei Vielen, auch vielen Wohlmeinenden, die sich für die Erziehung unserer vaterländischen Jugend lebhaft interessieren, heute wenig ausrichten. Darum will ich meinen Vortrag noch mit einem derben Stück Realismus schließen, selbst auf die Gefahr hin, wiedereinmal der Grausamkeit be= schuldigt zu werden, wie im Jahre 1890 von meinem verewigten Freund Otto Frick, als ich bei einem Referat über das Abiturienteneramen jagte, daß dies

Eramen trog aller möglichen Erleichterungen ein schweres bleiben müsse. Mein Realismus in der vorliegenden Frage besteht darin, daß das Griechische neben Latein und Mathematik ein schweres Fach ist, und ich daraus den Schluß ziehe, daß gerade darin, daß es weitere schwere Aufgaben stellt Aufgaben die mit Fleiß und gutem Willen lösbar sind, die aber der Schüler nicht leicht nehmen kann, selbst wenn er es wollte - ein großer Teil seiner Stellung und seines Rechts im Organismus des Gymnasiums liegt, und daß wir eben deshalb es schon für Untertertia postulieren, entgegen dem preußischen Reformgymnasium, das ich überhaupt — denn in einem freien Lande und auf unserem Gebiet vor Allem muß man gerade heraussagen, was man denkt für ein unnötiges und nur Verwirrung stiftendes Experiment halte.

Es ist an der Zeit, daß man dem ungesunden Hang zur geistigen Verweichlichung unserer Jugend, der weite Kreise ergriffen hat und der in dem demagogischen Zug vieler unserer Tagesblätter einen bereiten Bundesgenossen findet, ein ernsthaftes Wort entgegenseze, wenn es auch für den Augenblick wirkungslos verhallen mag. Man unsere fatten und genußfrohen Kreise wollen es ihrer Jugend möglichst bequem machen, wovon z. B. ein, nur ein Symptom das Verlangen nach völliger Freigebung des Nachmittags ist, sowie das Gezeter in den Lokalblättern, wenn ein Direktor beim Schwanken zwischen 19 und 20° R fein beneficium caloris bewilligt, sie wollen ihr also auch die ernste, tiefbohrende Denkarbeit ersparen, die in der Beschäftigung mit dem Griechischen liegt. Dem will ich in aller Härte den Sah entgegenstellen, daß wer den leitenden Kreisen der Gesellschaft herrschenden Klasse in der Sprache der Sozialdemokraten angehören will, sich dadurch allein legitimieren kann, daß er mehr, intensiver arbeitet, als die übrigen, daß zu diesem Zweck die Jugend dieser leitenden Kreise sowie alle, die in diese dereinst eintreten wollen, also unsere Gymnasialschüler, mehr und intensiver arbeiten lernen müssen,

[ocr errors]

der

daß dazu das Griechische neben Latein und Mathematik ein ganz besonders wertvolles, lohnendes, unentbehrliches Mittel ist,

und daß mithin es zu beseitigen wie der Dilettantismus der Mitsprechenden, es erst spät zu beginnen wie das Reformgymnasium will, die wissenschaftliche Bildung in unserm Vaterlande an einem Lebensteile schädigen heißt. Ich fasse meine itberzeugungen zusammen in folgenden

Thesen.

1. Eine Verdrängung des Griechischen vom Gymnasium oder auch nur seine weitere Schmälerung würde die wissenschaftliche Durchbildung unserer, für die höchftverantwortlichen Stellungen vorzubereitenden Jugend erheblich beeinträchtigen.

Sie würde zunächst einen guten Teil der Wirkungen des lateinischen Unterrichts lähmen und weiterhin den Gewinn des historischen Bildungsgangs, der das Gymnasium charakterisiert, in Frage stellen.

"

3. Daß das Gymnasium eine Gelehrtenschule" bleiben muß und das Griechische als eine gelehrte Sprache" seinen besondern Wert und Nugen hat, wird nur von oberflächlich Urteilenden bestritten.

4. Das Studium des Griechischen verspricht den jetzigen Generationen größern Gewinn, als irgend einer früheren. Es verbindet Gegenwart mit einer im Geistesleben der führenden Dichter und Denker unserer Nation und der übrigen Kulturvölker fortlebenden Vergangenheit.

5. Es verspricht diesen Gewinn nur bei gründlicher, systematischer Erlernung, also längerem Einleben in die Sprache. Der Beginn ihres Studiums darf also nicht weiter als in's 4 Gymnasialjahr (Untertertia) verschoben werden.

6. Daß die Jugend, welche dereinst in leitenden Stellungen schwierigere Aufgaben zu lösen hat als andere, auch intensiver arbeiten muß, arbeiten lernen muß als andere, sollte selbstverständlich sein.

7. Und mithin muß das Griechische schon deshalb beibehalten und gepflegt werden, weil es mehr als alle vorgeschlagenen Ersatzmittel schwierige Aufgaben stellt. Die Versuche es zu verdrängen sind wie andere Mittel geistiger Verweichlichung zu bekämpfen.

Lebhafter und allgemeiner Beifall zeigte dem Redner, wie sehr er allen Versammelten aus der Seele gesprochen. So brachte denn die folgende Diskussion nicht Einwendungen, sondern nur Bestätigungen und Ergänzungen. Die bedeutendsten tamen von dem allverehrten Mann, der von der Gründung des Vereins an mehrere Jahre sein erster Vorsitzender gewesen ist. Eduard Zeller, dem alle vier Fakultäten gleicherweise die Doktorwürde erteilt haben, hat sich auch mit pädago= gischen Fragen eingehend beschäftigt, und überaus wertvoll ist für alle Zeit seine Abhandlung über die Bedeutung der Sprache und des Sprachunterrichts für das geistige Leben." Auch in den gegenwärtigen Schulkampf ist er wiederholt einge= treten und hat die Sache der humanistischen Schulbildung mit den Waffen verteidigt, welche ihm sein umfassender wissenschaftlicher Umblick und sein in die Tiefe dringender philosophischer Geist in die Hand gaben. Wenn er im Jahr 1892 bat, ihn, den bald achtzigjährigen, von den Aufgaben des Vereinsvorsizenden zu entbinden und wenn er nicht lange darauf auch seine Lehrthätigkeit an der Berliner Universität aufgab und sich in seine schwäbische Heimat zurückzog, so würde daraus doch sehr mit Unrecht der Schluß gezogen werden, daß Zellers geistige Frische Einbuße erlitten habe: denn es ist das bei diesem aus der Südmark unje= res Vaterlandes stammenden wissenschaftlichen Heros ebenso wenig der Fall, wie bei dem aus der Nordmark stammenden, fast gleich altrigen, bei Theodor Mommsen. Einen höchst erfreulichen Beweis dafür erhielten wir durch Inhalt und Form des Votums, das Zeller nach Jägers Vortrag abgab, und durch die geradezu jugendliche Lebendigkeit, mit der er seine Überzeugung aussprach. Er hat die Güte ge= habt, uns in Kürze den Hauptinhalt seiner Äußerung mit den folgenden Worten niederzuschreiben:

„Es hieße Eulen nach Athen tragen, wenn ich dem Herrn Vorredner für seinen trefflichen Vortrag meinerseits noch ausdrücklich die Anerkennung aussprechen.

wollte, die Sie ihm soeben einmütig bezeugt haben. Noch weniger liegt es in meiner Absicht, ihm zu widersprechen; denn es ist mir in seiner Rede kein Punkt aufgestoßen, mit dem ich nicht einverstanden wäre. Wenn ich mir dennoch erlaubt habe, mich zum Worte zu melden, geschah dies nur, um eine der von dem Herrn Vorredner aufgestellten Thesen Ihrer Beachtung noch besonders zu empfehlen. Wenn die 5te von diesen verlangt, daß mit dem Unterricht im Griechischen nicht später als in Untertertia begonnen werde, so halte ich dies nicht allein für unbedingt richtig, sondern dieser Zeitpunkt ist mir eigentlich schon zu spät: ich hielte es für besser, wenn schon in Quarta damit angefangen würde. Ich selbst kam seiner Zeit durch besondere Umstände in den Fall, daß man mich noch vor Vollendung meines achten Lebensjahrs in den Anfangsgründen der griechischen Sprache zu unterrichten begann, und ich habe dies in der Folge stets als einen großen Vorteil em= pfunden. Denn je früher man die Elemente einer Sprache sich zu eigen macht, um so eher gewinnt man die Sicherheit in ihren grammatischen Grundlagen, ohne die es nicht möglich ist, zu ihrer freien Beherrschung zu gelangen. Der Unterricht der Knaben besteht großenteils in mechanischer, gedächtnismäßiger Aneignung des Lernstoffs, ihrer Entwicklungsstufe ist dieses überwiegend rezeptive Verhalten noch angemessen und sie finden sich deshalb auch leicht darein; wie der Knabe zum Jüngling wird, ändert sich dies: er bedarf reichlicherer Anregung zur Übung des Verstandes, des eigenen Urteils. Für den Zehn- oder Zwölfjährigen ist es noch ein lockendes Ziel des Ehrgeizes, die griechischen unregelmäßigen Zeitwörter ohne Fehler zu konjugieren; für den Fünfzehn- und Sechzehnjährigen nicht mehr. Es ist daher so unpsychologisch wie möglich, wenn man einen Unterricht, welcher an das Gedächtnis so bedeutende Ansprüche macht, wie der in den Elementen der griechischen Sprache, aus dem Lebensalter, für das er sich eignet, in ein solches verlegen will, welches ihm bei weitem nicht die gleiche Empfänglichkeit entgegenbringt; und es läßt sich nicht annehmen, daß der Zweck jenes Unterrichts auf diesem neuen Wege sich ebenjogut erreichen lasse wie auf dem bisherigen. Das Gymnasium soll seine Schüler doch so weit bringen, daß sie ihren Homer, ihren Sophokles, ihren Plato ohne zu große Schwierigkeiten im Original zu lesen im Stande sind. Wie ist dies aber möglich, wenn sie sich noch in Oberjekunda mit den Elementen der Gram= matik herumschlagen müssen? Es handelt sich aber auch beim Unterricht im Griechischen nicht bloß um die Sprache und Litteratur. Mit der Sprache zieht vielmehr immer auch etwas von dem Geiste des Volkes, das diese Sprache geschaffen und gehandhabt hat, in die Seele des Lernenden ein; und der Unterricht im Griechischen soll uns nicht nur den Zugang zu den Schriftwerken der Griechen eröffnen, sondern er soll dazu dienen, daß die leitenden Klassen unseres Volkes in das geistige Leben einer Nation eingeführt werden, deren Kultur einen so wesentlichen Be= standteil der unsrigen - und nicht zum wenigsten auch unserer Religion ausmacht. Dazu gehört aber, daß sie ihre Kenntnis derselben so viel wie möglich aus der ersten Hand, aus den fontes, nicht aus den rivuli, schöpfen; und dies wird ihnen um so leichter werden, je früher sie sich mit der Sprache vertraut gemacht haben, die der Träger jener Kultur gewesen ist."

« ПредыдущаяПродолжить »