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Einleitung.

1.

Zwar beschränket sich in den drey lezten Jahrhunderten die Geschichte der Litteratur auf Europa und auf die seit einigen Menschenaltern sichtbareren Wirkungen, welche europäische Geistesbildung in anderen Welttheilen, namentlich in NordAmerika hervorgebracht hat, während einst-litterärische Völker Asiens und Afrika's, sich selbst überlassen, verwildert sind und oft kaum in trümmerartigen Erinnerungen an bessere Vergangenheit, eine, von Wenigen gesuchte und geachtete, dem öffentlichen Leben entfremdete dürftige Geistesnahrung haben; aber ungeachtet dieser Beengung des Kreises, in welchem streng genommen wiederum nur einzelne Hauptstellen als die entscheidend und allgemeiner einflussreichen schärfer in's Auge gefasst werden müssen, zeiget sich eine so ungeheure Ueberfülle des Stoffes und eine so vielseitige Wichtigkeit seiner wundersam grossartigen Gestaltung und Bedeutung, dass die Pflicht gewissenhaft sorgfältiger Auswahl, lichtvoller Anordnung und urkundlich treuer Darstellung dessen, was, um das Grundwesen des gesammten Zustandes, seine Entstehung, seinen Zusammenhang und seine Richtung zu verstehen, tiefer aufgefasst und in seiner Fortbildung genauer beachtet werden muss, als unerlässlich nothwendig erscheint.

Im Europäischen Geistesleben waltet eine, von vielgestaltiger Selbstsucht vergeblich bezweifelte und angefochtene geheime Macht vor, welche unter fortwährendem Kampfe den hartnäckigsten Gegenstrebungen, künstlichen Beschränkungen und augenblicklichen Unterdrückungen nie erlieget, sondern immer wächst und neue Kräfte sammelt, bald da bald dort

ihre Siege feiert und lange nachwirkend fruchtbare AnerkenDiese Macht ist die sittliche Sehnsucht nach nung findet. Wahrheit und Schönheit, der geistige Endertrag des, mannigfaltigen Umwandelungen unterworfenen und mit tief eingrei fenden Erfahrungen bereicherten gesellschaftlichen Zustandes der europäischen Staaten und der in demselben zum Durchbruche gekommenen Wechselwirkung zwischen äusserem und innerem Leben; durch freyere und allgemeinere Theilnahme an gesellschaftlichem Gemeinwohle, durch Vergleichung der Gegenwart mit Vergangenheit, durch hoffenden Hinblick auf die Zukunft, entwickelt sie sich zur Ahnung des Höheren, in Wenigen zu hellerer Vorstellung und den Willen bestimmender vester Ueberzeugung; der Mehrheit wohnet sie als dunkles Gefühl ein, dessen rohere Wirksamkeit vielseitigen Verirrungen und Missverständnissen ausgesetzt seyn muss. Bey allen noch so unerfreulichen Verunstaltungen und Missbräuchen erstirbt der an sich edle Grundgedanke nie, wenn er einmal erwacht ist und Eingang und Heimath gefunden hat; die sittliche Hoffnung, denselben bey Andern zu wecken und. zu erkräftigen, heiliget das Leben und leitet mit unwiderstehbarem Uebergewicht das Streben der geistig Reiferen und Tüchtigeren, welche stets Führer und Lehrer der Menge sind. Diese Sehnsucht nach dem Höheren und Besseren wurde durch äussere Begünstigungen und innere Anregungen und Erkräftigungen verallgemeinert und gesteigert. Die Völker des südwestlichen Europa waren in engere Verbindung und lebhaftere Wechselwirkung getreten, welche selbst durch Kriege befördert wurden. Gewerbfleiss und Handel, bürgerliche Sicherheit, Wohlstand, Selbstgefühl und Genusslust hatten die Sitten des Mittelstandes verfeinert und das Bewusstseyn seiner Kräfte und gesellschaftlichen Rechte hervorgerufen und gestärkt. Gefodert und erstrebt wurde Verbesserung der bürgerlichen Verfassung und, gewöhnlich in Uebereinstimmung mit den, ihre wahre Gefahren und Vortheile richtig beurtheilenden Oberregenten, mildernde Beschränkung der Vorrechte und Anmaassungen der Feudal-Aristokratie, deren gewaltsam errungener Besitzstand, in so weit er die gesellschaftliche Ordnung störet und mit dem höheren Ziel derselben unvereinbar ist, gegen die unveräusserbaren Rechte des als Theil des Staatsvereines anerkannten Volkes nur sophistisch vertheidigt

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werden kann. Den Warnungen und Belehrungen, welche die Geschichte des XVI und XVII, und in verstärktem Maasse die des XVIII und -XIX Jahrh. aufstellt, wird von Bessergesinnten die gebührende Beachtung nicht verweigert und die allgemeinere Wirksamkeit derselben wird durch die, früher oder später im Endergebnisse wahrgenommene Fruchtlosigkeit des ihren unabweisbaren Foderungen entgegengesetzten hartnäckigen Widerstandes gefördert und gesteigert; die fortschreitende Vervollkommnung des gesellschaftlichen Lebens erweiset sich am glorreichsten in dem Bestreben, nicht von wilder Verzweifelung und stürmischer Leidenschaft abtrotzen zu lassen, was als Ergebniss der durch Erfahrung geleiteten Einsicht, als Wirkung weiser Besonnenheit und gerechter Mässigung allgemeine Ehrfurcht gebieten und die Wohlthaten des geselligen Vereines zu allgemeiner Anerkennung und den begeisterten Gemeinsinn zu sittlich veredeltem Kraftleben erheben soll. Unbefangene Gerechtigkeit hat schon längst dem Mittelstande den Vorzug in ausdauerndem Fleisse und in gemeinnütziger Thätigkeit, wodurch den vermehrten Foderungen des gesellschaftlichen Bedürfnisses Genüge geleistet wird, und überlegenes Verdienst um Anbau der Wissenschaft und Kunst, hiemit zugleich die Rechtmässigkeit seiner Ansprüche auf gesetzlich freye Stellung in dem durch ihn veredelten Staatsleben zugestanden; und wenn die Behauptung des Menschenwerthes in seinen edelsten Bestrebungen keinen oder nur ohnmächtigen, wo nicht verächtlichen Widerspruch zu erfahren hat, so ist von erleuchteter Staatskunst auch darüber ohne Vorbehalt entschieden, dass nicht Rohheit und Dummheit, Aberglaube und Vorurtheil, welche verewigen zu wollen, ein Verbrechen gegen die Majestät der menschlichen Bestimmung ist, sondern wahrhaft sittlich geistige Bildung des grossen Haufens allein Verirrungen maassloser und ganz eigentlich thierischer Selbstsucht verhütet und gegen wilde Zerrüttun gen des gesellschaftlichen Zustandes Sicherheit gewähret.

(F. A. Max. G. v. Castillon und R. Z. Becker) Dissertations sur la question extraord. proposée par l'Ac. de Prusse: est-il utile au peuple d'être trompé? Berlin 1780. 4; R. Z. Becker Pr. Schr. Kann irgend eine Art von Täuschung einem Volke zuträglich seyn? Lpz. 1781. 8; die Accessit - Schr. v. J. G. Gebhard. Berlin 1780. 8; v. J. L. Münnich. Brandenb. 1781.8; M.

A. v. Winterfeld Prüfung der Castillon'schen Pr. Schr. Berlin 1788. 8. J. W. Reche neuer Vers. über d. Gränzen der Aufklärung. Düsseldorf 1789. 8; Ch. L. Hahnzog über Volksaufklärung. Magdeb. 1803. 8; W. A. Teller Beytr. zu H's Abh. über die Aufklär. d. Bauern. Berlin 1804 8 u. m. a. Ch. W. Dohm über Volkskalender und Volksschriften überhaupt, in W. Gronau Leben D's Beyl. S. 572 f. Volksaufklärung, wie J. Moser, B. Franklin, Dohm und die, welche sich zu ihren Ansichten und Ueberzeugungen bekennen, sie wollen und vertreten, soll auf sittlich religiösem Grunde beruhen, mit eben so sorgfältiger Vermeidung eines frömmelnden Separatismus, als der Anregung und Steigerung des das innere Leben aus seinem Gleichgewichte aufstörenden skeptisch-dialektischen Reflexionvermögens. Von einer so bedingten Volksaufklärung sind lediglich erfreuliche Folgen zn erwarten; aber freilich kann dieselbe nur das Werk beharrlicher und während mehrer Menschenalter folgerichtig fortgesetzter Anstrengungen seyn und es werden dabey Aufopferung verjährter Herkömmlichkeiten, Reinigungen und Umwandelungen alter Einrichtungen vorausgesetzt, welche nie übereilt werden dürfen, wenn der bürgerliche Friede nicht auf irgend eine Weise gefährdet werden soll. Die besonnene und für den dazu geeigneten Blick sichtbar durchleuchtende Vorbereitung des Besserwerdens im gesellschaftlichen Zustande versöhnet mit der klugen und kaum vermeidbaren Schonung manches veralteten Brauches, welcher zu rechter Zeit fallen oder aufgegeben werden wird, Nie darf wenn das, was ihn einstweilen schützte, beseitigt ist. durch Weckung eines immer unzeitigen, bald zu Dünkel uud gewaltthätigem Trotze entartenden Selbstvertrauens der Glaube an Einsicht und gutem Willen der Regierung geschwächt oder untergraben, nie der für allgemeine gleichartige Bildung durchaus unempfänglichen, einer sittlich geistigen Bevormundung stets bedürfenden grossen Menge eine, vermeintlich auch noch so vorsichtig beschränkte Obergewalt zugestanden werden.

So bildete sich ein grosses empfängliches Publicum und eine von demselben ausgehende und auf dasselbe zurückwirkende öffentliche Meinung, deren Unterdrückung durch die härtesten Zwangsmittel sultanischer Willkühr nur in seltenen Fällen, gewöhnlich mehr scheinbar als wirklich, nirgends in ausdauernder Allgemeinheit gelingen konnte. Gesellschaftliche Ereignisse und Veränderungen, besonders wenn sie im Erfolge so bedeutend wurden, wie im XVI Jahrh. der Kampf der Niederlande gegen Spanien, im XVII der blutige Streit in Britannien über Rechte der Obermacht und des Volkes, im XVIII die Trennung Nord-Amerika's vom Mutterstaate und der Umsturz des Lehnsystemes in Frankreich, fan

den daher allgemeinere Theilnahme und hinterliessen tiefe Eindrücke, welche in dem bürgerlichen und wissenschaftlichen Leben Zwiespalt, Reibung und Forschung oder Gefühle erzeugten, die als Keime neuer Ansichten und Betrachtungen auf das folgende Geschlecht übergingen. Das Erbe der vermehrten Ideen - Masse wird in Schriften, deren ungeheurer Vorrath (s. 1. S. 38.) sich jezt kaum übersehen und von Einzelnen nur zum unverhältnissmässig kleineren Theil benutzen lässt, niedergelegt und die Geistesbildung immer mehr, als vielleicht (besonders wenn eine an sich nicht recht zulässige Vergleichung des heutigen gesellschaftlichen Zustandes mit dem der alten Welt angestellt wird) für sittliches Gemeinwohl und für freye öffentliche Thätigkeit erpriesslich scheinen möchte, von ihnen abhängig gemacht. Alles, was an Erfahrungen und Beobachtungen für Geist und Welt, innere und äussere Verhältnisse und Bedürfnisse des Lebens gewonnen wird, Anregungen und Bestrebungen, Rügen und Mahnungen, Hoffnungen und Wünsche verbreiten sich in oft zauberhafter Schnelligkeit durch Vermittelung der überall eingeführten und in ihrer früh oder spät unaufhaltbaren Wirksamkeit wachsenden Buchdruckerey; es drängen sich Flugblätter, Kinder des Augenblickes, oft mit diesem sich auslebend; es kommen Zeitungen und Monatsschriften in Gang, welche als vollgültiger Maassstab der Civilisation betrachtet und benutzt werden können, der Wissbegierde und theilnehmenden geistigen Regsamkeit werden allseitige Unterstützungen und Befriedigungmittel dargeboten.

Wean gleich die Berechnung der Zeitschriften bey öfteren Wechseln, welchen dieselben unterworfen zu seyn pflegen, strenger Genauigkeit ermangelt, so reichen doch die vorhandenen Notizen in so weit aus, dass das Verhältniss der Bildung der Staaten durch Vergleichung sich daraus im Allgemeinen, wo nicht ermitteln, doch vermuthen lässt. Nach A. Balbi (in Revue Enc. T. 37, p. 593sq.) bestimmet sich für 1826 dieses Verhältniss also: in Amerika, welches eine Bevölkerung von 39 Millionen Menschen hat, erschienen 978 Zeitschriften; davon kommen auf die nördlichen Vereinigten Staaten, mit 11 Mill. Mensch., 840 Z. (Neu-York, mit 1,373000 M. 137 Z.; Pensylvanien m. 1 M. M., 110 Z.; Ohio, m. M. M.; Z.; Virginien, m, 1 M. M., 35 Z.; Massachusets. m. M. M., 35 Z.); auf das ehemalige Spanische A., m. 16? M. M, 112 Z.; auf Brasilien, m. 5 M. M.. 6 Z. u. s. Z. — In Frankreich, m. 32 M. M., 490 Z. (da

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