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rufsarten aufs bestimmteste ausgesprochen ist: das Griechische habe die Hauptkosten (bei der geforderten Neugestaltung des Unterrichts) zu tragen; es werde vom Lehrplan entweder verschwinden müssen oder nur für eine verhältnismäßig kleine Gruppe von Schülern obligatorisch sein dürfen oder selbst von diesen nur als eine freiwillige Ueberleistung zu wählen sein; wozu in einer Anmerkung erklärt ist: es sei bei den heutigen, allerseits gesteigerten Anforderungen an die zu akademischen Studien Uebergehenden nicht mehr möglich, ohne Vernachlässigung von Wichtigerem auch die griechische Sprache noch zu erlernen.“ Weiterhin motiviert Wendt die zweite Braunschweiger Resolution folgendermaßen: „So unzweifelhaft unsere Gegner nicht befugt find, uns den Lehrplan des Gymnasiums zu ändern, ebensowenig dürfen wir uns für berechtigt halten, darüber zu entscheiden, ob nicht in einzelnen Gebieten der akademischen Studien die realistische Vorbildung die Befähigung für das Verständnis der Universitätsvorlesungen und die damit zusammenhängenden Seminarübungen gewährt. Jedenfalls würde, wenn darüber Streit entstehen sollte, die Entscheidung der Universität zustehen. Andererseits hat uns das historisch ausreichend begründete Vorrecht der Entlassung zum akademischen Studium unablässig gehässige Angriffe eingetragen. Ferner ist nicht zu leugnen, daß eine nicht geringe Anzahl von Schülern nur deshalb dem Gymnasium übergeben wird, weil ihnen ihre Eltern den Zugang zur Universität offen halten wollen. Darunter sind besonders in kleineren Städten nicht wenige, die durch ihre Begabung eigentlich auf andere Bildungswege angewiesen wären, und an mehr als einer Stelle haben die Gymnasien unter der Last gelitten, die ihnen durch den Zudrang solcher Zöglinge auferlegt wurde. Vor allem fiel aber eine andere Erwägung ins Gewicht. Wollten wir gegenüber der nun einmal angefachten Stimmung, die ja bis in die höchsten Sphären hinaufreicht, darauf beharren, ausschließlich die Vorschule der Universität zu bilden, so würde uns das bei der uns hinlänglich bekannten Gesinnung unserer Gegner unzweifelhaft dem Vorwurf aussehen, wir hätten auf freigegebener Bahn den Wettbewerb zu scheuen. Wir haben aber ein gutes Gewissen. Wir erkennen es mit voller Klarheit, welche Wirkung namentlich auch die Beschäftigung mit griechischer Sprache und Litteratur auf die Bildung des Geistes und Gemütes ausübt, wir wissen, daß geradezu Unersegliches preisgegeben wird, wenn nach der Entwicklung, welche sich seit nunmehr fast anderthalb Jahrhunderten im Geistesleben unserer Nation vollzogen hat, diese Nahrung unserer gesamten Jugend geraubt würde. Gerade wir erkennen ja an, daß bei der Vielseitigkeit unseres modernen Lebens ein zweiter Weg geöffnet stehen muß, auf dem die für die technische oder gewerbliche Thätigkeit aller Arten auszubildende Jugend ihr Ziel erreichen kann; wir wünschen sogar den Realschulen, daß sich ihr die überwiegende Mehrzahl der Schüler zuwende. Aber ebenso entschieden müssen wir verlangen, daß denjenigen, welche sich dem Gymnasium zuwenden, das Beste erhalten bleibt, was der humanistische Unterricht zu bieten hat.“ — Im Uebrigen zustimmend, suchte in Nr. 341 derselben Zeitung der Direktor einer badischen aus humanistischen und Realklassen zusammengeseßten Anstalt darzuthun, daß die Herren in Braunschweig in der Opferwilligkeit doch zu weit gegangen und daß ihr Beschluß praktisch nicht durchführbar sei. Zugleich teilte der Verfasser mit, daß er täglich an denjenigen seiner Schüler, die nur den lateinischen, n'cht den griechischen Unterricht besuchen, die Erfahrung mache, wie schwer es falle, sie zum vollen Verständnis der lateinischen Autoren zu führen. Einen kurzen Bericht über die Seeligersche Rede und die Beschlüsse der in Braunschweig Versammelten brachte auch die Zeitschrift für die Reform der höheren Schulen in Nr. 2 des 12. Jahrgangs (vom 25. Juli) und fügte eine „Kritik zu diesen Vorgängen“, die Prof. Viereck in der Rheinisch-Westfälischen Zeitung veröffentlicht hatte, hinzu. Die hier zu findende Lobpreisung der Reformschulen fordert zu keiner Entgegnung auf, aber gegen zweierlei muß doch Einspruch erhoben werden. Es wird behauptet, daß die Herren vom Gymnasialverein sich nicht die Mühe gäben, diese Schulgestaltung kennen zu lernen, sondern ohne Weiteres darüber aburteilten. In Wahrheit haben zwei, die sich in der Junikonferenz eingehend über die Frage geäußert, die Geheimräte Albrecht und Diels, das Frankfurter Reformgymnasium besucht, und der Schreiber dieses hat seine Erörterungen über Reformgymnasien und Normalgymnasien" im 9. Jahrgang dieser Zeitschrift auf Grund von zweimaligem, mehrtägigem Besuch der genannten Anstalt verfaßt.

Das Zweite, was eine Berichtigung verlangt, ist die Behauptung: wenn Seeliger sage, daß die Gegner der Gymnasialpartei eine Gestaltung des Gymnasiallehrplans anstrebten, bei der das Griechische eine zum Absterben führende Verstümmlung erleiden würde, habe er entweder der Wahrheit nicht die Ehre gegeben oder eine wissenschaftliche und moralische Verpflichtung nicht erfüllt, das erstere, falls er die Schriften von Reinhardt, Ramdohr, Treutlein u. A. gelesen, das lettere, falls er sie nicht gelesen. Hierbei ist die große Meinungsverschiedenheit völlig ignoriert, die thatsächlich zwischen verschiedenen Verfechtern der Reformschule existiert. Reinhardt allerdings ist weit davon entfernt, das Griechische fallen zu lassen, und wer, wie er, ausgesprochen hat, das Griechische sei gewissermaßen das Palladium einer ästhetischen, einer allgemein menschlichen Erziehung in unseren Schulen“, ist am Ende nicht so weit entfernt von dem Seeligerschen Ausspruch, das Griechische sei „die Blüte und Krone des Gymnasialunterrichts." Wie anders dagegen Treutlein denkt, das leuchtet wohl klar genug aus den Worten hervor, die Wendt in der von mir soeben mitgeteilten Stelle seines Aufsages zitiert hat. Ist es nun noch nötig, Aeußerungen von anderen Verfechtern der Reformschulen anzuführen, welche in deutlichster Weise zeigen, daß fie das Hinaufschieben des Lateinischen bis Untertertia, des Griechischen nach Untersekunda nur als etwas Vorläufiges, als den Anfang eines Schiebens ansehen, das thatsächlich die gymnasiale Unterrichtsgestaltung vernichten würde?

Der Junikonferenz auf dem Fuße folgten zwei Artikel der Kölnischen Zeitung vom 9. und 12. Juni, als deren Verfasser mit Unrecht in der Frankfurter Zeitung Oskar Jäger vermutet wurde. Sie vertraten in eingehender Erörterung den Standpunkt, daß die gymnasiale Vorbildung für alle Universitätsstudien festgehalten werden müßte, und gaben starken Bedenken bezüglich der Nacharbeit Ausdruck, welche unter Umständen Realgymnasial- und Oberrealschulabiturienten auferlegt werden solle. Auch ein offenbar von akademischer Hand stammender Artikel der Schlefischen Zeitung (vom 17. Juni Nr. 417) äußert sich besorgt über die Folgen des Gleichberechtigungs-Beschlusses, wendet sich speziell gegen den Gedanken der ergänzenden Vorkurse und befürchtet, daß mit Aufgeben der sogenannten Vorrechte des Gymnasiums die wirkliche Wiederherstellung seiner Eigenart doch nicht verbunden sein werde und daß wir nicht am Ende der Organisationserperimente stehen. Den entgegengesezten Ton schlug in Nr. 25 der Woche (vom 23. Juni) Professor Güßfeldt an, der, soviel wir wissen, seit Herausgabe seines Buchs über „Die Erziehung der deutschen Jugend", also seit zehn Jahren, sich öffentlich über Schulfragen nicht hatte vernehmen lassen, auch auf die von hervorragenden Männern gegen diese Schrift gerichteten Bemerkungen geschwiegen hatte. Er wies jezt darauf hin, daß die Junikonferenz einen Beschluß gefaßt habe, der einem von ihm in der Dezemberkonferenz gestellten Antrage entspreche, einem Antrage, der schon in der damaligen Versammlung von einer allerdings kleinen Majorität gebilligt, aber nicht zur Ausführung gekommen sei: „Jedem Inhaber eines Reifezeugnisses von irgend einer neunklassigen höheren Schule soll die Möglichkeit offen bleiben, die Zulassung auch zu solchen Staatsprüfungen zu erlangen, zu denen sein Reisezeugnis nicht berechtigt. Zu diesem Zweck hat er während der Studienzeit ein Facheramen abzulegen." Wenn nunmehr, wie zu hoffen, die Verwirklichung dieses Gedankens eintrete, werde Friede in die Gemüter einziehen und die Streitart begraben werden [?].

Der Juli brachte einige Auffäße in der Allgemeinen Zeitung. Nr. 149 und 150 der Beilage enthielten „Auch einige Worte zur Schulkonferenz“ von Dr. Aug. Baumeister. Voraus wird eine Erörterung der Frage geschickt, ob es angemessen war, den gegenwärtigen Kaiser Deutschlands als Jüngling von 15-18 Jahren eine öffentliche Schule besuchen zu lassen, eine Erörterung, die mit den Worten schließt: „Es ist nicht zu verwun= dern, wenn infolge der schiefen Lage, in der sich Prinz Wilhelm auf dem Gymnasium befand, bei Seiner Majestät dem Kaiser sich irrige Vorstellungen über Wefen und Wirkung dieses Unterrichts überhaupt festgesezt nnd weiterentwickelt haben, z. B. in Betreff der Ueberbürdung der Schüler mit Lehrstoff und Hausarbeiten." Sodann kommt B. auf den Beschluß bezüglich der Berechtigungsfrage zu sprechen. Er übertreffe wohl selbst die kühnsten Erwartungen der extremsten Reformler. Der Vorbehalt, daß für die Staatsprüfungen in

Fächern, wozu Gymnasialbildung erforderlich, der Nachweis der Kenntnisse in den alten Sprachen nachgeliefert werden müsse, nennt B. selbstverständlich und meint, es stehe zu hoffen, wenngleich nicht mit Zuversicht zu erwarten, daß von der Erlaubnis, als Realabiturient jedes Universitätsstudium zu beginnen, nur in seltenen und dann immer eigenartig liegenden Fällen werde Gebrauch gemacht werden: auch sei ja klar, daß ein eiliges Nachlernen des Lateinischen und Griechischen bei allen Durchschnittsmenschen nicht entfernt eine ähnliche Wirkung hervorbringen könne, wie der langjährige Betrieb während der Schulzeit. Im zweiten Artikel bespricht B. das sog. Frankfurter Reformsystem, das vielen Leuten anscheinend arg den Kopf verdreht habe: er stehe nicht an, den Beginn des höheren Unterrichts mit gehäuftem Französisch und das Hinterherlernen des Lateinischen (drei Jahre später!) für die verkehrteste pädagogische Maßregel zu erklären, die seit hundert Jahren getroffen sei, ein Urteil, zu dessen Unterstüßung B. Erfahrungen mitteilt, die von ihm vor Jahren am Berliner Collège français, später im Elsaß gemacht worden sind. Indem er „den wohlfeilen Einwand, daß man doch dem neunjährigen Knaben oder dessen Eltern nicht zumuten könne, über seine spätere Lebensbahn schon jezt Entscheidung zu treffen“, zurückweist, die lateinische Sprache als diejenige bezeichnet, mit deren Erlernung man „den Hauptschlüssel für alle romanischen Sprachen und das Englische in der Tasche trägt“, auch in der lateinischen Anfängerlektüre eine unvergleichlich bessere Kost für die Schüler der unteren Klassen erkennt als in der französischen, fragt er: „Sollten wir die Verkehrtheit und Oberflächlichkeit, die wir in elsaß-lothringischen Schulen soeben bekämpft und glücklich ausgetrieben haben, zurückholen und unserer ganzen tüchtigen Jugend aufnötigen?" Worauf noch eine Auseinanderseyung gegen die Meinung folgt, daß man durch das neue System besser als nach dem bisherigen Lehrplan französische „Redefertigkeit“ erzielen werde. Am Schluß einzelne Bemerfungen über den faktischen erziehlichen Wert, den die Werke der alten Klassiker für unsere Jugend haben, über die philosophische Propädeutik und die historische Seite des deutschen Sprachunterrichts. In der Beilage Nr. 159 derselben Zeitung (vom 14. Juli) gab Geh. Rat Dr. Hartwig, Direktor des Kaiser-Friedrich-Gymnasiums in Frankfurt a. M., eine lebendige und zutreffende Darstellung der „Vorgeschichte der Schulkonferenz“. Von den Beratungen der Konferenz des Jahres 1890 ausgehend, schildert er die Anstrengungen des Realschulmännervereins gegen den dort bezüglich der Realgymnasien gefaßten Beschluß und für Erweiterung ihrer Berechtigungen, sowie das Anstürmen des unverständigen Utilitarismus gegen die Gymnasialbildung und rügt den Mangel an kräftiger Gegenaktion vonseiten der Universitätslehrer und der gymnasialen Lehrerschaft. Dieser erkläre sich bei der legteren allerdings durch die Niedergeschlagenheit über die Lehrpläne von 1892, wozu noch der im eigenen Lager um das sogen. Reformgymnasium entbrannte Streit gekommen sei und die Einsicht, daß die Hütung der von den Hausherrn selbst so schlecht verwahrten Pforten der Universität dem Gymnasium selbst keinen Nußen bringe. Im Juliheft der Preußischen Jahrbücher S. 182 ff. sprach Hans Delbrück seine volle Befriedigung über den Beschluß der Junikonferenz bezüglich der Berechtigungsfrage und der Wahrung des Griechischen in seinem bisherigen Umfang an den Gymnasien aus. Wenn auch der Einzelne vollkommen gebildet sein könne ohne Griechisch, so sinke doch die Bildungsqualität der Nation, wenn nicht breite, sehr breite Schichten der höheren Stände die Wurzeln ihres geistigen Wachstums bis in diese Tiefen sendeten. Die Juristen könnten um ihrer wissenschaftlichen Ausbildung willen nicht auf das griechisch-lateinische Bildungsfundament verzichten, wie das besonders Otto Gierke nachgewiesen habe. Andererseits habe es entschieden nachteilige Konsequenzen, wenn die Zulassung zu den juristischen Studien auf die Gymnasialabiturienten beschränkt bleibe. Das hieraus erwachsene Problem sei durch die Junikonferenz gelöst, indem sie für zulässig erklärte, daß auch Realgymnasial- und Oberrealschulabiturienten zu allen Fakultätsstudien zugelassen werden könnten, wenn sie auf der Universität eine gewisse Kenntnis der alten Sprachen nachholten und nachträglich nachwiesen. Wie weit man diese große Konzession benußen werde, müsse die Erfahrung zeigen. Zu hoffen sei, daß es nur wenig geschehen werde. Troßdem könne die Aenderung eine heilsame Wirkung haben, wenn nämlich der Zustrom zu den Gymnasien auf diese Weise nachlasse. — Im Augustheft derselben Zeit

schrift folgt dann ein längerer Auffaz von P. Cauer, in dem er, wie er seit 1889 gethan, die Zulassung der Realschulabiturienten zu allen akademischen Studien, auch den theologischen, und die Wiederherstellung des altklassischen Gymnasiums in dringender Weise empfahl. Aus der wiederholten Opposition der Ingenieure gegen die Zulassung der Oberrealschulabiturienten zum staatlichen Bau- und Maschinenfach wird ein allgemeiner ungünstiger Schluß auf die Urteilsfähigkeit der Berufsgenossen bezüglich der Vorbildung des Nachwuchses ge= zogen. Dann wendet sich C. speziell gegen Einreden von theologischer und juristischer Seite. Wer ohne Griechisch und Latein auf die Universität komme, um Theologie zu studieren, werde entweder zurückgeschreckt oder genötigt werden, das Fehlende gründlich nachzuholen. Gegenüber einer Einwendung von Juristen bemerkt C., daß der idealistische Sinn, den man speziell von der gymnasialen Erziehung erwarte, nicht zwangsweise genährt werden könne. Ueber die vorbereitenden, nachholenden Kurse auf der Universität urteilt er folgendermaßen. Auf den ersten Blick erschienen sie als Notbehelf, ein dürftiges Surrogat für die vom Gymnasium gegebene gute, gründliche Bildung; sie könnten aber, richtig angefaßt, zu einer sehr fruchtbaren Einrichtung werden und zu einer neuen Durcharbeitung des sprachlichen und litterarischen Stoffes führen. Ob das Griechische für Juristen notwendig sei, darüber werde gestritten. Da komme es nun auf die Probe an, und zu der gäben jene Kurse die beste, ja einzige Gelegenheit. Bei der ganzen Veranstaltung könne doch nicht die Absicht sein, den Lehrstoff und Lehrgang des Gymnasiums in wenige Semester zusammenzudrängen und als Abschluß die Leistungen unserer Abiturienten zu fordern. Vielmehr müsse die Aufgabe sein, diejenigen Elemente der alten Sprachen, der antiken Kultur, der griechisch-römischen Ideen= welt herauszufinden, die zu den Studien der Aerzte und Rechtsgelehrten heute noch lebendig wirksame Beziehungen hätten. Das werde allmählich gelingen, vorausgeseßt, daß mit dem Unterricht Männer betraut würden, die selbst im akademischen Leben ständen, in stetem Austausch mit den Vertretern des Fachs, für dessen Studium sie vorbereiten sollten, so daß sie im Stande seien, den vielfach verschlungenen, zum großen Teil verborgenen, aber im Innern mächtig wirkenden Zusammenhang heutiger Wissenschaft mit den Geisteswerken der Alten zu erkennen und herauszuarbeiten. Die aufrichtigen Freunde der klassischen Bildung könnten nur zufrieden sein, wenn dieser Nachweis in großem Maßstab und vor aller Augen geführt werde. Cauer sezt also offenbar voraus, daß von der preußischen Unterrichtsverwaltung an den verschiedenen Universitäten einzelne Dozenten beauftragt werden würden, sich der ohne gymnasiale Bildung die Hochschule Beziehenden anzunehmen und darauf zu denken, mit welcher Auswahl aus den Kenntnissen, die im klassischen Gymnasialunterricht gewonnen werden, und auf welche Weise jene Leute in den Stand gesezt werden könnten, den Vorlesungen ihrer Fakultät mit Nußen zu folgen. Ich habe diesen Vorschlag oben in der ersten Anm. zu S. 115 einen durch die dabei gestellte Aufgabe sehr ansprechenden genannt, aber zu den Epitheta „ausführbar und erfolgversprechend" ein Fragezeichen gesezt. Ich will doch mitteilen, daß diese Frage von allen Dozenten, mit denen ich bisher darüber gesprochen, mit Nein beantwortet worden ist und daß zugleich von einer Seite die Bemerkung gemacht wurde, es komme nicht bloß auf eine gewisse Summe von Kenntnissen an, sondern die speziell im griechisch-lateinischen Unterricht der Gymnasien zu gewinnende Erstarkung bestimmter Geisteskräfte sei als Grundlage für juristische Studien nicht wohl zu entbehren (womit die Aeußerung Harnacks oben S. 112 zu vergleichen). Gegen Schluß seines Auffages aber bespricht C. die Schwierigkeit, die dem Fachdozenten eventuell aus der verschiedenen Vorbildung seiner Zuhörer erwachsen wird. Er hält sie nicht bloß nicht für unüberwindlich, sondern glaubt, daß das gemischte Auditorium dem Professor in gewisser Hinsicht zur Förderung dienen könne. Das Hantieren mit fertigen Begriffen, die Redner und Zuhörer gemeinsam hätten, mit Vorstellungen und Vorstellungskreisen, die nur leise angedeutet zu werden brauchten, sei ja bequem und mache den Vortrag geläufig. Aber es liege auch eine Gefahr darin: unmerklich bleibe man den Dingen selbst ferner, die man mit so vielen Handhaben anfassen könne. Dagegen sei der beste Schuß, daß der Professor genötigt werde, von den gewohnten Vorausseßungen abzusehen in der Darstellung seiner Wissenschaft. Jeder habe wohl schon ersehen, wie wohlthätig dieser Zwang sich geltend mache, wenn man sich im Gespräch über

Fragen seines Faches einem Manne mitteilen solle, der Verstand und Interesse entgegenbringe, aber in anderen Gedankenkreisen zu Hause sei. Auch über diese Anschauung habe ich gelegentlich Meinungsäußerungen von akademischen Lehrern hervorgerufen: denn daß diese da, wo ihnen eine andere Lehrmethode empfohlen wird, in erster Linie zu hören sind, steht ja wohl außer Zweifel; und da ist mir von mehreren Seiten (wie mir scheint, mit Recht) bemerkt worden, daß es sich nicht bloß um Vorstellungen handele, die den Nichtgymnasiasten fremd seien, sondern noch mehr um ein gewisses Maß von fremdsprachlichem Wissen, 3. B. bei der Auslegung eines für das Verständnis des römischen Rechts wichtigen lateinischen Sages. Könne, man auf solches elementare Wissen nicht bauen, so finke der akademische Vortrag unfehlbar von wissenschaftlicher Erörterung auf das Niveau einer populären Darstellung herab.

In den Anfang August fällt eine interessante Debatte in Aachener Zeitungen. Obgleich zwei Gymnasien, ein Realgymnasium und eine Überrealschule in Aachen bestehen, hat sich in den unteren Klassen besonders des Karlsgymnasiums eine solche Ueberfüllug eingestellt, daß die Notwendigkeit der Gründung wenigstens einer neuen Schule erhellt. Die Schaffung eines Progymnasiums schien der beste Ausweg. Da wurde von der dortigen „Ortsgruppe des Vereins für Schulreform“ die Gelegenheit gekommen erachtet, statt dessen ein Reformgymnasium ins Leben zu rufen. Die Ortsgruppe richtete eine betr. Eingabe an den Stadtrat, und ein Artikel des Aachener Politischen Tageblatts in Nr. 180, „Zur Erwägung für Väter und auch für Mütter“ überschrieben, machte die Idee dem größeren Publikum plausibel. In Nr. 183 desselben Blattes erfolgte dann eine Entgegnung von einem Schulmann, und ausführlich und sehr verständig wurde die ganze Angelegenheit, was die Gründung eines Reformgymnasiums im Allgemeinen und speziell in Aachen widerrät und die eines Progymnasiums rät, wohl von derselben Seite im Aachener Volksfreund behandelt, diese Erörterung auch in Sonderabdrücken verbreitet (Eremplare sind wahrscheinlich von der Direktion des Kaiser-Karl-Gymnasiums zu erhalten). Am 31. August brachte die Krenzzeitung in Nr. 406 und 407 zwei Leitartikel „Ein paar Worte zur Schulreform", die mehrere Bedenken und Wünsche bezüglich der Neugestaltung der Lehrpläne enthielten. Daß das Englische an allen Gymnasien zu einem obligatorischen Lehrfach gemacht werde, wie man dem Vernehmen nach vorhabe, scheint dem Verfasser aus mehreren Gründen bedenklich, die Wochenstundenzahl des Lateinischen noch nicht genügend durch eine Steigerung von 62 auf 69 erhöht. Wenn die drei neunklassigen Schularten bezüglich der allgemeinen wissenschaftlichen Vorbildung für gleichwertig erklärt würden, solle man die Eigenart des Gymnasiums im Lehrplan noch schärfer betonen. Die Mathematik könne in den oberen Klassen zu Gunsten der alten Sprachen und des Deutschen etwas beschränkt werden. Zugleich wird dringend empfohlen, den geographischen Unterricht, der wie kein anderer kombinierend und konzentrierend wirken könne, auch auf den oberen Stufen mit einer ihr speziell gewidmeten Lehrstunde auszustatten. — Einige Tage später meldeten verschiedene Zeitungen, daß die vorjährige Generalversammlung der Katholiken Deutschlands am 4. September einen Beschluß gefaßt habe, wonach dem Gymnasium sein humanistischer Charakter erhalten bezw. zurückgegeben werden solle; die Vermehrung der Berechtigungen für die Realanstalten sei zu begrüßen: sie werde dem Gymnasium, wenn dasselbe quantitativ auch etwas verliere, qualitativ nur nügen, weil ihm dadurch viel Ballast genommen und eine noch weitergehende „Verrealschulung“ erspart werde.

Im Oktober kam zum ersten Mal in den Münchener Neuesten Nachrichten der Widerspruch gegen die preußische Schulreform, wie er in weiten Kreisen der bayerischen Gymnasiallehrerschaft vorhanden ist, zu öffentlichem Ausdruck. In Nr. 290 dieses Blattes (vom 24. August) hatte sich ein bayrischer Kollege im allgemeinen zustimmend zu dem Vorgehen der preußischen Regierung und zu den Beschlüssen der Junikonferenz geäußert. Dem gegenüber erschien in Nr. 477 (vom 14. Oktober) ein mit G. gezeichneter Artikel in dem es unter anderem heißt: „Es ist nicht an dem, daß die Beschlüsse der Braunschweiger Versammlung bei den Freunden des humanistischen Gymnasiums in Bayern den gleichen Anklang gefunden hätten wie in Preußen. Wir glauben in Bayern noch nicht so weit zu sein,

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