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bald eine auf herzliche Hochachtung gegründete Freundschaft verband, und in regem Gedankenaustausch mit einer Anzahl hochbegabter und anregender Kollegen verflossen ihm in Arbeit und frohem Verkehr diese acht Jahre. Hier schloß Richter auch den Ehebund mit Mathilde Grüne und gründete sich ein überaus glückliches Heim.

Inzwischen war Hugo Jlberg als Frankes Nachfolger nach St. Afra berufen worden. Jedoch wirkte er hier nur wenige Jahre, um bereits 1874 als Rektor an das neu zu gründende Kgl. Gymnasium in Dresden-Neustadt überzugehen. Um dieser Neuschöpfung Geist und Leben einzuhauchen, suchte Jlberg überall junge und frische Kräfte. Die Wahl für seinen Stellvertreter fiel da= bei auf seinen erst 35 jährigen Zwickauer Freund, der nunmehr als Konrektor und Professor in Dresden seinen Einzug hielt, eine der glücklichsten Erwerbungen, die der erfahrene Menschenkenner für seine neue Schule gemacht hat.

Wiederum nur wenige Jahre freilich gehörte Richter dieser jungen Anstalt an, indes nicht, ohne ihr das Gepräge seines energischen und originellen Geistes aufzudrücken. Schon 1880 rief ihn das Ministerium nach Leipzig, um die Leitung des dort zu begründenden Kgl. Gymnasiums zu übernehmen. Und hier hat Richter seine Meisterjahre verlebt, mit kraftvoller Hand über 21 Jahre als Rektor waltend, bis der Tod den allezeit getreuen Mann abrief.

Was Richard Richter an dieser Schule und für sie geleistet hat, wird von berufener Hand an anderer Stelle ausgeführt werden. Nur das Eine möge hier hervorgehoben werden, daß seine“ Schule, das jezige König-Albert-Gymnasium, sich schon nach wenigen Jahren zur ebenbürtigen Schwester der altberühmten Thomana und Nicolaitana erhob, und, durch äußere Notwendigkeit geschaffen, sich bald auch innerlich der andern Leipziger Schulen würdig zeigte.

Das ist vor Allem Richters Verdienst gewesen. Begabt mit einem außergewöhnlichen Organisationstalent und mit einer Umsicht, die bei aller Sorgfalt doch keine Kleinlichkeit kennt, waren ihm, dem Unermüdlichen, selbst die kleinsten Einzelheiten des Dienstes in der überraschendsten, ja für den, der ihn nicht ge= nauer kannte, bisweilen unbegreiflichen Weise deutlich und gegenwärtig.

Sein Regiment war entschlossen, zielbewußt und, wo es nötig war, durchgreifend. Doch ging durch seine ganze Weise, gegenüber seinen Schülern und seinem Kollegium, ein großer Zug edeln Vertrauens. Wie er selbst an sich hohe Anforderungen zu stellen gewohnt war, und bei jeder Pflichtleistung, mochte sie ihm auch hin und wieder lästig fallen, sich in die erste Reihe stellte, so sezte er eine gleiche Auffassung von männlichem Pflichtbewußtsein bei Anderen voraus. Und wie er seine Primaner beim Ehrenpunkte faßte, und, ohne viel mit Worten zu strafen, nur durch seine Persönlichkeit, sein Beispiel zu begeistern und zu eifrigster Arbeit anzuspornen wußte, so wirkte er begeisternd auch auf sein Kollegium. Nicht Jeder verstand ihn ganz und konnte sich in die großzügige Weise finden, der der Blick aufs Ganze allezeit noch näher lag als die Treue im Kleinen. Aber alle empfanden sein Wesen und Wirken als vorbildlich, und noch von gar Manchem wird ihm der Dank nachfolgen, daß er zunächst zwar den jungen Anfänger scharf anfaßte und ihm Rat, wo nötig auch Tadel, ange

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deihen ließ, ihn aber dann, sobald er ernsten Willen und bereites Eingehen auf seine Wünsche bemerkte, vertrauensvoll seinen pädagogischen Weg wandeln ließ, ohne viel in den Gang des Unterrichts einzugreifen. Und sein Vertrauen ist auch reich belohnt worden. Mit Lust und Eifer wurde unter ihm gearbeitet: ein jeder empfand das ihm geschenkte Vertrauen als eine sittliche Verpflichtung, sein Bestes zu thun, in der Förderung der Schüler. Deshalb waren auch die Ergebnisse in dem Grade erfreulich, wie dies bei einem Riesengymnasium (denn zu einem solchen hatte sich die Anstalt bald ausgewachsen) nur irgend möglich ist. Die große Tüchtigkeit des neuen Rektors fand gar bald in Leipzig, wo man auf praktische Gewandtheit von jeher hohen Wert gelegt hat, großen Anklang. Er wurde zu mancherlei städtischen und kirchlichen Ehrenämtern gewählt, und nach Ecksteins Rücktritt und Tod wurde Richter auch an die Universität gezogen, zunächst als außerordentlicher, später als ordentlicher Honorarprofessor. Auch wurde er zum Ehrendoktor der philosophischen Fakultät ernannt. Professor übernahm er die Leitung des gymnasialpädagogischen Seminars, das unter seiner Leitung erweitert und ausgestaltet wurde. Daneben hielt er an der Universität Vorlesungen über Didaktik und die verschiedenen Zweige der Gymnasialpädagogik, auch für die Studenten ein begeisterter und hinreißender Lehrer, der ihnen idealen Schwung für ihren künftigen Beruf zu geben und sie mit leiser und doch fester Hand zum rechten Ziel zu lenken wußte. Nach Masius' Tode übernahm Richter auch noch die zweite Abteilung der Fleckeisen'schen Gezt Jlberg-Richter'schen) „Neuen Jahrbücher“, die er sehr bald zu dem zu machen wußte, was sie stets hatten sein sollen und wollen, dem wissenschaftlichen Organ für Sachsens höhere Lehrerschaft. Er selbst be= schränkte seine Thätigkeit auf das Redigieren des Ganzen. Jeder ausführlichen und zusammenfassenden Schriftstellerei abgeneigt, hat er sich nur in kurzen, aber stets höchst interessanten und lehrreichen Bemerkungen geäußert, wie überhaupt seine Feder seit den Dresdener Konrektorjahren nur selten etwas für die Oeffent lichkeit schuf. Und wenn er es einmal that, so war es in der Regel nur die Ausführung einer vorher von ihm gehaltenen Rede.

Und Richard Richter war ein Redner von Gottes Gnaden. Wie er schon als Schüler von St. Afra bei seinem Abgange eine Aufsehen machende Rede hielt, so ist es sein ganzes weiteres Leben hindurch geblieben. Wir haben ihn oft reden hören und sind nie müde geworden, ihm zuzuhören. Mochte er nun in öffentlicher Versammlung vor Tausenden eine patriotische Rede halten oder an den Festen der Schule sprechen, oder mochte er bei den Leiden und Freuden seines Kollegiums herzliche Worte der Mitfreude oder der Teilnahme und des Trostes sagen, immer war es der gleiche, tief aus dem Herzen kommende und zum Herzen dringende Klang. Am schönsten aber waren seine Morgenandachten, mit denen er hin und wieder am Montag früh für seine Theologen eintrat. Der zu Herzen gehende Klang, der wohlberechnete Inhalt, der den Knaben packte und dem Manne genug that, und die schön abgerundete Form, in der sich harmonisch und scheinbar mühelos Wort an Wort und Gedanke an Gedanke reihte, werden allen, die ihn gekannt und verehrt haben, unvergeßlich sein.

Den höchsten Schwung entfaltete Richard Richter aber dann, wenn es sich um seine Ideale und deren Verteidigung handelte. Darauf beruhte das Geheimnis seiner tiefgehenden Einwirkung in den Versammlungen seiner Kollegen; ́ daraus erklärt es sich, daß er thatsächlich Jahre lang von entscheidendem Einfluß auf den Gesamtgeist der sächsischen höheren Lehrerschaft gewesen ist.

Denn er war ein Humanist, und zwar in dem edeln Sinne, wie der Humanismus allein verstanden sein will, weil darin die starken Wurzeln seiner Kraft liegen: er suchte die edeln und unsterblichen Gedanken der Alten in stetige Wechselwirkung mit den nationalen Gedankenkreisen zu bringen und die einen aus den andern zu befruchten. Darum wählte er auch, als es sich um die Inschrift für die zu weihende Schulfahne handelte, den für ihn so bezeichnenden Spruch:

„Ringe, Deutscher, nach römischer Kraft, nach griechischer Schönheit!“

Und alle seine Schüler, zu denen auch wir uns rechnen dürfen, die so oft im Gespräch mit ihm verkehrten, werden es ihm dankbar bezeugen, daß dieser · Gedanke die Richtschnur seines Lebens war, und mit wehmütiger Erinnerung daran denken, wie er diesem Leitsage folgte und seinen Gedanken darüber fruchtbaren, die Herzen der Hörer zwingenden Ausdruck verlieh.

Die Harmonie des Denkens beherrschte aber seine ganze Person. Wie wäre auch die gewaltige Wirkung denkbar gewesen, die Richard Richter zu jeder Zeit über seine Mitmenschen ausübte, wenn er nicht eine Persönlichkeit aus einem Stück, eine edle und von Kleinlichkeit völlig freie Natur gewesen wäre! Mochte er als Lehrer, als Rektor, als Professor, als Redner im größten oder kleinsten Kreise auftreten, überall blieb er eine hervorragende Persönlichkeit. Und trog des weißen Haares und Bartes erschien er uns unverwelklich frisch, und es umgab ihn, eine beim Schulmann doppelt zu schäßende Gabe, ein Hauch ewiger Jugend.

Trauernd steht die sächsische Gymnasiallehrerschaft an seinem frühen Grabe, in das er nach nur ganz kurzer Krankheit, mitten aus dem rüstigsten Schaffen heraus, sank. Wir haben unendlich viel an ihm verloren: den treuen und hochsinnigen Berater, den stets hilfsbereiten Freund, der mit starker Hand und klugem Rate auch die äußern Bestrebungen seiner Standesgenossen zum rechten Ziel zu leiten und gerechten Wünschen zur Befriedigung zu helfen verstand: den Schulmann und Schulrektor, wie er sein soll, und den edeln, vorbildlich wirkenden Humanisten, der in sich selbst sein Humanistenideal unablässig zu verkörpern bemüht war, der bis ans Ende unverzagt an diesem Ideale festhielt, kurz einen Menschen wie sie die Natur selten schafft, ein Segen für die mit ihm Lebenden und eine nie verblassende Erinnerung für die ihn Ueberlebenden.

Sein strahlendes blaues Auge leuchtet uns nicht mehr und der beredte Mund ist verstummt; aber sein Andenken wird unter uns bleiben. Er hat Treue gehalten: so wird sie auch ihm gehalten werden.

St. Afra.

Ernst Schwabe.

Landesgeschichte und Geschichtsunterricht.

In dem neuesten Heft der „Deutschen Geschichtsblätter, Monatsschrift zur Förderung der landesgeschichtlichen Forschung“ herausgegeben von Dr. Armin Tille finden wir einen Aufsat „Landes- und Heimatsgeschichte im Unterricht der höheren Schulen" von Martin Wehrmann (Stettin), der uns den Anlaß giebt, die Aufmerksamkeit auch unserer Leser einmal auf eine Frage zu richten, die in erster Linie den Pädagogen angeht: wie sich die Landesgeschichte zu dem auf unseren Mittelschulen, Gymnasien und Realschulen erteilten Geschichtsunterricht stellt und verhält. Wenn wir diese Frage anregen, so geschieht es nicht mit der Absicht, diesen notwendigerweise nur mit bescheidener Stundenzahl ausgestatteten Unterricht mit einer Nebenfracht zu belasten, wie das von sehr verschiedenen Seiten her immer wieder von Zeit zu Zeit versucht wird; ebensowenig mit der, für diesen Gegenstand, dem jene Blätter im Dienste der allgemeinen Wissenschaft sich widmen, gleichsam Reklame zu machen. Wir wollen für heute nur einige Momente hervorheben, an denen wir uns über diese, für den Forscher nicht gleichgültige, für den Geschichtslehrer, wie uns scheint, ziemlich wichtige Frage orientieren.

Ueberblicken wir die verhältnismäßig kurze Zeit, seitdem überhaupt planmäßiger Geschichtsunterricht in den Organismus unserer Mittelschulen eingefügt worden ist, so werden wir konstatieren können, daß vor der großen Krisis im Leben unserer Nation, die mit den Jahren 1866 und 1870/71 bezeichnet wird, an den deutschen Mittelschulen fast überall Landesgeschichte d. h. Geschichte des betreffenden Territorialstaats, neben der deutschen oder der allgemeinen be trieben worden ist. In Württemberg z. B. erinnere ich mich, daß an dem Gymnasium zu Stuttgart auf der obersten Klasse in ziemlich akademischer Weise in der einen der zwei Wochenstunden, die dem Geschichtsunterricht gewidmet waren, ein Ueberblick über das Ganze der Weltgeschichte und in der anderen eine Geschichte Württembergs gegeben wurde, und für Preußen kann man bis 1873 als Regel annehmen, daß überall neben allgemeiner und deutscher Geschichte die brandenburg-preußische Geschichte incl. der Erwerbung der Landschaft Crossen und aller Stadien der Jülich-Cleve-Bergischen Erbfolge in besonderen Stunden gelehrt wurde. Es war ein Neues, als im Jahr 1873 auf der von Falk berufenen Konferenz zu Berlin bei der Frage, was zur Hebung des nationalen Bewußtseins auf unseren Mittelschulen noch zu geschehen habe, der betreffende Referent unter allgemeiner Zustimmung neben anderen Mitteln auch das angab, daß man die brandenburgisch-preußische Geschichte künftighin nur als integrierenden Bestandteil der deutschen Geschichte, nicht mehr als besonderen Zweig des Geschichtsunterrichts behandeln, also jene schlechthin mit dieser verschmelzen solle, und als er diesen Sah, unseres Erachtens sehr richtig, dahin erläuterte, daß er die brandenburgisch-preußische Geschichte an württembergischen, bayrischen oder sächsischen Lehranstalten genau in derselben Ausführlichkeit oder Beschränkung darstellen würde, wie an preußischen.

Dies bezeichnet einen scharfen Einschnitt und einen Wendpunkt auch für die uns hier beschäftigende Frage. Es ist nach dem großen Umschwung in unseren vaterländischen Dingen geschehen, und unsere Frage liegt in Wahrheit ganz anders, seitdem wir wieder aus so und so vielen Stämmen oder vielmehr richtiger Territorien und Territorialbevölkerungen wieder eine Nation, eine Nation im politischen Sinne, geworden sind. In der Zeit nach 1815 bis 1866 und 1870 hat man die Landes- oder Territorialgeschichte in partikularistischem Interesse und Geiste gepflegt: in Württemberg z. B. erinnere ich mich nicht in den Jahren 1844-1848, wo ich die Oberklassen zweier württembergischer Lehranstalten nach einander besuchte, von deutscher Geschichte im Besonderen gehört zu haben; sie verschwand ganz in dem, was man Weltgeschichte nannte, und auch in Preußen hat man zum mindesten in den Reaktionsjahren den Geschichtsunterricht mehr oder weniger der Pflege oder Züchtung eines spezifisch-preußischen Bewußtseins dienstbar gemacht oder dienstbar machen wollen. Im Ganzen, beiläufig bemerkt, soweit meine Wahrnehmung reicht, mit sehr geringem Erfolg: die württembergische Geschichte wenigstens ließ uns, obgleich von einem gründlichen Kenner und guten Lehrer gut vorgetragen, sehr kalt und auch unter der Masse der Gebildeten hielt sich die Kenntnis der Geschichte des eigenen Landes in den bescheidensten Grenzen. Auch in Preußen habe ich keinen großen Erfolg jener partikulargeschichtlichen Behandlung wahrnehmen können.

Seit 1871 aber, der Aufrichtung des neuen deutschen Reichs, ist diese ganze Angelegenheit auf eine völlig andere Grundlage gestellt. Wir müssen, ob in Preußen, Bayern, Sachsen, Waldeck, wo immer es sei, ausgehen von der gemeinsam deutschen, der vaterländischen Geschichte und innerhalb dieser gesamtdeutschen Geschichte die Landesgeschichte pflegen als das belebende, erläuternde, erst wahres Verständnis geschichtlicher Dinge erweckende Element: Landesgeschichte, nicht, oder nur soweit beides zusammenfällt, Territorial staatsgeschichte. Der Lehrer, der an einem Gymnasium eines bestimmten Landes oder einer bestimmten Landschaft Geschichte lehrt, muß zeigen, wie der Gang der Ereignisse, die großen nationalen und Weltgeschicke auf diese seine besondere Landschaft gewirkt haben, er muß diesen allgemeinen Gang durch Einzelheiten, die diesem bestimmten und vertrauten Boden entnommen sind, beleben, und es bedarf einer eingehenden Darlegung nicht, wie hiernach sich etwa die Geschichte des Deutschritterodens oder der Zeit von 1807 oder 1813 auf ostpreußischem, die Geschichte von 1815 bis 1848 auf rheinischem, die Geschichte des 30 jährigen oder des Befreiungskrieges auf sächsischem Boden u. s. w. im Unterricht gestalten würde. Auch das bedarf einer besonderen Darlegung nicht, daß hier, hier recht eigentlich der Geschichtssinn, der Sinn für das Reale, Wirkliche ganz anders gepflegt werden kann, als bei einer Behandlung, die sich nur im Allgemeinen hält, und wir möchten es so nachdrücklich als möglich aussprechen, daß hier noch eine große Verbesserung an diesem für die Bildung der leitenden Klassen unseres Volks so wichtigen Unterricht gemacht werden kann. Möglich ist das überall: denn beteiligt ist jedes Land, jede Stadt, ja jedes Dorf irgendwie an dem allgemeinen Gang der Begebenheiten und jedes Lokal hat seine Tradition, seine Chronik; wo der Lehrer auf eminent historischem Boden steht, in Magdeburg,

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