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und so wendet er die ganze Fülle seines Muthes an,

um eine

Fliege zu tödten, die er recht gut mit dem

Taschentuche håtte abwedeln können.

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§. 40.

Hamlet fühlt in diesem Augenblicke nur halb, welch ein Verbrechen er begangen; ja es gelingt ihm durch eine kurze derb spöttische Leichenrede auf den hingesunkenen armen Mann sich selbst zu täuschen, um dann sogleich das Herz seiner Mutter in die Presse zu nehmen. Es geschieht mit einer Beredsamkeit, deren Feuer wie die Flammen des Hecla durch den beschneiten Gipfel hindurchbrechen, und um so gefährlicher wüthen, je länger sie verdeckt lagen. Bei der Vergleichung beider Königsbrüder entsteht die bereits von Wilhelm Meister aufgeworfene Frage: sollen die Bilder in Lebensgröße im Zimmer der Königin aufgestellt seyn, oder soll der Prinz zwei Miniaturgemålde in der Tasche tragen? Wilhelm entscheidet für das erfte, und was für jene Ansicht spricht ist in jenem vortrefflichen Roman ausführlich zu lesen. Dennoch bleibt der Zweifel, wie die Königin das kolossale Bild ihres gemordeten Gatten in ihrem Schlafzimmer haben könne, wichtig und ungehoben, und für die Miniaturbilder spricht die bittere Bemerkung, welche Hamlet darüber gegen Rosenkranz ausspricht. (,, Mein Oheim ist König von Dänemark, und eben die, welche ihm Gesichter zogen, solange mein Vater lebte, geben jest zwanzig, vierzig, fünfzig bis hundert Dukaten

für sein Portrait in Miniatur.") Wie leicht konnte ein solches Bild auch an den Prinzen kommen, und es ist seinem Charakter gar nicht fremd, etwas zu besiten, das ihmunsåglich zuwider ist. Er vermeidet nicht immer, sich unnöthige Pônitenzen anzuthun, und würde, als Metaphysiker, diese Unart selbst recht gut erklären. Die theatralische Wirkung ist wohl bei den kolossalen wie bei den Miniaturbildern gleich, wenn ich nach meiz ner eignen Erfahrung schließen darf.

Die Königin vermag dem Gluthstrom seiner Rede nicht zu widerstehen, der Sohn kann ihr nichts sagen, das schneidender wäre, als was sie sich selbst in den wenigen Momenten der Klarheit, die ihr vielleicht noch geblieben sind, sagen muß. Jeht aber im Augenblick der höchsten Wuth des Neffen gegen den Oheim, tritt der Geist des alten Königs von neuem mahnend und beschwichtigend herein, ein Moment, der an einfach rührender Größe kaum seines Gleichen hat. Liebe und Mit ́leid selbst für die Verbrecherin sind ihm, wie wir schon früher gesehen haben, bis jenseit des Grabes gefolgt, und er spricht sie abermals auf das eindringlichste aus. Da aber Gertrud den Geist nicht sieht, der unreine Mensch sieht überhaupt nichts Geistiges scheint sie sich abermals in den Gedanken zu verirren, daß Wahnsinn in ihres Sohnes Reden spreche, und obwohl er ihr klar das Gegentheil zeigt, so kommt doch weder von seiner Seite ein entscheidender Rath, noch von der ihrigen ein bestimmter Entschluß zu

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müssen wir schon jezt besorgt seyn, da er eine herrliche feurige Rede mit den Worten endigt:

Vergebt mir diese meine Tugend: denn

In dieser feisten, engebrüst'gen Zeit

Muß Tugend selbst Verzweiflung flehn vom Laster,
Ja kriechen, daß sie nur ihm wohlthun dürfe.

Es ist schon bedenklich, sich selbst als tugendhaft anzuerkennen, da die Gefahr dabei in weiche Eitelkeit zu versinken nicht ausbleiben kann; völlig tadelnswerth aber ist es, der Tugend selbst eine erniedrigende Rolle anzudichten, die sie nie spielen kann. So wird denn auch der bittere Scherz, mit dem er Polonius Leiche aufpackt, nicht ohne traurige Vorbedeutung seyn, denn er giebt Zeugniß von einer nur mühselig zusammengerafften Kraft, die bald wieder zerfährt und die traurige Aufgelöstheit seiner Seele bekundet.

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§. 41.

Daß mit dem vierten Acte das Stück anfange zu schleppen, ist, glaub' ich, schon häufig gesagt worden; nicht aber daß es hinfort gar nicht anders könne als schleppen. Der Held hat nicht bloß den Moment der höchsten Kraft, deren er fähig war, verloren gehen lassen, sondern in demselben eine wahrhaft erbårmliche und verbrecherische That begangen; und wenn er auch noch ein paar Mal versucht sich selbst zu täuschen und auf eine grelle Weise über dieselbe zu wizeln, so kann doch eine solche Stimmung nicht ausreichen. Er lernt nach und nach

einsehen was geschehen ist, denn er sinkt nach diesem Momente so tief in sich selbst zusammen, daß er sich fast die Möglichkeit abspricht, nun noch zu handeln. Daher ist auch der vierte und fünfte Act der Tragödie fast ganz in der Natur des Epos und des Romans ge= halten: denn wir sehen beinahe nur Begebenheiten, Situationen, Charakterblige, tiefsinnige Bemerkungen und ohne Willen oder gar wider Willen vollbrachte Thaten; ja es erscheint in diesem entseßlichen Werke, in welchem fast alle Menschen krank sind, der Todtengråber mit seinem halbschierigen, höchst behaglichen Wite fast wie ein kerngesunder, seltsamer Choragus, der über Königskronen und Gråber, Galgen und Tollheit, vornehme und nichtvornehme Selbstmörder, todte Hofspaßmacher und lebende unglückliche Prinzen seine Scherze ausspricht. Doch der Mann ist zu wichtig, um nur im Vorbeigehen betrachtet zu werden, und soll weiter unten noch näher vor das Auge treten.

§. 42.

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Das erste, worüber wir uns zu Anfang des vierten Acts nicht wenig wundern könnten, ist das fast unverånderte Verhältniß Gertruds zu dem Könige: aber bei näherer Betrachtung verschwindet alle Verwunderung. Nur in der ganzen vollständigen Reue kann die Kraft zur Umschaffung oder neuen Geburt wohnen; halbe Reue macht die Menschen nur noch årger, gelähmter; und die schauerliche

Langweiligkeit, die sie mit sich führt,

veranlaßt endlich wohl gar das Aufgeben aller Neue. Auch das hat Shakspeare, der fast möchte man sagen: alles wußte gar wohl gewußt. Gedenken wir der fo eben erläuterten ungeheuren Scene, in welcher Hamlet mit dem Aufgebot aller Kraft das Herz der verbrecherischen Mutter in die Presse nimmt, und wie sie betäubt, angstvoll und zerknirscht Besserung verspricht. Welchen Eindruck hinterläßt Hamlets Beredsamkeit und der Mutter Halbreue? Wenn wir sie wiedersehen, ist fie mit dem Könige eben so vertraut, ja vertrauter noch als jemals. Sie ist nur noch fester geworden in dem Wahn, daß sie sich gar nicht mehr bessern könne: denn die großen Schwierigkeiten, die eine wahrhafte Besserung haben würde, schrecken sie ab; sie wandelt fort wie bisher, ja schlimmer als bisher, denn sie hat doch einmal mit dem Gedanken der Besserung kokettirt, und ihn dann als unstatthaft verworfen. Von da ist nur noch Ein Schritt, überhaupt alle Besserung (im Stillen wenigstens) für eine seltsame Ueberschwänglichkeit zu erklåren; und wir thun nicht Unrecht, wenn wir glauben, auch dahin würde sie gelangt seyn, wenn ihr nicht ein unvermutheter Tod rasch in den Weg getreten wäre.

Gegen diese Schilderung könnte man vielleicht einwenden: sie ist doch so mitleidig gegen Ophelien, erzählt so überaus rührend deren Ende, folgt der Leiche und streut Blumen. Weit entfernt, daß dieses gegen obige Ansicht entscheide, entscheidet es einzig für Shakspeare's ewig wahre Charakterisirung. An einer Frau wie Ger

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