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Safarik

Bayerische Staatsbibliothek München

$104/50160

Vorbericht.

Vorliegende Abhandlung war ihrer ersten Anlage nach

zur öffentlichen Mittheilung in einer Zeitschrift bestimmt. Da indess die Ausführung dieses Vorhabens zufälliger Umstände wegen unterblieb, und die Schrift selbst unter fortgesetzten Zuthaten und Erweiterungen nach und nach bis zu dem Fünf- und Sechsfachen ihres ersten Umfangs anschwoll; so entschloss ich mich, sie, mit Beibehaltung ihrer ursprünglichen Form, besonders herauszugeben, in der Hoffnung, dadurch den Freunden der slowenischen Geschichte einen nicht unangenehmen Dienst zu erweisen.

Obschon ich weiss, dass, ungeachtet meines Strebens, die schmale Mittelstrasse der Wahrheit auf dem breiten Gefilde der Alterthumsforschung zu halten, dennoch, bei den getheilten Ansichten über die Urgeschichte der Slowenen, zwei Parteien mit meinem Gange nothwendig unzufrieden werden müssen, deren eine den von mir gezogenen Kreis des slowenischen Alterthums noch viel zu eng finden dürfte, während die andere denselben schon in dieser Ausdehnung für patriotische Träumereien erklären wird: so sehe ich dennoch getrost und mit Verlangen dem Urtheile der Stimmberechtigten entgegen, selbst dann, wenn diese bei gleicher, Achtung für die Würde der Wissenschaft und die Wichtigkeit der Aufgabe ungleicher Meinung über ihre Behandlung mit mir seyn sollten. Verschiedenheit der Ansichten ist da unvermeidlich, wo die Geschichte nicht aus archivalischen Urkunden abgeschrieben werden kann, sondern dem Stoffe und der Form nach erst durch kunstvolle Combination aus dem Chaos ausgeschieden und neu geschaffen werden muss. Wenn aber auch diese Verschiedenheit der Ansichten

nur dazu dient, die eine oder die andere durch weitere und strengere Prüfung mehr zu bewähren, wozu doch gewiss die Anreizung durch jede neue, aus selbstständiger Forschung hervorgegangene Schrift verstärkt ist; so ist der Gewinn offenbar, und einen grössern Gewinn zu beabsichtigen kann der Alterthumsforscher nicht hoffen.

Niemand, der mit dem Gange der historischen Studien vertraut ist, wird behaupten, dass die Urgeschichte der gebildetsten Völker Europa's durch dreihundertjährige Bemühungen der Forscher nichts gewonnen habe. Vieles, was die Meister und Gesellen für vollendet gehalten haben mögen, wurde freilich später als unbrauchbares Gerüste abgetragen: aber das Gebäude selbst blieb und nahm an Festigkeit, Geräumigkeit und Schönheit zu. So fallen die ernährenden Blätter ab, indess der Baum wächst und von Jahr zu Jahr reifere Früchte trägt. Möchte doch endlich auch die Urgeschichte der Slowenen durch würdigere Hände der unwürdigen Verachtung und Misshandlung entrissen und der liebevollen Pflege achtbarer Stimmführer in der historischen Forschung und Kunst zugewendet werden!

Noch muss ich bemerken, dass ich mich beim Schreiben slowenischer Wörter, in Ermangelung einer allgemeinen Orthographie, aus Noth oft der böhmischen bedient habe. Es ist demnach in solchen Wörtern das c durchgängig wie das Kyrillische 4 oder das deutsche tz zu lesen. Die übrigen, zum Theil abweichenden Verbindungen der Buchstaben bedürfen für den Sprachkundigen keiner weitern Erklärung. Neusatz den 15 May 1828.

Der Verfasser.

Die Urgeschichte eines Volkes ist gewöhnlich, wie die

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Urgeschichte des Menschengeschlechts selbst, mit unaufhellbarem Dunkel bedeckt. Auch die Völker haben, gleich den Einzelmenschen, ihre Periode der Kindheit der Jugend, des Mannes- und des Greisenalters. Wie das Bewusstseyn kindlicher Wahrnehmungen, Eindrükke und Spiele in späteren Knaben- und Jünglingsjahren erlischt, und keine Gluth der Phantasie die verwitterten Spuren desselben aufzufrischen vermag so gehen in der Entwickelungsperiode der Völker die Thaten der Stammväter spurlos und ohne Vererbung der Kunde auf die Nachkommenschaft vorüber, und vergeblich ist alles Mühen und Ringen der spätern Geschlechter, dem endlosen, weissen Blatt der Vorzeit das Sprechen abzulocken oder abzupressen. Wiewol aber jenseits derGränze der auf Thatsachen des Bewusstseyns beruhenden Geschichte alles in eine Nacht gehüllt ist, durch welche kein Lichtstrahl irgend eines Himmelssternes fällt; so ist doch das Reich des historischen Wissens von dem der Vergessenheit nirgends streng gesondert; beide berühren sich vielmehr, wie Tag und Nacht, in einer abund zunehmenden Dämmerung, beide verfliessen mit ihren Gränzen in einander, und kaum vermag der Scharfsinn des Historikers die Linie zu ziehen, die beide genau und unverrückbar scheiden möchte.

Dennoch hat die historische Forschkunst, diese Spätfrucht des gereiften Mannes, des entwickelten Volkes, des gezeitigten Menschengeschlechts, unter vielen anderen auch die grosse Aufgabe zu lösen, den Anfangs- oder Endpunct des eigenen Strebens näherungsweise zu bestimmen, und diesem zu Folge den wissbegierigen Geist auf die unüberschreitbare Gränze zu weisen, an welcher

geschichtliches Wissen anhebt, und die alle Hoffnung des weitern Vordringens vereitelt. Denn die Sehnsucht nach der süssen Kunde von dem Leben der Väter wurzelt tief im Gemüthe des Menschen; sie ruft den Landmann vom Pfluge hin zum blinden Bettler, wenn dieser die Grossthaten der Ahnen besingt und der umstarrenden Menge Ströme von Wonnethränen entlockt, sie belebt auf gleiche Weise mit erwärmenden Freudenstrahlen die Brust des Gelehrten, wenn er in Trümmern verwitterter Sagen und abgebrochener Überlieferungen die Prophetenstimme der Geschichte wahrzunehmen glaubt.

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Wenn einerseits dieser dem reifenden, aus der Gegenwart die Vergangenheit überschauenden Verstande angeborne mächtige Trieb, dem Ursprunge des eigenen Seyns und Lebens nachzuforschen, die bei einem jeden gebildeten Volke vorfindliche Menge der Untersuchungen und Schriften über die eigene Urgeschichte begreiflich macht; so wird es auf der andern Seite bei Betrachtung der mit Forschungen dieser Art verbundenen unbesiegbaren Schwierigkeiten, und besonders bei der Unmöglichkeit, den Anfangspunct des historischen Wissens in der Geschichte eines Volkes genau zu bezeichnen und eine feste Scheidungslinie zwischen Dichtung und Wahrheit zu ziehen, nicht minder einleuchtend, warum alle ältere und neuere literärisch - gebildete Völker bei allem Reichthum der heimatlichen Geschichte dennoch über den eigenen Ursprung wenig Übereinstimmendes und auf die Dauer Befriedigendes aufzuweisen haben. Die unerweichbare Sprödigkeit des Gegenstandes und die Verschiedenheit der Ansichten der Forscher über seine Behandlung sind Ursache, dass die Endergebnisse ihrer Studien in diesem Gebiet einander stets um so weniger ähnlich zu seyn pflegen, je geistreicher die Männer selbst sind, die sich der Erörterung desselben unterziehen, und je selbstständiger die Forschungsmethode ist, der sie sich dabei bedienen. Denn während ein grosser Theil der Historiker aus religiös - ängstlicher Achtung für reine, durch unbestreitbare Thatsachen und Zeugnisse sichergestellte Wahrheit, oder auch aus vornehm bequemer Arbeits

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