Изображения страниц
PDF
EPUB

*

[ocr errors]
[ocr errors]

mit seinem Wesen, genauer also der Entzweiung des Wesens mit seinem Dasein. In dem Gefühl dieses Widerspruches ist die Ruhe der heitern Gegenwart dahin und die Gegenwart die suchende Beziehung auf Vergangenheit und Zukunft. Denn die Entzweiung wird zugleich als eine solche empfunden oder gewußt, welche nicht sein soll. Indem nun die Einheit des Daseienden mit seinem Wesen sein soll und damit sowohl ist als auch nicht ist, das daseiende Leben selbst aber die wirkliche Möglichkeit enthält, das Dasein dem Wesen gleich zu machen, ist es als diese Mitte der in einandergreifenden Extreme der Schmerz.

[ocr errors]

Von solchem Schmerze sind die Griechischen Göt ter frei, weil sie nicht mit sich in Widerspruch ges rathen und ihre schmerzlose Heiterkeit ihnen höchstens durch die Nichtübereinstimmung Anderer mit ihnen oder durch leicht heilbaren finnlichen Schmerz, also Unbehagen, getrübt wird, wie wir dies im Homerischen Epos beständig sehen. Die Heroen stehen mit den Göttern, schon nicht auf gleicher Stuffe, sondern ihnen ist die Arbeit und mühevolle, wenn auch geLingende Ueberwindung des Widerspruchs, in welcher Gestalt derselbe auch erscheine, aufgegeben, wovon der Prometheus des Aeschylus uns das erschütterndste Bild gibt. Endlich unter den Menschen, den eintågigen, sterblich gebornen, ist nach der Griechischen Weltanschauung nichts ohne Mühe, und, nicht mit solcher Macht, wie die Heroen, gerüstet, erlie

1

gen fie dem unerbittlichen Schicksal. Indem aber das Leben selbst, wiewohl an sich der Wechsel von Luft und Unlust, dennoch als der farbenhelle und erfreuende Tag gegen das schattengleiche Weben im Hades vorgestellt ward, von dem allein die unsterblichen und feligen Götter ausgenommen wären, ging aus dieser Vergleichung der oberen und unteren Welt eine Trauer hervor, welche die Vergånglichkeit dieses schönen Lebens klagend beweinte. Denn es war das Leben selbst nicht götterleer, sondern in ihm eben wals teten unmittelbar die herrlichen Götter. Aus dieser innigen Verflechtung derselben mit dem natürlichen und sittlichen Leben ging ein Widerspruch hervor, der eine tiefere Zerrissenheit als jene Trauer ers zeugte, eine Entzweiung mit einer göttlichen Macht, welche der mit ihr Entzweite (und nur in solchem Wissen konnte es zur Entzweiung kommen) als sein Wesen wußte, z. B. die Beleidigung des Seus durch. Verlegung des Eides u. f. w.

Wir wollen zu dem Ende eine der merkwürdig ften Tragödien des Sophokles, den Ajax, kurz: durchgehen, wobei vor allen Dingen darauf zu sehen ist, daß das Griechische Volk das Göttliche als mit. ihm lebend nicht als Jenseits glaubte, daher die Entzweiung eines Griechen mit seinem Gott zus gleich die mit dem Gemeinwesen, und die mit dies sem auch die mit einem Gott war. Ujar, obschon er nach Achilleus Tode als der tapferste der Grie

chen von ihnen anerkannt worden, bekommt dennoch den Preis nicht, welchen Odysseus erhält, der mit der Tapferkeit Klugheit und Beredsamkeit vers bindet. Dieses Urtheil dünkt den feine ehrliche Tapferkeit mit der von List erhöhten des Odysseus vergleichenden Ajar ungerecht, aber es ist das Urtheil. des Griechischen Volkes, welches sich im all seitigen Odysseus mehr, als in der reinen Tapfer, keit des Ajar anerkennt. Ajar anders als sein Volk urtheilend, wird im Gefühl des ihm zugefügten vers meintlichen Unrechtes gegen sein Volk empört, und will in diesem Wahnsinn alle Griechen ermorden, um sich durch ihren Untergang das negative Gefühl des durch sie gedemüthigten Selbges nusses zu nehmen, und das positive der Anschauung seiner Herrlichkeit zu geben. Über die Götter, welche in dem sittlichen Gemeinwesen walten, und dem selben als seine es bewegenden Mächte vorstehen, durch seinen frevlen Uebermuth und seine gegen das Gemeinwesen wüthende Selbst sucht verlegt, vers blenden ihn, und er mordet Schaafe und Rinder statt der ihm verhaßt gewordenen Achaier. Denn das Gemeinwesen kann das sich über es erhebende In. dividuum nicht dulden, sondern mus solche Un. gleichheit, wo sie entsteht, nothwendig friedlich oder hart ausgleichen. Daher eröffnet sich die Tragödie mit der Erscheinung Athene's, weil diese jungfräuliche Göttin die besonnene und die durch

Weisheit bestimmte Macht ist, deren Ajar als die nicht durch das messende Bewußtsein gebildete Kraft entrathen zu können meinte. Als er nun die Begier der Rache in der blutigen That befriedigt hat, geht er, seinen Wahn erkennend, nothwendig in den tiefsten Schmerz über, weil er erkennt, wie sehr er sich gegen das ganze Gemeinwesen vergangen habe. Wåre nämlich seine That wirklich die gewesen, wofür er sie vollbrachte, so wåren die Achaier nicht mehr da. Aber er hat sich getäuscht, und das Gemeinwesen wird nun erkennen, was er gegen es Böses im Sinn hatte. Daher seine schmerzliche Scham über diese Schmach und der Rath des Chores, still nach seiner Insel heimzukehren, weil das Gemeinwes sen ihn, der es hat vernichten wollen, nicht mehr wird ertragen können. Diese Einsicht hat Ajar auch. Doch ist die Flucht ihm so schimpflich, als Tadel und Strafe seiner Schuld zu leiden dem Stolzen verhaßt. Um also die Götter, die, im Gemeinwesen waltend, nothwendig auf Rache gegen seinen Frevel sinnen müß ten, zu versöhnen, übernimmt er selbst seine Bestrafung, den Tod. Indem er sich nun der Nothwendige keit seines Todes gewiß geworden, tritt er mit seiner Familie in Collision und wird die Sühne gehemmt, denn, wenn das Gemeinwesen ihn, der es so tief bes leidigt hat, vernichten will, fleht seine Familie ihn an, sich ihr zu erhalten. Weil aber das Gemeinwewesen das die Familien alle haltende und

[ocr errors]
[ocr errors]

pflegende ist, wankt Ajax in seiner Gewißheit nicht und versöhnt durch seinen Tod die von ihm beleidig ten Götter des Gemeinwesens. Und wie er in seiner bösen That allein war, so muß er auch in ihrer Aufhebung allein sein. Die Griechen dürfen nicht gegenwärtig sein, weil es jest seine Feinde sind, die ihm des råchenden Rechtes wegen diese Ehre nehmen würden; die Salaminer nicht, weil sie als seine lies benden Genossen im Gegentheil jenes Haffes ihn zu erhalten und den Mord zu verhindern suchen würden. Da er nun durch seinen Tod sich für schuldig bekannt und zugleich die Strafe der Schuld freiwillig auf sich genommen hat, spricht auch Odysseus als Repräsen tant der regierenden Klugheit ihm die Ehrè der Todten zu, indem er den Vorstehern des Gemeinwesens, Agamemnon und Menelaos, beweiset, daß die Schuld des Ajar getilgt sei und das Gemeinwesen den Tods ten von Rechts wegen nicht mehr in Anspruch nehmen könne. Odysseus, als das Maaß, überlebt daher den über das besonnene Maaß halten hinaus geschrittenen Ajar, dessen Bruder die verwais'te Bruderfamilie in feine Pflege nimmt und so das Vertrauen des Todten` zu den Lebenden in dieser Hinsicht rechtfertigt.

Ganz anderer Art und`vom Gefühl des tiefsten Widerspruchs des Daseins mit dem Wesen hervorges hend war der schmerzliche Wahnsinn der Bakchanten, überhaupt der Mysten, welche sich, um dem annahenden Gott sich zu öffnen, alle Bestimmtheit des dens

« ПредыдущаяПродолжить »