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von mehr als einer bedeutungsvollen Stimme auch in Preußen befürwortet worden. Ich erlaube mir Schraders Worte, die mir zur Hand sind, aus seiner „Verfassung der höheren Schulen" anzuführen: „Es ist sicher, daß sich die Kandidaten auf diesen Teil der Prüfung (das Eramen in allgemeiner Bildung) in der Regel sehr oberflächlich, ohne jeden nachhaltigen Gewinn und doch auf Kosten ihrer wissenschaftlichen Fachbildung vorbereiten. Andrerseits aber kann der Staat niemals von der Forderung ablassen, daß die Lehrer der höheren Schulen so viel allgemeine Bildung besigen müssen, um den Zusammenhang der Schulwissenschaften und ihr gegenseitiges Verhältnis im Jugendunterricht zu begreifen und sich insbesondere die hervorragende Bedeutung der ethischen Fächer für die Erziehung klar zu machen. Wie ist hier zu helfen? Einfach dadurch, daß man auf zwei verschiedene Akte verlegt, was in einen zusammengefaßt Streit und Hemmung erregt, was aber in sachlicher und zeitlicher Trennung beide Teile fördert." Und ebenso urteilt Fries in seinem Buch über die Vorbildung für das Lehramt. In gleichem Sinne hat sich ferner der hervorragendste Vertreter der Pädagogik in Österreich, Otto Willmann, ausgesprochen. Auch darf ich wohl anführen, daß bei der lezten badischen Direktorenkonferenz, die die Leiter aller Gymnasien, Realgymnasien, Oberrealschulen und siebenklassigen Realschulen umfaßte, alle Mitglieder mit Ausnahme eines einzigen für die Teilung der Lehramtsprüfung in der besprochenen Weise1) stimmten. Die sogenannte „Dienstprüfung", die wir in Baden von 1867 bis 1873 besaßen und die die jungen Lehrer spätestens 4 Jahre nach Bestehen des ersten Examens ablegen mußten, hatte allerdings keinen Nugen, aber sie hatte einen ganz anderen Charakter, als das von uns befürwortete zweite Examen: sie hatte die Aufgabe, erstens das wissenschaftliche Fortarbeiten der Lehrer auf ihren speziellen Studiengebieten und zweitens ihre pädagogische Tüchtigkeit zu konstatieren.“ 2)

Am Schluß der Diskussion ergriff noch der Vorsitzende, Geh. Rat Schrader, das Wort, um zu erklären, daß auch nach seiner Ansicht ein Jahr der praktischen Vorbildung hinreichend sei, sowie daß er noch gegenwärtig an der Ansicht festhalte, die er in den eben citierten Worten zum Ausdruck gebracht habe. Die Ermittelung der allgemeinen Bildung werde aber am besten am Ende des Jahres der praktischen Vorbildung (des Seminarjahres) vorgenommen werden zugleich mit der Konstatierung des Erfolges jenes Vorbereitungsjahres. Unentschieden möchte er nur lassen, ob diese Ermittelungen in einer besonderen Prüfung mit allen Formen einer solchen oder durch ein Kolloquium oder sonst wie geschehen sollen.

Hierauf folgte der Bericht des Herrn Oberturnlehrers Heeger von Dresden über die zukünftige wünschenswerte Gestaltung der leiblichen Ausbildung und Erziehung unserer Jugend an den höheren Schulen.

1) so, daß nach dem Probejahr in Philosophie, Deutsch und Pädagogik geprüft wird. 2) Zwei nachträgliche Bemerkungen. 1) Die Aeußerungen des Hrn. Ref.: die meisten der fünftigen Lehrer suchten die philos. Doktorwürde zu erwerben und dies gehe ohne philosophische Studien nicht ab (S. 121), find beide für Deutschland unrichtig. 2) Zum zweiten Absag von S. 115: eine Prüfungsordnung für das Gymnasiallehramt mit allgemeiner Verpflichtung zu seminaristischen pädagogischen Übungen existiert wenigstens in Baden bis zur Stunde nicht.

Hochgeehrte Versammlung! Der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe“, gilt es in gegenwärtiger Zeit, in einen Kampf einzutreten, dem niemand auszuweichen vermag; denn er ist entbrannt auf der ganzen Linie, soweit die Kultur die Völker des Erdballes berührt hat, und er wird geführt rücksichtslos mit allen Waffen, die der menschliche Geist zu ersinnen vermochte. Es ist der Kampf um das Dasein. Will unser Volk als eines der ersten unter den Kulturvölkern nicht hintenanstehen, so wird es seine Bestrebungen auf die volle Entfaltung seiner Kräfte zu richten haben. Die zukünftige Kraft eines Volkes aber wurzelt in dessen Jugend. In dieser Erkenntnis haben von jeher alle weitsehenden Geister der Erzie= hung und Bildung ihres Volkes sich zugewendet.

Sie, meine Herren, als die Pfleger unseres höheren Geisteslebens, sind beru= fen, das edelste Reis an dem Baume unseres Volkes in Ihre fürsorgliche Obhut zu nehmen. Mehr als je ist die Aufmerksamkeit aller Volkskreise auf Ihre Thätig= feit gerichtet. Die beklagenswerten Ausschreitungen, zu denen in jüngster Zeit ita= lienische Studenten und Gymnasiasten und die jugendlichen Adepten der hohen Wissenschaften in Rußland und Griechenland als politisch gereifte Freiheitskämpfer sich hinreißen ließen, und die nichts anderes als Auflehnung gegen jedwede Autorität bedeuteten, haben bei manchem im Stillen die Frage veranlaßt, ob derartige Ausschreitungen auch bei uns möglich sind.

Das Wetterleuchten einer oft schonungslosen Kritik hat des öfteren übelstände in unserem Schulleben an die große Öffentlichkeit gezogen, daß es angezeigt sein dürfte, nun auch den Sonnenschein einer beifälligen Beurteilung über unsere Schülerwelt unverhüllt leuchten zu lassen. Es ist ausgesprochen worden, daß die Jeale, mit denen Sie, meine Herren, die jugendlichen Herzen erfüllten, bei der Schülerwelt unserer höheren Schulen sich verwirklicht zeigen in einer Pflichttreue und in einer begeisterten vaterländischen Gesinnung, also in Errungenschaften, die des Nei= des fremder Völker wohl wert sind.

Gleichwohl geht die Meinung selbst unserer Freunde dahin, daß man bei dem Werke der Bildung und Erziehung unserer Jugend nur einen einseitigen Ausbau vorgenommen hat. Die Baumeister ließen infolge der rapiden Entwickelung unseres Kulturlebens das Gebäude für die Geistesbildung im weiten Umfange erstehen, während in Verkennung der menschlichen Natur und aus Rücksichten falsch ange= brachter Sparsamkeit für die körperliche Ausbildung und Erziehung nur ein notdürftiger Anbau errichtet wurde.

Zu denen, die die Anspannung der Geisteskräfte unserer lernenden Jugend auf das Höchstmaß beklagen, gehören Sie, als Freunde der lezteren, zu allererst; denn die beklagenswerten Folgen des geistigen „Zuviel“ und „Zuvielerlei“ treten zunächst in den Leistungen ihrer Pflegebefohlenen in Erscheinung und wirken lähmend und hemmend auf den Erfolg Ihrer Thätigkeit zurück. Wer aber gleichwohl für eine Entlastung der Schülerwelt auf geistigem Gebiete eintreten wollte, der müßte sich auch mit der Macht ausstatten, das gesamte öffentliche Leben in eine Rückwärtsbewegung zu versehen.

Die Lösung der in dem Organismus unseres gesamten Unterrichtswesens zu

Tage tretenden Disharmonie liegt 'auf einem anderen Gebiete. Sind die Klagen über das körperliche Siechtum, insbesondere aber über die auffällige Häufung von nervösen Erkrankungen unserer Jugend an den höheren Schulen berechtigt, so ist damit auch der Weg angegeben, der zu einem Ausgleiche des auf die Schüler bewirkten geistigen Hochdruckes führt: Die Schule muß ebenso Körper- wie Geistesschule werden.

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Die Ordnung einer ewig weisen und gerechten Natur, deren vernehmliche Sprache für die Vergangenheit die Lehrmeisterin „Geschichte“ und für die Gegenwart die tägliche Erfahrung" redet, verlangt eine harmonische Entfaltung der im Menschen schlummernden Kräfte. Jede Bevorzugung des einen Teiles auf Kosten des anderen führt zu einer Störung des Gleichgewichtes, zur Verkümmerung, zur Entartung der vernachlässigten Kräfte. Die Mahnung unseres Altmeisters Jahn an unser in damaliger Zeit politisch zerfahrenes und ohnmächtiges Volk — „die Turnkunst soll die verloren gegangene Gleichmäßigkeit der menschlichen Bildung wiederherstellen, der bloß einseitigen Vergeistigung die wahre Leibhaftigkeit zuordnen“ giebt uns, wie wir später sehen werden, zwar nicht das einzige, doch aber das wichtigste Mittel an die Hand, des= sen Anwendung in dem unleugbar bestehenden Mißverhältnis zwischen geistiger und körperlicher Ausbildung unserer Pflegebefohlenen einen Ausgleich herbeizuführen vermag.

So lange jedoch von diesem Mittel nur ein bescheidener und dabei mitunter noch verkehrter, ich möchte sagen „unmethodischer“ Gebrauch gemacht wird, werden auch die Forderungen nach einer durchgreifenden Reform auf dem Gebiete der Schulgesundheitspflege nicht verstummen. Ja, wir müssen es erleben, daß sich dieser Reformbewegung zwar von den besten Absichten geleitete, jedoch dem Schulleben sonst fernstehende Elemente anschließen, die sie auf falsche Bahnen hinzudrängen versuchen. Von dieser nicht ausreichend erkannten Gefahr bewogen, mag es dem Fachmanne vergönnt sein, in der Mitte von Männern, deren tägliche Arbeit der Erziehung und Heranbildung unserer Jugend gewidmet ist, die Stimme der Warnung und Ermahnung zu erheben.

Ich habe, um meinen Darlegungen einen Rahmen zu geben, zum Gegenstand meines Vortrages gewählt: Ein Blick auf den gegenwärtigen Stand und auf die zukünftige, wünschenswerte Gestaltung der körperlichen Ausbildung und Erziehung unserer Jugend an den höheren Schulen.

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In einer Versammlung des deutschen Gymnasialvereins mußte es von vornherein für mich als geboten erscheinen, bei der Behandlung einer Frage, die sich zu einer Zeitfrage" in unserem gesamten Schulleben herausgebildet hat, nur unsere höheren Schulen in den Bereich meiner Betrachtung zu ziehen, und auch hierbei möchte ich mir noch die Einschränkung auf unsere Gymnasien, Realgymnasien und Realschulen (Oberrealschulen) auferlegen, weil die Hereinziehung anderer höhe= rer Schulen, z. B. der Universitäten ganz andere Gesichtspunkte ergeben müßte.

Um die Gegenwart zu verstehen, ist es rätlich, bei der Vergangenheit Einkehr zu halten. Sie haben, meine Herren, nicht zu fürchten, daß dieser Rückblick zu

einer Geschichte des Schulturnwesens anwächst. Ich werde mich nur mit kurzen Andeutungen begnügen.

Die Forderung nach einer fürsorglicheren Pflege der körperlichen Ausbildung und Erziehung unserer Schuljugend gehört keineswegs der jüngsten Vergangenheit

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Schon die großen Erzieher der humanistischen Epoche, Locke, Rousseau, Frank u. a., ebenso die Philanthropisten Basedow, Salzmann, Guts-Muths und Pestalozzi verwiesen zur Bekämpfung der Verweichlichung unter der studierenden Jugend auf das Heilmittel angemessener Leibesübungen. Die Unterdrückung der Turnanstalten, in denen das Jahn'sche Turnen erst seinen Einzug gehalten hatte, be= flagt selbst Goethe, wenn er sagt: „Unsere deutsche Jugend bedarf des Turnens, besonders die studierende, der bei dem vielen geistigen und gelehrten Treiben alles förperliche Gleichgewicht fehlt und somit jede Thatkraft zugleich". Die schweren Anklagen, die im Jahre 1836 der Sanitätsrat Lorinser in seiner Schrift Zum Schuße der Gesundheit in den Schulen" ganz besonders gegen die höheren Schulanstalten erhob, hatte nach Besiegung hartnäckiger Gegenbestrebungen die im Jahre 1842 erfolgte Aufhebung der Turnsperre zur Folge. Was ein Guts-Muths, Jahn, Eiselen u. a. an klassischen Erzeugnissen der Turnlitteratur hinterließen, das gestal= tete Adolf Spieß nach großen pädagogischen Gesichtspunkten weiter aus. Auf der von ihm gegebenen Grundlage haben später hervorragende Turnpädagogen den inneren Ausbau des Schulturnwesens weiter gefördert. Mit ihm wollte nur der äußere Ausbau nicht gleichen Schritt halten, obwohl auf die Unzulänglichkeit desselben insbesondere von Ärzten erneut hingewiesen wurde. Hierbei möchte ich nicht verschweigen, daß die auf eine Erweiterung des Schulturnens und des Spielbetrie= bes gerichteten gegenwärtigen Bestrebungen schon vor mehr als zwei Jahrzehnten in Turnlehrerversammlungen Vertreter fanden.

Man darf nun feineswegs behaupten, daß vor allem unsere Staatsbehörden kein Verständnis für die an sie gestellten Forderungen gehabt hätten; denn dafür sprechen die zahlreichen, auf eine Besserung der Schulturnverhältnisse hinzielenden Erlasse, zu deren Ausführung man leider nicht ausreichende Mittel zur Hand hatte.

In dieses Stillleben kam eine unerwartete Störung. Sie wurde herbeigeführt durch den Königlichen Amtsrichter Hartwich in Düsseldorf, der zu Anfang der achtziger Jahre durch die zündende Wirkung seines Wortes nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten gebildeten Welt einen tiefgehenden und nachhaltigen Eindruck hervorrief. Er war es, der auf die ethische, wie physische Bedeutung eines einsichtig geleiteten Turnunterrichts die allgemeine Aufmerksamkeit lenkte und der die Pflege des Körpers und des Gemütes der des Geistes ebenbürtig an die Seite gestellt wissen wollte. Was andere vordem in Wort und Schrift schüchtern zum Ausdruck gebracht hatten, das sprach er mit seltenem Freimute, jedoch auch nicht frei von übertreibungen, in Vorträgen den zahlreich versammelten Zuhörern gegenüber aus. Und der an das Gewissen unseres Volkes gerichtete Weckruf hatte einen Erfolg, wie er in so rascher Folge in der Geschichte des Schulturnwesens und der Schulgesundheitspflege einzig dasteht.

Für die Entwickelung des deutschen Schulturnens und die durch Hartwich

und den Goßler'schen Erlaß in Fluß gebrachte Spielbewegung dürfte die im Jahre 1891 erfolgte Gründung eines „Zentral-Ausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland“ von beachtenswerter Bedeutung werden. Um das Zustandekommen und um die derzeitige Führung dieses Vereins, dem eine große Anzahl spielbegeisterter Männer aus allen Berufskreisen angehört, hat sich der preuBische Landtagsabgeordnete v. Schenckendorff ein großes Verdienst erworben. Ausgestattet mit einem hervorragenden Organisationstalente, entfaltet dieser Mann auf einem weiten und mühevollen Arbeitsfelde eine zielbewußte und aufopfernde Thätigfeit. Die enge Fühlung, die bisher v. Sch. mit den Führern der deutschen Turnlehrerschaft zu erhalten bemüht gewesen ist, sichert seinen Bestrebungen vor allem dann einen dauernden Erfolg, wenn er die Verquickung der Spielbewegung“ mit der ihr verwandten Sportbewegung" fernhält.

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Nach diesem Rückblicke, der nur die hervorragendsten Momente unieres der Vergangenheit angehörenden Schulturnwesens treffen konnte, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Stand der körperlichen Ausbildung und Erziehung unserer Jugend an den höheren Schulen lenken. Die Fülle des zu bewältigenden Stoffes, den ich gleichwohl in dem Rahmen eines Vortrages, der sich innerhalb gewisser Zeitgrenzen zu halten hat, unterbringen möchte, zwingt mich, nur die Hauptgedanken an dieser Stelle in Gestalt von Leitfäßen aufzuführen. Ich bin jedoch auf Ihren Wunsch gern zu einer weiteren Ausführung bezw. Begründung derselben bereit.

I.
A.

Der gegenwärtige Stand der körperlichen Ausbildung und Erziehung unserer Jugend an den höheren Schulen läßt ein zwar langsames, jedoch stetes Vorwärtsschreiten erkennen

1) in einer umfassenderen und gründlicheren Vorbildung der Turnlehrer; 2) in einer fürsorglicheren Anteilnahme der Unterrichtsverwaltungen hinsichtlich a) der Einstellung des Turnunterrichts als verbindlichen Unterrichtsgegenstan= des im Klassenverbande,

b) der Vermehrung von Turnstätten,

e) der Erweiterung bereits vorhandener, bezw. der Einrichtung neuer Spielpläge,

d) der Vermehrung der Turngelegenheiten zu Gunsten des Kürturnens und des Bewegungsspieles;

3) in einem methodischeren, dem Bedürfnisse der Turnjugend entsprechenderen Unterrichtsverfahren und

4) in einer alle Kreise unseres Volkes durchdringenden Einsicht von dem Werte und der Bedeutung turnerischer Leibesübungen.

Bei den zahlreichen und zuweilen unberechtigten Angriffen, denen das Schulturnen überhaupt, insbesondere aber das der höheren Schulen bis in die jüngste Vergangenheit ausgesezt gewesen ist, dürfte es als notwendig erscheinen, wenn die Hand des Fachmannes auch Schäden aufdeckt, die die weitere Entwicklung desselben

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