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Spiel, und als der Vorhang sich hob, erblickte man an Lagerfeuern Soldaten aller Waffengattungen aus dem Heere Friedrichs, erschöpft von dem Kampf, der soeben bei Torgau stattgefunden hatte, zum Teil verwundet. Auch Desterreicher find darunter. Man weiß noch nicht, wer gesiegt hat, und so haben beide Parteien jest in der Nacht eine Konvention geschlossen, derzufolge sich die Besiegten den Siegern ergeben sollen, sobald das Ergebnis des Kampfes feststeht. Noch ehe man dies erfährt, bricht ein alter Grenadier vom Regiment Bernburg, der schwer verwundet am Lagerfeuer gelegen hat, noch in den lezten Zügen voll Begeisterung für seinen König, zusammen. Da erscheint der alte Friz selber, jubelnd begrüßt, und empfängt durch Ziethen die Kunde von dem Siege seiner Truppen. Alsbald hört man auch hinter der Bühne ein Viktoriarufen, das sich auf die Scene fortpflanzt und seinen Abschluß in dem von allen Soldaten gefungenen Chorale,,Nun danket alle Gott" findet. In diesem Rahmen wird mit Geschichten, die sich die Soldaten erzählen, ein reiches Bild von dem Soldatenleben in Friedrichs Heere, von seinem Geiste und seinen Thaten, entworfen. So war es kein Wunder, daß die Darsteller mit Enthusiasmus ihre Aufgabe durch führten und daß die Zuschauer, zumal die liebe Jugend des Friedrich-WilhelmsGymnasiums auf den Tribünen, mit rauschendem Beifall das wirkungsvolle Schlußbild immer von neuem forderten.

Die folgende Darstellung aber versezte die Zuschauer aus Deutschland nach Altgriechenland. Von Professor Moldenhauer und Architekt Blümel (einem ehemaligen Zögling des Friedrich - Wilhelms - Gymnasiums) angeleitet, führten Schüler der oberen Stufen in lebenden Bildern, die zum größten Teil Nachahmungen wohlbekannter plastischer Kunstwerke waren, Scenen aus dem gymnastischen und dem Kriegerleben der Alten vor: Ringkämpfer, einen Diskuswerfer, den Kampf um den Leichnam des Patroklus (nach der Gruppe von Aegina) und Anderes. Die Ephebengestalten standen hier fest, wie in Marmor gemeißelt, oder gingen in einigen Gruppenbildern mit plöglichem Wandel in eine andere Kampfstellung über, um in dieser wieder wie versteinert zu verharren. Jede Gruppe wurde unter lebhaftem Applaus mehrere Male gezeigt. Auch Gebhardts Künstlerauge war nach seinen bewundernden Aeußerungen im höchsten Maße befriedigt. Wohl alle empfanden aber zugleich den Bezug, den diese Vorführungen auf Jägers unermüdliches Eintreten für die altklassische Schulbildung hatten.

Bei dem folgenden überaus zahlreich besuchten Festmahl brachte ihm Stadtrat Dr. Mallinkrodt in meisterhafter Rede den Scheidegruß. Der Gefeierte verglich bald tiefernst, bald humorvoll die früheren und die jeßigen Grundlagen pädagogischen Wirkens und schloß mit einem Hoch auf die beiden Leitsterne seiner Thätigkeit, auf Jugend und Vaterland.

Der Abend des letzten Schultages endlich sah Jäger mit den gegenwärtigen und vielen ehemaligen Mitgliedern des Kollegiums der von ihm so lange geleiteten Anstalt vereint. Hier überreichte ihm Prof. Dr. Lauer mit einer inhaltreichen Ansprache zum Andenken an die speziellen Amtsgenossen ein in Silber gearbeitetes Schreibzeug, das den Fries des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums, überragt von der Muse der Geschichte, darstellt. Jäger pries in der Erwiderung auf Lauers Ansprache sein Geschick besonders deshalb glücklich, weil es ihn und zwar in einer Periode großer vaterländischer Geschicke zum Bildner der Jugend gemacht habe, die einst im Dienste des Vaterlandes an führender Stelle zu stehen berufen sei. Daß aber auch künftige Lehrer- und Schülergeschlechter des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums Jägers gedenken und von seinen lebensvollen Gesichtszügen kunde haben, dafür hat der Maler Joseph Heinemann von Köln gesorgt, der der Anstalt ein ausgezeichnet getroffenes Bildnis ihres Direktors schenkte, das nunmehr die Aula schmückt.

Alle diese Ehrungen, diese gemütbewegenden Zeiten und rednerischen Anstrengungen hat der Gefeierte jest hinter sich. Möge auch seine neue Wirksamkeit das wünschen Unzählige von Herzen ihm reiche Befriedigung schaffen.1) 5.

† Richard Richter.

„Die Schreckensnachricht ist wahr", schrieb uns Dr. J. Jlberg auf eine bange Anfrage, „Richter ist uns am zweiten Pfingstfeiertage plößlich entrissen worden, das Opfer einer fast beispiellos schnell verlaufenen Nierenentzündung. Er hat vor dem Fest noch bis zulezt gelesen, und wir in der Schule bemerkten nicht die geringste Aenderung in seinem Befinden und Wesen. „Marcks, bleibe bei mir, geh' nicht von mir, Marcks“ — mit diesen Worten trat er noch vor wenigen Tagen ins Lehrerzimmer, als die Uebersiedlung unseres Historikers nach Heidelberg entschieden war. Weder die Familie, noch er selbst, auch die Aerzte nicht waren sich der Gefährlichkeit seines Zustandes bewußt, bis am Montag früh die Katastrophe eintrat, Blutvergiftung und Herzschlag ihm ein schnelles Ende bereiteten. Wir fühlen aufs Tiefste, daß wir verwaist sind: es war eine Lust, unter den Augen eines Mannes zu arbeiten, der das Ideal eines Lehrers zu verkörpern schien. Wenn er sich zufällig nur einen Tag nicht sehen ließ, er, der eigentlich immer für uns und seine Schüler Zeit hatte troß vielseitigster Thätigkeit, da fehlte einem schon etwas Wesentliches, ohne daß man sich immer bewußt wurde, daß es sein freundlicher Händedruck war, ein univòv éños oder auch ein kräftiges Ungewitter aus seinem Munde. Wie wir ihn künftig vermissen werden, vermag ich nicht auszudenken.“

Doch das Wehgefühl reicht weit über den Kreis der Schule hinaus, der der Entschlafene vorstand, auch über den Kreis der Leipziger Universität, wo er die Aufgabe, den Nachwuchs der höheren Lehrerschaft Sachsens zur Berufspraris anzuleiten, in derselben tiefwirkenden, begeisternden Weise löste, wie die Aufgaben, welche ihm vom Schulamt gestellt waren. Wir denken zugleich und denken unsererseits vor Allem an den herben Verlust, den die Sache der humanistischen Schulbildung durch das Hinscheiden Richters erfahren hat. Das empfindet schon, wer auch nur einen Vortrag von ihm in einer pädagogischen Versammlung, den über das Verhältnis des Gymnasiums zur Universität (den er uns im Gymnafialverein zu Bamberg hielt) oder den über die pädagogische Ausbildung für das höhere Lehramt oder den über die Bedeutung der Geldfrage in der Gymnasialpädagogik, gehört und des Verstorbenen kerngesunde Denk und Redeweise da kennen gelernt hat, wie er in Ernst und Scherz denn beides wußte er wunderbar zu mischen immer den Nagel auf den Kopf traf, wie er fern von

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1) Wer, der nicht gefühllos ist, sollte Jäger nicht nachempfinden, wie tief ihn die Fülle der ihm entgegengetretenen Liebe beglückt hat; und wer, der nicht blind ist, sollte verkennen, daß hier Zeugnisse nicht bloß für den Lehrer, sondern auch für die Lehre abgelegt sind? Aber auch den schönen Sinn werden, meine ich, alle Verständigen verstehen, der in den mir bald nach den Festlichkeiten von Jäger geschriebenen Worten liegt: „Bei solchen Gelegenheiten kann man ja dem nicht entgehen, daß man bengalisch beleuchtet wird, muß aber dafür sor= gen, daß man bald wieder vom gemeinen Tageslicht beleuchtet ist und seinen gewöhnlichen Schatten wirst."

u.

jeder persönlichen Rücksichtnahme, weit entfernt auch von dem Bestreben, sich selbst geltend zu machen, stets nur die Sache ins Auge faßte und wie er den Dunst der Redensarten zu zerstreuen verstand, der über die behandelte Frage ausgebreitet worden war. Seit 1893 wurde seine Stimme in weiteren Kreisen vernommen, weil er, nachdem von ihm die Leitung der pädagogischen Abteilung der Neuen Jahrbücher übernommen war, dort auch seine Meinung oft hören ließ; und wahrhaftig Wort für Wort zutreffend ist, was sein Genosse in der Redaktion der Zeitschrift und die Verlagshandlung ihm nachgerufen:

„Wie Richard Richter als Pädagog geradsinnig und selbständig seinen Weg ging, ein abgesagter Feind von Pedanterie und Phrase, wie er fern von hastiger oder schwankender Schulpolitik eine ruhige, organische Weiterentwicklung und Ausbildung des höheren Schulwesens erstrebte, festhaltend an der humanistischen Grundlage unseres Gymnasialunterrichts und an der Ueberzeugung, daß vor die Tugend der Schweiß gesezt ist, das haben auch die Leser dieser Zeitschrift aus seinen Beiträgen erkannt, dazu sein warmes Herz, seinen poetischen Sinn und seinen köstlichen Humor. Das vaterländische Schulwesen verliert in dem Dahingeschiedenen einen seiner kraftvollsten und edelsten Vertreter."

Unser nächstes Heft wird ein Bild von Richters Leben und Wirken aus der Feder eines Mannes bringen, der Jahre lang unter seiner Leitung thätig gewesen ist.

Litterarische

Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik, herausgegeben von W. Rein. Langensalza bei G. Beyer u. S.

Nach Erscheinen des ersten Bandes dieses Werkes hatten wir (im sechsten Jahrgang unserer Zeitschrift S. 279 ff.) Anlage und Ausführung des Unternehmens besprochen, unsere Freude und auch diesen und jenen Wunsch geäußert. Nachdem nun das Ganze vollendet (die zweite Hälfte des siebenten Bandes erschien schon 1899), geziemt es sich wohl, noch einen kurzen Rückblick zu werfen und auf Einiges, was der lezte Halbband brachte, hinzuweisen. In der That ist mit dem Rein'schen Handbuch, wie wir bereits aus den ersten Lieferungen ersahen, ein überaus nügliches Nachschlagewerk geschaffen, das rasch über die verschiedensten Thatsachen und Fragen der Pädagogik orientiert und dessen Preis auch Einzelnen die Anschaffung nicht schwer macht, wogegen die große Schmidsche Encyklopädie, so unentbehrlich sie dem Pädagogen durch die Fülle ausgezeichneter, eingehendster Artikel ist, doch wohl nur selten in Privatbibliotheken zu finden sein wird. Um von dem Wert des in dem Rein'schen Handbuch Gebotenen eine Vorstellung zu erhalten, genügt es, einen Blick in das Autorenregister zu thun, das die lezte Lieferung gebracht hat. Man trifft hier doch wohl die Mehrzahl der in der pädagogischen Welt be

Anzeigen.

G. U.

sonders angesehenen Namen und - was da mit schon gesagt und uns auch als Vorzug gilt die verschiedensten Richtungen, nicht bloß die, welcher Rein angehört, vertreten. Eine Beschränkung der Mitarbeiter auf die Herbart'sche Schule würde der Nüglichkeit und Verbreitung des Werkes wesentlichen Eintrag gethan haben. Und wenn nun hier jezt einige neben einander gedruckt sind, die bei der Lebhaftigkeit manches pädagogischen Streites vielleicht nicht gern nebeneinander fißen würden, die Brauchbarkeit des Werks scheint uns dadurch erhöht, daß es ein Sprechsaal für verschiedene Parteien geworden ist. Ja, es würde u. E. für einige heutzutage besonders strittige Themata am Play gewesen sein, einen Korreferenten, der anderer Ansicht als der Referent ist, zu suchen. Die formelle Gleichartigkeit der Artikel ist, abgesehen davon, daß einige einen ungewöhnlich großen Umfang haben, gewahrt, und die Vorausschickung einer kurzen gegliederten Inhaltsangabe, die Nachschickung der wichtigsten Litteratur ist eine gewiß jedem Benußer willkommene Einrichtung. Höchst brauchbar ist ferner ein dem Ganzen angehängtes „systematisches Inhaltsverzeichnis", das Bürgerschullehrer Zeißig aufgestellt hat und wo man bequem übersicht, über welche Punkte der theoretischen und praktischen Pädagogik und ihrer Grund- und Hilfswissenschaften man sich Rats erholen

kann. Hier ist auch ersichtlich, inwiefern die historische Pädagogik", die zuerst aus dem Plane ausgeschlossen war, noch Berücksichtigung erfahren hat. Wenn das ausländische Schulwesen nicht, wie uns einst der Herausgeber brieflich in Aussicht stellte, noch in einem besonderen Bande behandelt ist, so liegt der Grund jedenfalls in der von den kompetentesten Kräften geleisteten Lösung dieser Aufgabe in dem Baumeister'schen Handbuch. Das außer preußische Unterrichtswesen ist, so weit wir das verfolgt haben, vom zweiten Band an mehr als im ersten berücksichtigt worden. Daß übrigens Mancher noch diese und jene Lücke entdecken wird, bezweifeln wir nicht. Aber welche alphabetische oder unalphabetische Encyklopädie, die in wenigen Jahren fertiggestellt ist, hätte solche nicht? Es wird, meinen wir, Aufgabe Derer, die das Werk benugen und schägen, sein, dem Herausgeber für eine spätere Auflage oder für einen Band mit Nachträgen, die jedenfalls in einiger Zeit besonders durch Veränderungen in der Organisation der Schulen werden nötig gemacht werden, Ergänzungswünsche mitzuteilen. (Die Nachträge am Ende des lezten Bandes betreffen hauptsächlich die Volksbildung und Volksschule.)

u.

German Higher Schools: The History, Organization and Methods of Secondary Education in Germany. By James E. Russell, Ph. D., Dean of Teachers College, Columbia University, New York. New York, Longmans, Green and Co. 1899. 455 S. Preis 9 Mark.

Obwohl dieses Buch zunächst nur für Amerikaner (und Engländer) geschrieben ist, verdient es doch auch in Deutschland größere Beachtung, als es bisher gefunden zu haben scheint, und eine kurze Anzeige dürfte auch jezt noch, über zwei Jahre nach seinem Erscheinen, nicht verspätet sein. Auf Grund eingehender Studien, die er mehrere Jahre hindurch (zwei davon in Deutschland selbst) dem deutschen Unterrichtswesen gewidmet hat, stellt der als Autorität auf dem Gebiet der Pädagogik in Amerika hochangesehene Verfasser mit anerkennenswerter Objektivität und feinem Verständnis für die zwischen der Entwickelung des Schulwesens und derjenigen der allgemeinen sozialen, politischen und kirchlichen Verhältnisse in Deutschland bestehenden Zusammenhänge, leider nur mit zu einseitiger Beschränkung auf die speziell preußischen Verhältnisse, den Werdegang der deutschen Mittelschulen, ihre gegenwärtige Organisation, den Unterrichtsbetrieb u. s. w. dar und bespricht dabei die für die Gestaltung der Dinge in der nächsten Zukunft besonders wichtigen Fragen in einer Weise, die bei den Vertretern der humanistischen Bildung zwar häufiger entschiedenen Widerspruch als Zustimmung finden wird, aber ja gerade deshalb die Lektüre des Buches sehr interessant und anregend macht, namentlich wenn man damit vergleicht, was inzwischen (durch Juni-Kon

ferenz und November-Erlaß) Gegenwart geworden ist. Da mit Rücksicht auf den Mangel an Raum eingehendere Mitteilungen über den Inhalt des Buches hier nicht möglich sind, sei es gestattet, auf das ausführlichere Referat in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 82 und 83 (vom 11. und 12. April 1901) zu verweisen. Eine genauere Besprechung des den Unterricht im Deutschen behandelnden Abschnittes findet sich in O. Lyons Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 1900. S. 645 ff. W. Sch.

Aus Schule, Unterricht und Erziehung. Gesammelte Aufsäge von Dr. Adolf Matthias, Geh. Regierungsrat und vortragender Rat_im_Kultusministerium zu Berlin. München 1901 bei C. H. Beck. 476 S. broch. 8 Mk., geb. 9.50 Mk.

Auch wer alle oder fast alle aus Zeitungen und Zeitschriften gesammelten Aufsäge und Vorträge von Matthias, die hier zu einem wohlgeordneten Strauß zusammengebunden sind, schon kennt, wird sich der hier gebotenen Gabe freuen, ja ein solcher erst recht. Denn diese Erörterungen, obwohl zum Teil für den Tag verfaßt, haben sämtlich einen über Tag und Jahr hinausreichenden Wert, dank dem, was nach unserer Anschauung den Verfasser charakterisiert. Ich meine die Verbindung zweier Eigenschaften, die nicht häufig in derselben Person vereinigt sind, eines warmherzigen Idealismus und der realistischen Neigung, die Dinge, wie sie sind, zu sehen und zu begreifen, auch die heitere Seite an den Dingen nicht zu übersehen. Ist nun das Ergebnis dieser Verbindung ein froher Optimismus und gesellt sich dazu die Gabe, Gedanken und Gefühle in gewinnendster Weise zum Ausdruck zu bringen, Hörer und Lehrer bald durch tiefen Ernst, bald durch sprudelnden Humor zu fesseln, so leuchtet ein, wie die Meinungsäußerungen eines solchen Mannes allezeit erfrischend, nicht bloß belehrend, wirken müssen. Dies gilt in gleichem Maße von den kleinen Schriften, die jest gesammelt vor uns liegen, wie von der „Praktischen Pädagogik" und der Erziehung des Sohnes Benjamin.

Der erste von den Auffäßen, die unter dem Titel Allgemeine Schulfragen“ zusammengereiht sind, trägt dieselbe Ueberschrift, wie die 1883 erschienene Wendt'sche Broschüre, durch die er veranlaßt ist: „Die Gymnasien und die öffentliche Meinung", und ist ein durchaus zustimmendes Referat über die Thatsachen und Argumente, welche W. damals den gegen das Gymnasium gerichteten Ueberbürdungsklagen entgegenstellte und die heutzutage so zutreffend sind, wie damals. Wenn troß der Einsprache erfahrenster und menschenfreundlichster Schulmänner der Ueberbürdungsstreit fortdauert, so läßt sich dies nur aus der logischen Erbsünde, der falschen Generalisierung, erklären (die übrigens auch bei denen wirkjam war, die das Vorkommen

von Ueberbürdung glaubten absolut leugnen zu sollen). Von individuellen Fällen schließt man auf ganze Klassen, von einzelnen Klassen auf ganze Anstalten, von einzelnen Anstalten auf ganze Anstaltsgattungen, und wenn dabei ungünstige Urteile besonders oft über die Gymnasien gefällt werden, so hat das offenbar den Grund, daß dort die Zahl der Schüler, welche wenig oder gar nicht befähigt sind, dem Unterrichtsgang zu folgen, zahlreicher zu sein pflegt, als an den Realanstalten, und weil zugleich bei den Eltern der Gymnasiasten die Ueberzeugung von der eigenen Fähigkeit, über die Anforderungen der Schule zu urteilen, gewöhnlich verbreiteter ist, als bei den Eltern der Realschüler. Und das wird wohl auch nach Einführung der Gleichberechtigung“ so bleiben und deswegen von Zeit zu Zeit immer wieder einmal ein generell lautender Ueberbürdungsschrei gegen die Gymnasien erschallen. Ueber die administrativen Mittel aber, mit denen die Anstaltsleiter der an allen Schulgattungen sehr wohl möglichen Ueberbürdüng vorbeugen oder sie beseitigen können, wäre wohl auch einmal ein Kapitel für sich“ zu schreiben am Plaz. Vielleicht geschieht es einmal in dieser Zeitschrift.

Die Masseneingabe für durchgreifende Schulreform" vom Jahre 1888 hat Matthias wie D. Jäger einer einschneidenden kritischen Betrachtung unterworfen, der lettere noch ausführlicher in einer Broschüre und noch mehr aus der Verteidigungs- in die Angriffsstellung übergehend und mit noch mehr Humor; beide Beleuchtungen aber sind noch jezt lesenswert, und lesenswert ist auch die Masseneingabe selbst, die passender Weise vor dem Wiederabdruck des Artikels (den M. nach Aufforderung der Redaktion für die Allgemeine konservative Monatsschrift“ geschrieben hat) gleichfalls wiederabgedruckt worden wäre: denn die Wenigsten, auch sicher die wenigsten Unterzeichner erinnern sich noch des Wortlauts, und es giebt vielleicht keine in Umlauf gesezte und von Vielen unterzeichnete Erklärung, die dermaßen im Einzelnen, nach Form wie Inhalt, die Kritik herausfordert. Auch bei M. bricht hier und da der Spott durch, z. B. da, wo er von den Klagen über die Untergrabung der körperlichen Tüchtigkeit unserer Jugend durch die Schule redet, aber im Ganzen nimmt er doch den Angriff ernster als Jäger, und meint, daß, bevor man von den höheren Schulen bessere Förderung des Verständnisses der Gegenwart fordere, doch zunächst von den Reformern besseres Verständnis der gegenwärtigen Schulzustände verlangt werden sollte. Vortrefflich ist, was über den spezifischen Wert der Beschäftigung unserer Gymnasiasten mit den antiken Sprachen und Litteraturen bemerkt wird.

Wie bei Erscheinen der Massenpetition hat nach Publikation der Gegenkundgebung Matthias der Sache der Gymnasien einen entschiedenen Dienst geleistet, mit dem in der

Allgemeinen Zeitung" erschienenen Aufsas: Die Bedeutung der Heidelberger Erklärung in Betreff der humanistischen Gymnasien Deutschlands“. Denn selbstverständlich fehlte es, so hervorragende Männer in großer Zahl mit ihrer Unterzeichnung jener Erklärung für die humanistischen Schulen eingetreten waren, keineswegs an gegnerischen Bemühungen, den Wert der Kundgebung durch allerlei Auslegungen und andere Kunstmittel herabzudrücken, und wenn der Unterzeichnete dadurch zu einigen avɑozɛval in der gleichen Zeitung veranlaßt wurde, so war doch wertvoller, daß Jemand, der bei Entstehung und Verbreitung der Erklärung ganz unbeteiligt war, das Wort ergriff.

Der umfänglichste Auffah, der eine allgemeine Schulfrage behandelt, und zugleich derjenige, in dem M. die schärfsten Waffen der Polemik gebraucht, ist die Abfertigung Preyers, „Naturforschung und Schule" betitelt. Eine wichtige Ergänzung aber hierzu ist die Erörterung über „Die Pflege humanistischer Bildung an den Realgymnasien", wo M. gegen Paulsens Vortrag über das Realgymnasium und die humanistische Bildung den eigentümlichen Wert der mathematisch - naturwissenschaftlichen_Schulstudien darlegt. Zu einem Urteil über den Lehrplan des Realgymnasiums war er übrigens in besonderem Grade dadurch berufen, daß er damals in Düsseldorf einer Anstalt vorstand, welche Gymnasium und Realgymnasium vereinigte. So sind auch die Ausstellungen, welche er an der realgymnasialen Unterrichtsgestaltung macht, und was er vergleichend über die Bedeutung des Unterrichts in modernen und in antiken Sprachen bemerkt, doppelt der Beachtung wert. Ein Ergebnis auch dieses (natürlich in ganz anderem Ton, weil mit einem ganz anderen Gegner geführten) Streites ist aber, daß den Ausstellungen an unseren Schulzuständen vielfach eine ungenügende Kenntnis der wirklichen Praris zu Grunde liegt.

Warm und erwärmend hat M. im gleichen Jahr „Lebensberechtigung und Beruf der lateinlosen höheren Bürgerschulen" erörtert. Der jüngsten höheren Schulgattung aber ist der Aufsaß aus dem Jahre 1897 (ein im Verein zur Förderung des lateinlösen höheren Schulwesens gehaltener Vortrag) gewidmet: Die Gleichwertig keit der berrealschul- und der Gymnasialbildung“. Man kann, meinen wir, drei Anschauungen bei Wertung der Oberrealschulen unterscheiden. Nach der einen wäre die Schöpfung dieser neunjährigen lateinlosen Anstalten etwas Verfehltes, es bedürfte neben den lateinlehrenden nur siebenjähriger lateinloser Schulen für Solche, welche aus der Schule unmittelbar in die Praxis überzutreten beabsichtigen; für die, welche technische Studien machen wollen, sei vielmehr eine lateinlehrende Schule das Geeignete. Andere sehen

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