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Es wird niemand leugnen, daß wenn ungarische und Universalgeschichte acht Jahre hindurch nach der konzentrierenden und heuristischen Methode vorgetragen werden, die Söhne Ungarns ein schönes, wahres und begeisterndes Weltbild mit sich ins Leben hinaustragen, das Gewordene, die sozialen Ordnungen richtig verstehen werden. Doch mit dem Geschichts- und Kulturunterricht allein ist es nicht genug. Wir verlangen vom Gymnasiasten die ausgebreitetesten Sprach- und möglichst viel naturwissenschaftliche Kenntnisse.

Auch hier helfen nur die befreienden Methoden der Konzentration, Heuristik, Anschauung und Anknüpfung. Vorausgesezt, daß die Nationalsprache ihrer Materie nach schon in der Volksschule eingeprägt ist, ist bei der Einführung einer jeden neuen Sprache auf die Analogien hinzuweisen, welche aus dem Sprachgeist als solchem hervorgehen. Die philologischen Lehrer müssen unbedingt nicht nur in der finnisch-ugrischen, sondern auch in der indogermanischen Sprachvergleichung zuhause sein. Wörter dürfen nur auf etymologischem Wege gelehrt werden, damit der Schüler auch in das Werden des Sprachwunders Einsicht bekomme. Er muß selbst die Wörter bilden lernen. Den Gang der Kultur soll er aus den entlehnten Wörtern erkennen. Überall wird er ein Gesetz, Vernunft und historische Notwendigkeit finden. Wie die Sprachvernunft sich in den bestimmten termini technici, in den feinen Unterscheidungen der Synonyme cusprägt, soll den Schüler zu dem höchsten Gesichtspunkte führen, daß das Wort eine festgeprägte Münze im menschlichen Verkehr ist. Er soll verstehen, was die Prinzipien bedeuten sollen: „Das Wort ihr sollet lassen stahn", und an Kaisers Wort sollt ihr nicht deuteln und rütteln". Weiterschreitend zur Syntar gelangt der Schüler schon in die Sphären der Logik und ein geschickter Lehrer hat Gelegenheit, aus der sonst so verhaßten Syntax, der Ordnung der Worte und Säge, den Zugang zur höchsten Geisteswissenschaft, zur Erkenntniß der Wahrheit und der Ordnung aller Dinge zu erschließen.

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Man wird uns zugeben, daß die Philosophie immer das Aschenbrödel des Gymnasialunterrichts war. Woher auch Lehrer und Lehrbücher für diese schwerste, für die Krone aller Wissenschaften hernehmen? Die Gymnasialphilosophie blieb immer eine Karrikatur, ein unnüßer Krempel. Es wird auch lange nicht besser werden, wenn nicht berufene und begeisterte Männer auftauchen werden, um werkthätig einzugreifen und abzuhelfen. Daß dem Thun'schen System nicht sehr darum zu thun war, aus den österreichischen Unterthanen selbstdenkende, geistesfreie Menschen zu erziehen, ist selbstverständlich. Auch die Kirche fand kein Vergnügen an derlei Faust'schen Disziplinen. Gerade den ungarischen Geistlichen indeß muß es nachgejagt werden, daß sie der Philosophie eine große Vorliebe zugewendet haben, nur daß sie mehr sich selbst, als ihre Schüler darin unterrichteten.

Nun, wenn je die Philosophie im ungarischen Schulunterricht eine Rolle spielen soll, so ist dies auch nur durch die konzentrierende Unterrichtsmethode zu erreichen. Aus der Nationalgeschichte sind die Disziplinen der Ethik und Psychologie zu konstruieren, aus dem Sprachunterricht die Logik zu entwickeln, und im Zusammenhang mit den Naturwissenschaften sind Religion und Metaphysik festzustellen. Soll die Erziehung zum Denken mehr als eine Phrase sein, so muß der philosophische Unterricht durch das ganze Gymnasium hindurch geführt werden.

Der naturwissenschaftlich-mathematische Unterricht endlich findet reichliche Anknüpfung zunächst in der Heimatskunde. Der Schüler findet schon zuhause einen fast unermeßlichen Stoff für Kenntnis der Flora, Fauna, für die Diszi= plinen der Geologie, Meteorologie, Astronomie. Indem man ihn mit dem Bauwesen seiner Vaterstadt bekannt macht, führt man ihn in die Mechanik ein, durch den Besuch der Fabriken kann er in alle Zweige der Physik und Chemie, in alle Gewerbszweige allmählich spielend eingeführt werden. Die ganze Natur beruht auf Mathematit, es müßte sonderbar zugehen, wenn ein geistvoller Lehrer nicht den

mathematischen Schlüssel aller Dinge den Schüler selbst finden und ihm eine unauslöschliche Liebe zu dieser größten aller geistigen Mächte einflößen könnte.

Doch der von uns berührte Gegenstand bedürfte ganzer Bände zu einer gründlichen und fruchtbaren Auseinanderseßung. Wir müssen uns damit trösten: sapienti sat! Die heilige Pflicht gegen die Zukunft unserer Nation gebietet uns, energisch darauf hinzuweisen, daß es weder mit bloßen Schlagworten, noch mit administrativen Verbesserungen gethan ist, sondern daß ein Minister, der nicht blos Bureaukrat sein will, unverweltliche Lorbern für sich und seine Nation finden kann, wenn er den Unterricht als solchen von der absolutistischen Überlieferung löst und auf modern liberale, geistbefreiende und geistentfaltende Basis stellt.

Dr. Adolf Silberstein.

Ludwig Knöpfel, Statistische Untersnchungen über die Gesamtlage der akademisch gebildeten Lehrer im Vergleiche mit den übrigen Beamten im Großherzogthum Hessen, unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in den größeren deutschen Bundesstaaten. (Gießen, Roth, 1897). 32 S.

In ähnlicher Weise wie H. Schröder in seinem schnell bekannt gewordenen Schriftchen: „Oberlehrer, Richter und Offiziere" und bereits unter Berücksichtigung des dort gebotenen Stoffes unterwirft L. Knöpfel die Gesamtlage der höheren Beamten des Großherzogthums Hessen vom Standpunkte des akademisch gebildeten Lehrers aus einer eingehenden, auf reichliches statistisches Material gegründeten Betrachtung. Vergleichsweise berücksichtigt find außerdem die einschlagenden Zustände im Königreiche Sachsen als des Staates, in dem die Verhältnisse der akademisch gebildeten Lehrer ähnliche sind. Knöpfel kann nachweisen, daß die statistischen Erhebungen verschiedener Herkunft weitgehende Übereinstimmung zeigen und sichert dadurch seinen Untersuchungen den Anspruch auf Beachtung auch über die Kreise seiner näheren Amts, und Landesgenossen hinaus. Unter Verweisung auf das Original bezüglich aller Nachweise im Einzelnen beschränken wir uns hier auf Angabe der wesentlichen Folgerungen, zu denen Kn. gelangt. Sie lauten: die akademisch gebildeten Lehrer besigen eine sehr lange, vielleicht die längste Vorbereitungszeit und kommen sehr spät, jedenfalls später als die Juristen, zur definitiven Anstellung. Nur ausnahms, weise (1,2 %) können sie über das 60. Lebensjahr hinaus noch im Dienste bleiben, während bei den übrigen Beamtenkategorien immer noch ein ansehnlicher Bruchteil der Beamten mit dem 60., ja sogar mit dem 65. Lebensjahre seinen Dienst versieht. Nur halb soviel akademisch gebildete Lehrer als Beamte der vier übrigen zum Vergleich herangezogenen Kategorien (Richter, Oberförster, Verwaltungsbeamte und Steuerkommissäre) besißen ein definitives Dienstalter von 20 Jahren; ein definitives Dienstalter von 30 Jahren gehört bei den ersteren, den Lehrern, im Gegensatze zu den letteren zu den Seltenheiten. Trotzdem ist der Durchschnittsgehalt der Lehrer der niedrigste, ihre Avancementsaussicht die geringste von allen akademisch gebildeten Veamten. An der Hand zahlreicher Citate wird des weiteren ausgeführt, wie die preußische Regierung schon seit 50 Jahren den Grundsatz vertritt, daß die akademisch gebildeten Lehrer und die Richter unterster Instanz in jeder Beziehung gleiche amtliche und soziale Stellung besitzen, wie die Dezem berkonferenz vom Jahre 1890 und deren Ausschuß zu der entsprechenden Forderung gelangt sind und wie endlich Fürst Bismarck für die Notwendigkeit der Hebung unseres Standes eingetreten ist. Nachdem der Verf. ferner den Stand der Frage speziell in Hessen nach den Verhandlungen der 2. Kammer v. 3. 1886 erörtert und die Gründe widerlegt hat, die damals, trotz der wohlwollenden Stellung der Mehrzahl der Redner, zur Ablehnung des Gesuchs der akademisch gebildeten Lehrer um Gleichstellung mit den Richtern geführt haben, faßt er endlich die Gründe, die für eine solche Gleichstellung sprechen, noch einmal übersichtlich zusammen.

Wir stehen nicht an, in allen wesentlichen Punkten unser Einverständniß mit den Ausführungen des Herrn Verf. zu erklären. Nicht darauf kann es uns ankommen, daß wir in allen Einzelheiten gerade den Juristen 1. Instanz völlig gleichgestellt werden, wohl aber darauf,

daß wir nicht offensichtlich hinter allen anderen, die ähnliche Mühe und Kosten auf ihre Berufsausbildung verwenden mußten, zurückgestellt werden. Wir brauchen die Unterstützung des Staates, wenn wir ihm in unsrer wichtigen und exponierten Stellung das leisten sollen, was er von uns, heute mehr denn je, erwarten muß; wir brauchen sie, damit es für Jeden eine Ehre und eine Freude sein kann, dem Vaterlande als Lehrer einer höheren Schule zu dienen.

Leipzig.

Dr. Walther Schmidt. [Oberlehrer am Thomasgymnasium.]

Die im Eingang dieser Anzeige angeführte Schrift von Heinrich Schröder ist die kürzlich erschienene zweite, unter Benütung des neuesten amtlichen Materials bedeutend erweiterte" Auflage der Schrift „Oberlehrer und Richter in Preußen", die wenige Wochen nach ihrer Veröffentlichung vergriffen war, ein Umstand, der nicht nur dem lebhaften Interesse für die behandelte Frage verdankt wird, sondern ebenso der Art ihrer Behandlung. Denn während die Äußerungen ähnlichen Inhalts in Petitionen, Zeitungen und Zeitschriften vielfach einer festen statistischen Grundlage entbehrten und einen psychologisch zwar wohl erklärlichen, aber der Sache weniger dienenden Ton anschlugen, find Schröders Behauptungen durchweg auf breitem, sicherem Fundament aufgebaut und zugleich in der logisch-ruhigen Weise vorgetragen, die geeignet ist, auch Andersdenkende zu überzeugen. Wir empfehlen daher jedem, der für die Fragen der Anstellung und des Gehalts der akademisch gebildeten Lehrer interessiert ist, diese in Kiel und Leipzig bei Lipsius und Tischer erschienene Schrift (deren Preis nur 1 M. 40 Pf. beträgt) zu lesen, insbesondere den Abschnitt, der betitelt ist „das Finanzministerium und die Forderungen der höheren Lehrer."

Zugleich möchten wir auf zwei Veröffentlichungen aufmerksam machen, die vor Kurzem der bayerische Gymnasiallehrerverein und die Vereinigung von Lehrern an städtischen höheren Schulen Dresdens herausgegeben haben und die einen sehr belehrenden Einblick in die Avancements-, zum teil auch in die Gehaltsverhältnisse der höheren Lehrer an den bayerischen Gymnasien und an den Schulen der genannten Stadt geben: Personalstatus der Gymnasien, Progymnasien und Lateinschulen im Königreich Bayern nach dem Stande vom 1. April 1897, zusammengestellt von den Kgl. Gymnasiallehrern in München Dr. Burger, Dr. Hamp und Dr. Stapfer, im Selbstverlag des Bayer. Gymnasiallehrervereins München 1897 und Lehrerbuch für die städtischen höheren Schulen Dresdens, IV. Jahrgang 1896. Beide Hefte sind sicher von den Vorsitzenden der Vereine, Prof. Dr. Gebhard in München, Kirchenstraße 3 I, und Dr. Heger, Professor am Wettinergymnasium in Dresden, zu beziehen.

Ferner seien alle, welchen die vom bayerischen Gymnasiallehrerverein herausgege benen Blätter für das Gymnasial-Schulwesen nicht regelmäßig zu Gesicht kommen, ausdrücklich auf den höchst interessanten Bericht im 1. Heft des Jahrgangs 1897 aufmerksam gemacht, in dem Prof. Dr. Gebhard die Ergebnisse der letzten bayerischen Landtagsverhandlungen bezüglich der höheren Schulen und der akademisch gebildeten Lehrer zusammengestellt hat. Was bei den Verhandlungen über diese Dinge in Bayern stets einen sehr günstigen Eindruck macht, das ist einmal die wohlwollende und energische Art, wie das dortige Kultusministerium durch seine Vorschläge und ihre Vertretung den ihm vorgetragenen gerechten Wünschen des allezeit rührigen Gymnasiallehrervereins entspricht, und zweitens die wirksame Unterstützung, welche diese Wünsche immer im Landtag durch eine Reihe von einflußreichen und beredten Abgeordneten verschiedener Parteien erfahren, insbesondere durch Abgeordnete, die selbst dem höheren Lehrerstand angehören So hat denn auch der letzte Landtag manches erfreuliche Ergebnis gebracht und, wenn man anderwärts sich noch vergeblich um Gleichstellung der Lehrer an den Mittelschulen mit den Richtern erster Instanz bemüht, so treten uns in dem Gebhardschen Bericht wesentlich andere Anschauungen entgegen. Der Referent der Kammer über die Angelegenheiten des höheren Schulwesens, Lycealrektor Daller, sprach als seine Meinung aus, daß die Gymnasialprofessoren im Range den Landgerichtsräten und die Gymnasiallehrer den Amtsrichtern

gleichstünden, und bat den Herrn Kultusminister, ihn im Irrtumsfall zu korrigieren. Dieser aber (jezt H. von Landmann) erklärte die Auffassung des Referenten für begründet: nachdem bezüglich der Gymnasialrektoren ausdrücklich bestimmt sei, daß sie den Rang von Kollegialräten (von Oberlandesgerichtsräten und Landgerichtsdirektoren) hätten, werde sich von selbst und mit Rücksicht auf die dienstliche Stellung und die Gehaltsverhältnisse der Gymnafial profefforen die Folgerung ergeben, daß diese den gleichen Rang wie die Landgerichtsräte beanspruchen könnten (vergl. übrigens die Mitteilung im Jahrg. 1892 unserer Zeitschrift S. 56 oben).

Endlich sei hier darauf hingewiesen, daß zwischen den Vereinen, die in den verschiedenen deutschen Staaten Lehrer der höheren Schulen verbinden, für Erledigung von Standesfragen ein Kartellverhältnis vorgeschlagen und zumteil schon thatsächlich eingetreten ist, welches in Austausch der Vereinsschriften bestehen soll und in der gegenseitigen Einräumung des Rechts, daß Mitglieder des einen Vereins den Versammlungen des anderen als Gäste beiwohnen dürfen. Ausgegangen ist die Anregung hierzu von Herrn Oberlehrer K. Rollfuß (am Wettiner Gymnasium zu Dresden). Daß wir diesem Gedanken von ganzem Herzen zustim men und seine Ausführung als sehr förderlich für die gemeinsame Sache ansehen, brauchen wir wohl kaum zu sagen nach der Berücksichtigung, die besonders in den lezten Heften unserer Zeitschrift die Entwicklung der Standesfragen erfahren hat, wie sie sich in verschiedenen deutschen Ländern vollzieht. Übrigens hat ein Verhältnis, wie das vorgeschlagene, zwischen einzelnen Vereinen schon bestanden. Aber entschieden weiter würde führen die Ausdehnung solches Zusammenhaltens über ganz Deutschland. Als derzeitiger Vorsizender des Vereins akademisch gebildeter Lehrer in Baden werde ich mir erlauben, die Sache auf der nächsten (am 12. Juni stattfindenden) Vereinsversammlung zur Sprache zu bringen, und glaube an der Zustimmung meiner Herren Kollegen nicht zweifeln zu dürfen. Schon jezt aber kann ich sehr wohl allen Vereinen, die sich dafür interessieren, die Zusendung derjenigen Vereins-Publikationen und Petitionen anbieten, die von uns Badenern ausgegangen sind und mit denen wir in der Gehaltsfrage einen erfreulichen Erfolg erzielt haben. Zugleich danke ich bestens für die Schriftstücke ähnlichen Inhalts, die mir in den legten Monaten von Bayern, Sachsen, Württemberg und Hessen zugegangen sind. G. Uhlig.

Litterarische Anzeigen.

A. Mathias. Wie erziehen wir unseren Sohn
Benjamin?

In diesen Tagen, wo so mancher nach einem Buche sich umsieht, das sich zu einer Liebesgabe eignet, lohnt es sich, auf eine Schrift aufmerksam zu machen, welche in weiten Kreisen beachtet zu werden verdient. An sich haben ja pädagogische Betrachtungen das Vorurteil gegen sich, daß fie langweilig seien, und diese Voraussetzung trifft oft genug zu. Von dem kleinen Buche: „Wie erziehen wir unseren Sohn Benjamin? Ein Buch für deutsche Väter und Mütter von Dr. Adolf Mathias" (München 1897 C. H. Beck) kann ver sichert werden, daß es seine Leser ebenso zu feffeln als anzuregen vermag. Der Verfasser, in hechverdienter Ed,ulmann, Direktor des Gym

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nasiums und Realgymnasiums in Düsseldorf, hat sich schon vor zwei Jahren durch seine Praktische Pädagogik für höhere Lehranstalten“ allen deutschen Schulmännern auf das Vorteil. hafteste bekannt gemacht. Jetzt wendet er sich nicht an die Lehrer, sondern an die Eltern, und entwickelt auf noch nicht 15 Druckbogen, was sie zu thun haben, damit aus ihrem Sohne ein wirklicher Glückssohn werde; denn das bedeutet das hebräische Wort Benjamin. Die reiche Erfah rung, aus der M. schöpft, wenn er die Entwicke lung des Kindes von der Wiege bis zum Beginn seiner Selbständigkeit schildert, verrät sich auf jeder Seite des Buchs; die durchaus freundliche, aber zugleich überzeugende und großenteils witige Darstellung sorgt dafür, daß man den

hier mitgeteilten Beobachtungen mit lebhaftem Anteil folgt. Man kann dreift behaupten, daß jeder Vater und jede Mutter Bemerkungen in dem Buche finden, die ihnen nüßlich sein tönnen. Oft genug braucht der Verfasser auch die Waffen schlagender Satire. Aber davon werden sich schwerlich viele Leser getroffen fühlen. Denn die, welche gemeint sein könnten, find in der Regel davon überzeugt, daß sie ihre Kinder vortrefflich erziehen. Aber gerade ihnen wird es erwünscht sein, hier zu erfahren, wie schlecht es andere machen. Jedenfalls finden alle für zahlreiche recht wichtige Fragen, die feinem Elternpaare erspart bleiben, hier durchaus vortrefflichen Rat, und überall zeigt sich, daß dieser im Einklang steht mit den Lebensanschauungen unserer besten Dichter und Philosophen. Sei von den vielen aufs glücklichste eingewebten Citaten vor allem auf Goethe's Bemerkung verwiesen über diejenigen, welche die Erziehung ihrer Kinder vor allem einem günstigen Schicksal überlassen möchten: „Das Schicksal ist ein vornehmer, aber teurer Hofmeister. Ich würde mich lieber an die Vernunft eines menschlichen Meisters halten.“ Ein solcher hat hier in der That das Wort genommen. So verfolgt er denn den kleinen Benjamin vom ersten Tage seines Lebens durch seine Kinderjahre, spricht in einsichtiger, überzeugender Weise von der Bedeutung des Spiels und von dem Unfug, der heutzutage mit den Spielsachen_und Bilderbüchern getrieben wird; verweist auf die Unterschiede des Temperaments, die schon in der frühen Kinderzeit beachtet werden müssen. Aber auch für den nicht gerade seltenen Fall, daß ein Kind dumm erscheint, hat er sehr beherzigenswerten Trost, selbst wenn das Entsegliche vorfällt, daß Benjamin zum erstenmal lügt, weiß er Rat, und vollends, wenn dann die Not mit der Schule beginnt. Gerade die ses Kapitel muß als besonders gelungen hervorgehoben werden. Auch zeigt sich sehr deutlich, daß der Verfasser keineswegs einseitig für die Autorität der Schule eintritt. Aber in jedem Wort hat er Recht, wenn er keinen Grund zur Verzweiflung darin findet, daß auch der gute Benjamin einmal nicht promoviert wird, oder wenn er die Herren Väter dringend davor warnt, zu viel Gewicht auf die Rangnummern der Zensuren zu legen. Höchst drastisch wird dann diejenige Zeit geschildert, die der Volksmund als die Flegeljahre zu bezeichnen liebt, und mit dem allerbesten Humor das Bild der Liebe gezeichnet, die ihren Namen aus der Naturgeschichte des Affen entlehnt eine sehr anschauliche Behandlung des Gegenstandes aus Brehm's Tierleben wird ausdrücklich mitgeteilt. Ob es nicht in mancher Familie angezeigt wäre, daß der Vater diesen Abschnitt dann und wann der Mutter, oder umgekehrt die Mutter dem Vater vorläse, bleibe dahingestellt. Zuletzt wird mit Einsicht und Besonnenheit alles erwogen, was bei der Wahl des späteren Berufs in Betracht kommt.

So verdient das Buch in jeder Hinsicht empfohlen zu werden. G. Wendt. (Aus der „Karlsruher Zeitung“ v. 20. Dez. 1896.)

C.

J. Krumbach, Geschichte und Kritik _der deutschen Schullesebücher. 2. Teil, mitbearbeitet und herausg. v. J. G. Sieber. Teubner 1896.

Das vortreffliche Buch bezieht sich zwar zunächst nur auf das Volksschullesebuch, enthält aber auch für höhere Lehranstalten in seinen mit Klarheit, Wärme und feinem pädagogischem Takt geschriebenen Ausführungen viel Beher-. zigenswertes. Die Bedeutung der volkstümlichen Stoffe, der anschaulichen Bilder in den Lesebüchern, die Wichtigkeit der Pflege des Dialekts und des Landschaftlichen sind ebenso erfreuend besprochen wie die Frage der Behandlung religiöser und moralischer Stoffe. Anziehend ist die Betrachtung, welche die Quellen, wie Grimms Märchen, mit den Tertänderungen in den Lesebüchern vergleicht oder die mancherlei Mängel in Stücken nachweist, die fast zum eisernen Bestande der Lesebücher gehören. Ein Anhang bringt eine kurze, oft schlagende Kritik einer großen Zahl der gebräuchlichen Bücher, S. 189-205 der für höhere Lehranstalten bestimmten. Berechtigt ist die Kritik, daß viele neue Erscheinungen auf diesem Gebiete keinen pädagogischen Fortschritt bedeuten. R.

Hense, Deutsches Lesebuch für die ob. Kl. höh. Lehranst. 1. Teil. Dichtung des Mittelalters. 3. verb. Aufl. Freiburg, Herder 1896. . 256. M. 1, 80.

Das Lesebuch giebt namentlich größere Auszüge aus den Nibelungen, der Gudrun, Walther von der Vogelweide, kürzere von den drei höfischen Epikern, Freidank und den Lyrikern vor Walther. Meist sind es Übersetzungen, doch findet sich der Urtert für einzelne Aventuren des Volfsepos abgedruckt, Text und Übersegung stehen anderswo neben einander, durchweg so bei Walther. Der gegebene Stoff ist reichlich bemessen, und wohl geordnet; die charakterisieren, den Übersichten sind schlicht, klar, zweckmäßig.

Von dem Döbelner Lesebuch (Teubner) ist der 5. Teil in 2., umgearbeiteter Aufl. 1895 erschienen; er ist berechnet für die oberste Klasse der Realschulen (=U. II der Gymn.) und will in einer gewissen Vollständigkeit einen Überblick über die gesamte deutsche Litteratur geben, weil viele Schüler aus dieser Klasse ins praktische Leben übertreten. Daher Hildebrandslied, Nibelungen und Gudrun und Walther, Hans Sachs und das Volkslied, Klopstock und die Romantiker, Jean Paul und Ranke und Felix Dahn. Die Herausgeber haben zwar in der neuen Auflage sich auf das Notwendige beschränken wollen, aber diese Fülle des Materials auf 590 S. für ein Jahr hat etwas Bedrückendes, und manches eignet sich durchaus nicht für die Altersstufe 14-15jähriger Knaben. Den Dra

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