bilde, das dein Vaterlande zum Segen und sich zur Freude lebe, und wir haben den Trost , daß hierbei Gott uns nicht verlassen noch versäumen werde. Halle a. S. Wilhelm Schrader. Frühere Stadien der „Berechtigungsfrage“ seit 1845. I. Als 1845 der Philologe Hermann Köchly, damals Lehrer der klassischen Sprachen an der Dresdener Kreuzschule, in der Schrift „über das Princip des Gymnasialunterrichts der Gegenwart“ die Behauptung aussprach, daß die fünftigen Mediziner auf ein Realgymnasium gehörten, erregte er damit den heftigsten Widerspruch. Er hatte dem humanistischen Gymnasium mit einer bis dahin nicht aufgestellten Beschränkung die Aufgabe zugewiesen, die Vorbereitungsschule zum selbständigen Erfassen ausschließlich der historischen oder Geistes-Wissenschaften zu sein, dem Realgymnasium die, seine Schüler für das Studium der Naturwissenschaften vorzubereiten; unter den projektierten Realgymnasien aber dachte er sich Anstalten mit ausgedehntem mathematischem und naturwissenschaftlichem und mit wesentlich beschränktem lateinischem und griechischem Unterricht “). Zugleich verlangte er übrigens auch für die humanistischen Gymnasien einige Verminderung der altklassischen Lehrstunden und ausgedehntere Berüdsichtigung der übrigen Lehrfächer, vor allem der Naturwissenschaften. Und dieselben Ansichten vertrat er dann in den Beratungen des Dresdener Gymnasialvereins, die vom November 1846 bis zum April 1848 stattfanden; insbesondere betonte er auch da die Notwendigkeit, in dem humanistischen Gymnasium neben den alten Sprachen einer größeren Anzahl anderer Unterrichtsfächer den Kaum zu schaffen, der für ihren erfolgreichen Betrieb nötig sei. Röchlys Freund und Genosse im damaligen Schulreformstreit aber, der Mediziner Prof. Dr. Eberhard Richter in Dresden, wies in dem ersten Gutachten, das er 1847 für den genannten Verein „Über die Vorbildung der Ärzte" abfaßte, nicht bloß die Mediziner den verlangten Realgymnasien zu, sondern meinte, daß auch den Theologen, Philologen und Juristen die nur von solchen Anstalten gewährte „wahrhaft allgemeine Menschenbildung“ zu wünschen sei. Veranlaßt war diese Ansicht, ebenso wie Röchlys Reformwünsche für das Gymnnasium, zum Teil durch die allerdings sehr starke Vernachlässigung der erakten Wissenschaften und der modernen Sprachen in den damaligen sächsischen Gymnasien. Als daher in dem zulegt genannten Jahr das sächsische Kultusministerium ein neues „Regulativ für die Gelehrtenschulen des Königreichs" erließ, in dem jenen Lehrfächern mehr Raum gegeben worden war, äußerte sich Richter in einem zweiten Gutachten auch weniger radikal. So meinte er, der künftige Mediziner solle fortan in Sachsen der Regel nach auf das Realgymnasium verwiesen, aber das humanistische Gymnasium ihm deswegen nicht ausdrücklich verboten werden. Wie hat sich nun in der zweiten Hälfte des abgelaufenen Jahrhunderts die zuerst im Königreich Sachsen lebhaft diskutierte Frage weiter entwickelt? Zunächst ein Wort über den mehrfach modifizierten Standpunkt, den Röchly in Zürich einnahm infolge erneuter Erwägung und neuer Erfahrungen, wie er sie in der Schweiz gemacht hatte. In den ,Thesen und Bemerkungen zu einer ein 1) a. a. D. § 10: „Zu hohe Forderungen in der Mathematik und Physik vertragen fich mit dem Wesen des Gymnasiums ebensowenig, wie dergleichen im Lateinischen oder Griechischen mit dem Wesen der Realschule. Es dürfen daher auf jene in den Gymnasien nicht mehr Zeit und Kräfte verwendet werden, als auf diese in den Realjhulen.“ heitlichen Umgestaltung unserer [d. h. der schweizerischen] Gymnasien“, die er 1861 im Neuen schweizerischen Museum veröffentlichte, heißt es unter anderem: 3ch fiche nicht an, einzugestehen, daß auch ich bei meiner Teilnahme an den Diskussionen und Plänen des Gymnasialvereins dem Encyklopädismus zu weit gehende Ron= zessionen gemacht habe“. Inter Encyklopädismus ist natürlich die pädagogische Richtung zu verstehen, welche als Ziel des höheren Schulunterrichts die „allseitige Bildung“ auf Grund einer Berücksichtigung und Einprägung der verschiedensten wissenswürdigen Lehrftoffe hinstellt. Indem S. zugesteht, dieser Richtung einen zu großen Einfluß auf seine Ansichten gestattet zu haben, ist er nicht in die Billigung des ganz einseitigen alten Lehrplans der sächsischen Gymnasien zurück= gefallen, aber er hatte erkannt, daß von höchstem Wert für die Erziehung junger Leute zu selbständigem Erfassen einer Wissenschaft eine gewisse Konzentration auf cin und zwar ein schwieriges Unterrichtsgebiet sei, in welchem der jugendliche Geist dann vom Wissen zu einem erfreulichen können, zu kräfteanstrengender und kräfte ausbildender Anwendung des Wissensstoffes fortschreiten kann; und dies Gebiet war ihm für die Gymnasien das der altklaffischen Sprachen und Litteraturen. Die Mediziner aber weist A. zwar auch jest im allgemeinen dem Realgymnasium zu, doch mit folgender einschränkender Bemerkung: „Durchaus nicht soll einer so einseitigen Berüdsichtigung der Geisteswissenschaften im Gymnasium das Wort geredet werden, daß es für die zukünftigen Studierenden der Medizin und der Naturwissenschaften unratsam wäre, das Gymnasium zu besuchen. Im Gegenteil, das Gymnasium foll die eigentliche Vorbereitungsschule für die Universität, d. h. für alle diejenigen werden, welche die Wissenschaft zunächst um ihrer felbft willen und nicht lediglich nur um des Broterwerbs willen betreiben wollen. Denn das soll in alle Zukunft der Standpunkt unserer Hochschulen bleiben. Diesen Studierenden also, denen nicht bloß darum zu thun ist, die zum praktischen Betrieb ihrer Wissenschaft notwendigen Kenntnisse und Handgriffe auf dem kürzesten Wege handwerksmäßig zu erlernen, soll das Gymnasium die gemein= same Vorbildung und Vorübung gewähren.“ 1 S In ein neues Stadium trat die Frage. zu welchen Berufen die Realschule vorbereiten folle oder dürfe, am Ende der 60er Jahre. Die Realgymnasien, in die Köchly und Richter die Mediziner weisen wollten, sollten vom sächsischen Staat erst geschaffen werden. Als Vorbild wurde manchmal die Anstalt genannt, welche meines Wissens zuerst den Namen Realgymnasium trug, das Köllnische Gym nasium in Berlin, das jeßt allerdings den humanistischen Gymnasien Preußens ganz konform gestaltet ist, aber von 1824 bis gegen Ende der 60er Jahre einen besonderen, die Naturwissenschaften und die neueren Sprachen stärker betonenden Lehrplan besaß und deswegen damals auch den besonderen Titel führte“). Nun waren aber in der Zwischenzeit in Preußen durch Aufwendungen von Kommunen eine große Anzahl neunjähriger Realschulen ohne jeden griechischen, a ber mit obligatorischem lateinischem Unterricht entstanden, deren obere Klassen wegen der geringen Anzahl der den Abiturienten zugestandenen Berechtigungen zum großen Teil sehr schwach besucht waren und deren Lehrplan und Lehrbetrieb dieje Anstalten vielen als völlig ausreichende Vorbereitungsanstalten 1) Noch nach den Schulnachrichten über das Schuljahr 1867/68 hatten die Primen dieses Gymnasiums neben 8 Std. Latein, 5–6 Std. Griechisch und 4 Std. Mathematik : 3 Std. Französisch, 2 Englisch und 2 Physik, 2 Chemie (auch Englisch und Chemie obligatorisch). Warum hat man diese Lehrplangestaltung aufgegeben? Doch nicht bloß der Konformität zuliebe? auch zu den verschiedenen Universitätsstudien und gelehrten Berufsarten erscheinen ließen, während die Unterrichts- und Prüfungsordnung von 1859 diesen Realschulen erster Ordnung, wie sie hießen, nur die wissenschaftliche Vorbereitung für solche Berufe zuwies, zu denen Universitätsstudien nicht erforderlich seien. Das veranlaßte eine Reihe von Stadtgemeinden zu Petitionen an das Abgeordnetenhau; um Erweiterung jener Berechtigungen und die Unterrichtskommission der Kammer zu dem Begehren, daß die Universitäten gutachtlich darüber gehört werden möchten, ob und inwieweit die Abiturienten von Realschulen erster Ordnung zu den Fakultätsstudien zugelassen werden könnten. Die von H. v. Mühler in Erfüllung dieses Verlangens eingeforderten Äußerungen, die 1870 unter dem Titel „Akademische Gutachten über die 3 ulassung von Realschul- Abiturienten zu Fakultätsstudien“ bers öffentlicht wurden, dürfen wohl heute von Neuem Interesse für sich beanspruchen da heute wieder mehrfach die Frage gehört wird: Was sagen die Nächstbeteiligten, die Universitäten? Jnsbesondere dürfte eine Vergleichung der in jenen Gutachten vorgetragenen Ansichten und Gründe mit den in Heft IV. de; vorigen Jahrgangs unserer Zeitschrift S. 165—200 mitgeteilten Mediziner- und Juristenurteilen nicht uninteressant sein. So mögen hier folgende Auszüge Plaß finden, in denen die verschiedenen Anschauungen von zu Wort kommen sollen. Z11 beachten ist dabei durchweg, daß unter Realschulen hier solche Anstalten zu verstehen sind, die wir gegenwärtig Realgymnasien nennen, und unter Realschul-Abiturienten (abgekürzt R.-U.) Realgymnasialabiturienten. Die theologijen Fakultäten aller neun preußischen Universitäten erklärten sich gegen die Zulassung. Unter den juristischen faßten einige die Frage so auf, daß entschieden werden solle, ob Realschul-Abiturienten zum Hören von juristischen Vorlesungen zugelassen werden könnten, nicht ob sie befähigt seien, ein regelrechtes juristisches Studium zu absolvieren und sich dadurch zu einer staatlichen oder akademischen Prüfung vorzubereiten. So erklärte die Göttinger Fakultät: es liege nach ihrer Ansicht kein Grund vor, warum R.-A. von den juristischen Studien ausgeschlossen werden sollten, zumal schon viele in die philosophische Fakultät Eingeschriebene, die solche Vorbildung genossen hätten, nebenbei auch an juristischen Vorlesungen teilnähmen; es bleibe ihnen ja überlassen, was sie dann mit ihren juristischen Kenntnissen machen wollten. Ebenso hielt Halle die Zulassung von R.-A. zu rechtswissenschaftlichen Kollegien für unbedenklich, wogegen allerdings die auf der Realschule gewährte Vorbildung für ein Studium nicht ausreiche, das zur Bekleidung juristischer Staatkämter befähigen folle. Und wenn Königsberg gleicherweise keine wesentlichen Bedenken gegen die Teilnahme von R.-A. an juristischen Kollegien zu haben erklärte, so geschah es mit der Bemerkung: es dürfe nicht als Konsequenz hiervon die Zulassung der Zuhörer zu den Prüfungen für den höheren Staatsdienst angesehen werden; nur daran könne gedacht werden, daß R.-A. sich etwa eine allgemeine rechts- und staatswissenschaftliche Bildung erwerben wollten, um in den zahlreichen Zweigen des niederen Staatsdienstes oder in kommunalen Stellungen verwandt werden zu können. Die Fakultäten der sechs anderen Universitäten aber verneinen in mehr oder minder scharfer Form die vorgelegte Frage ganz, zum Teil mit ausdrücklicher Betonung der Einstimmigkeit, und erklären die lateinisch-griechische Vorbildung des Gymnasiums als unabweisliche Bedingung eines wirklich wissenschaftlichen juristischen Studiums. Etwas anders gestaltete sich die Sache bei den medizinischen Fakultäten. Am meisten geneigt zeigte sich der Zulassung der R.-A. zu diesem Studium die fieler Fakultät. Sie fand zwar, daß das gänzliche Mangeln griechischen Unterrichts auf den Realschulen beklagt werden müsse und wenigstens fakultative Kurse in dieser Sprache während der beiden lebten Schuljahre wünschenswert seien'), meinte aber, daß als geradezu unentbehrlich das Griechische doch nicht bezeichnet werden könne. Ferner wurde bemerkt , daß es ein sehr großer übelstand sein würde, wenn die R.-U. nur zum Studium der Medizin zugelassen würden, weil dann die Meinung erweckt werden könne, als ob die algemeine Bildung der Mediziner geringer sei als die der übrigen gelehrten Berufsarten. Diesem Übelstande zu begegnen, müsse durchaus das Verlangen gestellt werden, daß die Universität fich auch für solche Abiturienten der Realschulen öffne, welche sich dem Lehrfach der Mathematit und Naturwissenschaften zuwenden wollten). 3m übrigen aber erwartete man den Zugang tüchtiger und gut vorbereiteter Schüler zu den medizinischen Studien aus den Realschulen, weil diese ihren Schülern eine Sicherheit im Gebrauch des Enga lischen und Französischen gäben, wie sie dem Arzt sehr erwünscht sei und durch das Gymnasium keineswegs geboten werde, weil ferner sich die Realschulen mit aller Kraft auf den in den Gymnasien nur sehr mittelmäßig betriebenen geograbhischen und naturwissenschaftlichen Unterricht würfen, weil sie auch die dem Arzt so wichtige Mathematik intensiver und ertensiver als die Gymnasien betrieben, weil endlich die R.-A. zugleich an die naturwissenschaftliche Methode gewöhnt würden und zu beobachten und selbständig ihr Urteil zu bilden lernten). Zugleich wurde, um eine Überschäßung der Gymnasialbildung für das medizinische Studium abzuwehren, folgens des angeführt. Bei der laren Praxis, die früher in Kiel bezüglich der Immatrikulation geherrscht, sei man öfter in der Lage gewesen, einen Vergleich anzustellen zwischen solchen Studenten der Medizin und Ärzten, welche das gymnasiale Reifeeramen bestanden, und solchen, die teils gar nicht oder doch nicht mit Erfolg bis zum Schluß ein Gymnasium besucht hätten. Von den lekteren hätten nun allerdings manche schon im Eramen oder hernach in der Praxis gar nicht genügt, andere aber hätten den Anforderungen in der Prüfung und in ihrer praktischen Laufbahn vollkommen entsprochen, obgleich sie weder ein Gymnasium noch eine Realschule erster Ordnung durchgemacht hätten, sondern in ihrer Schulbildung ohne Ausnahme weit auch unter dem an lekterer Anstaltsgattung geforderten Maß geblieben seien. Wenn diese nun eine Konkurrenz mit Gymnasial-Abiturienten sehr wohl ausgehalten, so ergebe Fich daraus, daß die Gymnasialbildung an fich für das Fach der Medizin eine überwiegende Bedeutung nicht habe. Die Professoren der Greifswalder Fakultät haben sich über die an die R.-A. gestellten Forderungen durch Schulprogramme und durch Rücksprache mit dem Direktor der Greifswalder Realschule unterrichtet und wägen nun die Vorteile der beiden Anstaltsgattungen gegeneinander ab. Die beschreibenden Naturwissenschaften würden an den Realschulen von VI bis II gelehrt, an den Gymnasien nur in VI und V4), und es wird die Unwissenheit der jüngeren Mediziner speciell in der Botanik beklagt. Die Chemie werde in den zwei oberen Klassen der Realschule, aber an den Gymnasien gar nicht gelehrt'). Auch in der Phyfit gewinne man auf dem Gymnasium keine genügende Vorbereitung, während doch klar sei, daß, wenn der junge Mensch schon auf der Schule mit den erakten Methoden der induktiven Wissenschaften bekannt gemacht werde, er sich viel eher und besser ein 1) Vgl. hierzu von den im letzten Heft des vorigen Jahrgangs unserer Zeitschrift mitgeteilten Medizinergutachten Nr. 2, 13, 18. 2) Vgl. die Medizinergutachten 2, 13. 4) Vielmehr hatte das preußische Gymnasium nach dem damals geltenden Lehrplan von 1856 Naturgeschichte in VI, V und den beiden Tertien. 5) Meine Mitschüler und ich lernten in den fünfziger Jahren an einem Gymnasium derselben Provinz, der die Universität Greifswald angehört, die Elemente der Chemie während eines Quartals der Oberprima kennen. Verständnis in der Medizin erwerben werde. Endlich wird der Nußen französischer und englischer Kenntnisse für den Mediziner in der Praris und zum Studium hervorgehoben: am Gymnasium würden diese in ungenügender Weise gelehrt, häufig komme es vor, daß Studierende mit den besten Gymnasialreifezeugnissen weder französisch noch englisch auch nur notdürftig verstünden"). Andrerseits könne in den Realschulen nicht der Grad der klassischen Bildung erreicht werden, der die Gymnasien auszeichne; und für den Arzt, der in so vielen Verhältnissen sorgend, ratend, tröstend einzutreten habe, sei eine weitgreifende allgemeine Bildung von hohem Belang”). Danach erscheint es der Fakultät am besten, den künftigen Medizinern oder vielmehr ihren Angehörigen die freie Wahl zwischen den beiden Vorbildungsanstalten zu lassen. Auch die Königsberger Fakultät stimmte für Zulassung der R.-A., aber mit der ausgesprochenen Vorausseßung, daß sie sich nur ausnahmsweise den Unis versitätsstudien zuwenden würden, und in der Meinung, daß die Gymnasialbildung immer noch die eigentliche Grundlage für die Ausbildung der Ärzte wie der höheren Staatsbeamten bleiben müsse. Die auf das Griechische verwendete Zeit scheine besser benußt werden zu können, wenn Naturwissenschaften und neuere Sprachen im Lehrkursus eine bedeutende Stellung hätten. Aber einige Kenntnis des Griechischen sei doch nicht überflüssig schon wegen der Terminologie :), auch sei die große Bedeutung des Griechischen als allgemeinen Bildungsmittels zu beachten. Bei Vergleichung der Gymnasialabiturienten mit den H.-A. werde fich herausstellen, daß in Hinsicht auf wissenschaftlichen Sinn und Methode des Studiums die ersteren voranstünden. Die Göttinger Fakultät spaltete sich bei der Beschlußfassung in eine Majorität von fünf und in eine Minorität von vier Mitgliedern. Die Mehrheit verkannte den Wert der klassischen Studien nicht: sie würde an den künftigen Ärzten ungern die Fertigkeit im Gebrauch der lateinischen Sprache und noch weniger gern die Bekanntschaft mit den griechischen Quellen der allgemeinen Kultur und der medizinischen Wissenschaften vermissen“). Aber schlimmer erscheint ihr der Mangel an mathematischer und naturwissenschaftlicher Vorbildung, der das vielleicht nicht notwendige, aber faktische Resultat des Übergewichts sei, das die Gymnasien den philologischen Studien einräumten. Der Realschulunterricht sei deswegen geeigneter, um Sinn und Phantasie für die Auffassung förperlicher Verschiedenheiten zu wecken. Ferner wird eine Entschädigung für die geminderte Kenntnis der alten Sprachen von der erfolgreicheren Behandlung der neueren erwartet und darauf hingewiesen, wie wichtige Bildungsmittel dem Arzt die neuere französische und englische Litteratur biete. – Die Minorität wünscht dagegen, auch gegen die Richtung der Gegenwart die altklassische Schulbildung als unerläßliche Bedingung für das Studium der Medizin solange als möglich festzuhalten: erlasse man den Ärzten jene Vorbildung, so würden sie, als Halbgebildete, die Stelle der früher aus den chirurgischen Schulen hervorgegangenen sogenannten Medico-Chirurgen einnehmen. Die fünf übrigen medizinischen Fakultäten in Preußen verneinten die gestellte Frage, die eine allerdings mit Anfügung eines Separatvotums. Die Marburger medizinische Fakultät hatte, wie wir aus ihrer Meinungsäußerung erfahren, bereits unter furfürstlichem Regiment in der Mitte des Jahrhunderts wiederholt Gutachten abgegeben, in denen sie sich gegen die Zulassung 1) Auch hier sehen die von mir als Schüler gemachten Erfahrungen wesentlich anders aus: am Stettiner Marienstift wurden in den Primen französische und englische Aufsäke gemacht, 2) Vgl. die Medizinergutachten 4, 14 (Absatz 7), 27. |