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IV, 5

Fabrikbäder und Volksbadeanstalten.

Volksbäder.

Von

Prof. Dr. 0. Lassar (Berlin).

Diesem Kreise auseinanderzusetzen, welche hygienische Bedeutung den Volksbädern und ihrer Verbreitung zukommt, wäre gewiß überflüssig. Denn die Hebung und Förderung der Volksbäder bildet unbestritten eine Kulturaufgabe praktischer Gesundheitspflege. Ueberall verdient sie in den Vordergrund des öffentlichen Interesses gestellt zu werden. Dafür sollten auch wir hier eintreten und die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf diese Angelegenheit hinlenken. Geschieht dies nicht stets von neuem, so schläfert sich das öffentliche Bewußtsein und Gewissen gemeiniglich leicht wieder ein. Dringendere, aktuelle Forderungen drängen sich vor und lassen manche auch bereits als erforderlich und notwendig erkannte Einrichtung öffentlicher Bäder wieder in Vergessenheit zurücktreten. Nur unablässiges Betonen der prophylaktischen, hygienischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung von Volksbädern kann allmählich zum Ziele führen. Allerdings tauchen neuerlich vielerorten und zahlreich Pläne und Projekte auf. Doch nur ein Teil gelangt zur Ausführung und dann meist erst nach geraumer Zeit. Alles was geschieht, bildet trotzdem nur eine Abschlagsleistung gegenüber dem Bedürfnis, welches überall in der Bevölkernng erweckt und befriedigt werden sollte. Es mag einem Spiel der Phantasie überlassen bleiben, sich auszurechnen, wie viel Badeanstalten und Privatbäder existieren müßten, damit alle Einwohner, sei es zu Hause, an ihrer Arbeitsstätte oder an öffentlichen Orten baden können notabene wenn sie sich dazu geneigt fühlen. Dazu kommt, daß Badeund Arbeitszeit (außer etwa in Fabriken) sich ausschließen. Während der Schul- und Kontorstunden, wenn Handel und Wandel den Werktag in Anspruch nehmen, stehen die Badeanstalten leer. Auch die Frauen haben dann außer der Berufsarbeit im Hause zu tun. Nachmittags erst und Abends, in den Frühstunden der Feiertage tritt überhaupt die Möglichkeit ein, das Bad aufzusuchen. Drängt sich dann die Menge zusammen und es vergehen in verkehrsreichen Anstalten lange Zeiträume, bis der Einzelne herankommt, so verliert sich die Lust; statt der gesuchten Erfrischung und Erholung tritt Abspannung ein. Allerdings macht nur ein verschwindender Teil der Einwohnerschaft von Bädern Gebrauch. Wäre dem anders, so würde der Mangel weit besser

hervortreten. Jetzt badet nur, wer Lust und Gelegenheit hat. Fehlt diese, so schlummert jene allmählich ein und umgekehrt. Das lehrt die Geschichte, das zeigt der Vergleich zwischen den Nationen. Wird jedoch im Hinblick auf den jetzt mehr und mehr aufdämmernden Begriff der allgemeinen Badenotwendigkeit mit Aufwendung aller Energie, mit ersprießlicher Bekämpfung von Lethargie und Vorurteilen hier und da ein öffentliches Bad neu geschaffen, dann ist das Gewissen der führenden Faktoren für lange Zeit hinaus beruhigt. Selten wird bedacht, daß mit einer Einzelanstalt nur kleineren Ortschaften Genüge geschieht. Der Zug in das Große und Allgemeine fehlt. Er muß fehlen, weil für solche als Luxusausgaben betrachtete Bauten und Betriebe Geldmittel nur in ungenügendem Maße und mühselig aufgebracht werden können. Dazu die Frage: wer soll die Kosten tragen? Unlängst noch waren fast überall die Bäder der Privatindustrie überlassen. So die Warmbadeanstalten, so auch vielfach die an Unternehmer verpachteten Gewässer. Mit Bädern aber ist ein großes und erfolgreiches Geschäft wohl nur ausnahmsweise zu machen. Der Aufwand an Bodenbesitz, Installation, Betrieb, Materialverbrauch, Ruin durch Wasser und Seife, endlich das Publikum selbst, stehen im Mißverhältnis zum erzielbaren Gewinn. Dies ist im allgemeinen Interesse sowie des Besitzers selbst zu beklagen. Denn überall gewinnt eine gute Sache an Volkstümlichkeit und Existenzfähigkeit, wenn sie auf reeller wirtschaftlicher Grundlage beruht und das Interesse, Geld damit zu verdienen, alle Spannkräfte in Bewegung setzt. Wie heute elektrische Werke aus ihrem Gewinn hohe Privilegsteuern abgeben, so zogen einst die Städte Regalien aus den Badstuben des Mittelalters. Möchte eine gutgeleitete Industrie sich zur Jetztzeit des öffentlichen Badewesens von neuem annehmen, so wäre die Zukunft und der Bestand des öffentlichen Badewesens gewiß für lange Zeit hinaus gesichert. Einstweilen sind die Inhaber der Privatbäder im allgemeinen in verhältnismäßig mißlicher Lage. Bestehen und gedeihen könnten sie nur bei reichlichstem Konsum ihres Angebots. Dieser fehlt, und dazu kommt vieler Orten der Wettbetrieb großer mit öffentlichen Mitteln reich ausgestatteter Institutionen, gegen die der Einzelne, nicht einmal eine gemeinnützige Erwerbsgesellschaft, auf die Dauer schwerlich aufkommen kann. Somit gleitet die Aufgabe, für Bäder zu sorgen, mehr und mehr in die Hand der Gemeinde-Verwaltungen über. Dies ist eine Frage von eminent sozial-politischer Bedeutung. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis es klar wurde, daß Kommunen die Pflicht, nein auch das Recht haben, mit den Steuerbeträgen ihrer Mitbürger Bäder zu bauen und zu betreiben. Die Ueberzeugung, daß es sich hierbei um eine Angelegenheit der öffentlichen Wohlfahrt, eine Sache der Volksgesundheit und SittenErziehung handelt, greift nur ganz allmählich Platz. Doch weshalb sollen die Städte und Dörfer, wenn sie das Feuer löschen und die staubigen Straßen mit großen Wassermengen überschütten, warum sollen sie nicht auch durch Reinlichkeit gegen Epidemien vorarbeiten und die arbeitsbestaubten Mitmenschen mit lauwarmem Seifwasser begießen, sie abhärten mit kalten Brausen und Bädern, die Schwimmerei begünstigen und ein gesundheit frohes Volk erwachsen lassen. In diesem Sinne möge auch unsere denkwürdige Versammlung vor aller Welt sich

zu folgendem Ausspruch bekennen: Die Einrichtung und Pflege von Naturbädern in Teich, Fluß und See, die Einführung des obligatorischen Schwimm-Unterrichts in Knaben- und Mädchen-Schulen, die Erbauung von Hallen, Schwimmbädern überall, wo die Mittel zur Verfügung stehen dies alles haben Gemeindevorstände, Lehrer und Erzieher planmäßig im Auge zu behalten. Allerdings genügt die einmalige und gelegentliche Hervorhebung dieser für uns hier Versammelten geradezu selbstverständlichen und fast gemeinplätzigen Wahrheit nicht. Vielmehr bedarf es fortfahrender Agitation durch Wort und Schrift, durch Tagespresse und Versammlungen. In diesem Sinne sucht u. a. die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder seit einer Reihe von Jahren. wirksam zu werden. Sie hat durch Preisausschreiben, Musterentwürfe, Plakate, Flugschriften, Vorträge und Wanderkongresse die Beachtung des Deutschen Volks zu gewinnen gesucht. Die Beiträge der Mitglieder dienen nicht zu Kapitalansammlung dazu sind sie einstweilen auch noch zu gering - vielmehr werden sie dazu verwendet, die Bäderfrage fortwährend im Fluß zu halten und den menschenfreundlichen Wortlaut Volksbäder durch das Ohr im Herz und Hirn der Mitlebenden zu übermitteln.

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Auch in Ungarn, Norwegen, Holland und anderen Ländern haben. sich, diesem Beispiel folgend, Schwester-Gesellschaften konstituiert und werden zuversichtlich in gleicher Weise dieses Ziel internationaler Hygiene erfolgreich zu erreichen streben. Beschränkt sich die Forderung doch nicht auf Einzelfragen allein. Im Hintergrunde steht die aktive Pflege der menschlichen Gesundheit bei Angehörigen jeder Lebenslage. Die Naturbäder erstrecken ihre Wirkung nur auf beschränkte Jahreszeit, Altersklassen, Lebensgewohnheit. Deshalb sind außerdem in städtischen und ländlichen Gemeinden zur Förderung körperlicher Reinlichkeit öffentliche und zu jeder Jahreszeit gebrauchsfähige Bäder einzurichten. Ueber das Wie" wird man sich an Ort und Stelle zu entscheiden haben. Hier sprechen Geschmacksrichtung und persönliche Auffassung mit. Jeder will sein Haus, jede Gemeinschaft ihre Bäder besonders gestalten. Möge dies der Einzel-Initiative überlassen bleiben. So wird Schematismus, Zwang und Gegensatz vermieden. Allerdings wäre nach Kräften jederzeit zu betonen, daß das Einfachste und Anspruchslose allein geeignet ist, für den größeren Teil der Bewohnerschaft zu sorgen. Meist will man zu hoch hinaus. Entweder monumentale Bauten oder lieber einstweilen Nichts. Da aber für jene die Mittel nicht auszureichen pflegen, so bleibt es vielfach beim Zuwarten. Oder das aufgebrachte Kapital kommt einem kleineren Kreise Nächstwohnender und Liebhaber des Bades zugute, statt sich überall in der Stadt nutzbringend, wenn auch in unscheinbarer Form zu verwerten. Von der übeln Sparsamkeit in bezug auf billiges Material ist man wohl allgemein abgekommen, seit erkannt ist, daß nur die solideste Ausstattung Gewähr für ökonomische Nutzfähigkeit leistet. Die klassische Form des wirklichen Volksbades und seiner Modifikationen für Schulen, Soldaten, Arbeiter bleibt nach wie vor das Brausebad. Seine Vorzüge bestehen in tunlichster Ausnutzungsfähigkeit von Raum und Zeit, von Wasserverbrauch, Heizung, Bedienung und allen anderen Aufwendungen. Mit ihm allein können

große Reihen von Badenden prompt und in kurzer Frist gründlich gereinigt werden. Prophylaktisch gibt es einstweilen eine einwandsfreiere Art nicht. Reines Wasser strömt zu, das gebrauchte ab. Damit ist alles gesagt. Jede Verunreinigung der Badestätte ist ausgeschlossen, jeder Uebertragung von einem Individuum auf das nächste vorgebeugt. In eine Wanne sollte man sich nur setzen, wenn sie vorher ausgescheuert ist. Dies pflegt aber nur unter straffer Aufsicht zu geschehen, mithin in der Regel schwerlich. Brausebäder vor allen. Eins schließt aber das andere nicht aus. Nur sollten zweckdienlicher Weise luxuriöse Bäder erst da entstehen, wo die einfachsten bereits vorhanden sind. In Wirklichkeit kann dies nur ein Ratschlag sein, da sich niemand etwas vorschreiben lassen will. Doch ist wohl Aussicht gegeben, daß die Douchebäder warm und kalt, mit Seife und Handtuch mehr und mehr das Prototyp bilden werden. Auch sie sind weiterer Verbesserung fähig. So hat der Stadtbaurat von Bonn Herr Schultze den Vorschlag gemacht, Hallen-Brausebäder zu schaffen, wo sich im gemeinsamen Raum eine Anzahl von Personen zwanglos abreinigen kann gewiß ein einleuchtender und fruchtbarer Gedanke. Auch die Badstubenbewegung, wie sie von Rußland, namentlich über Finnland auf die skandinavischen Länder übergeht, wird je nach Auffassung der Bevölkerung Anklang finden. Jedenfalls stellen diese primitivsten Dampfbäder eine überall und leicht erschwingliche Herrichtung dar, deren Verbreitung nur als erwünscht zu gelten hat.

Die Grundlage für jede höhere Entwicklung bildet die Schule. Auch in bezug auf das Bad. Schulbäder sind in allen Schulanstalten notwendige Bestandteile. Für Volksschulen wird dies bereits ziemlich allgemein anerkannt. Größere Städte bauen keine neuen Schulen ohne Schülerbad, wenigstens in Deutschland. In alten Anstalten läßt man es vielfach bei dem bestehenden Zustand bewenden und der Fortschritt dürfte sich somit nur langsam gestalten. Auch ist fast nirgends das höhere Schulwesen in gleichem Sinne bedacht worden. Gymnasien aller Art und ähnliche Erziehungsinstitute, zumal Seminare, sollten über Schüler- und Lehrerbäder verfügen. Nur ein geringer Prozentsatz der Besucher besitzt ein eigenes Hausbad. Umgekehrt könnten die. Schulbäder außerhalb der Unterrichtszeit sehr wohl von Angehörigen und Publikum benutzt werden, wie dies schon jetzt mit Turnanstalten geschieht. Auch sei darauf hingewiesen, daß Turnerei, Bäder und Volksbibliotheken der Kombination wohl fähig sind. Hierfür sind wie in Danzig und Magdeburg schon Beispiele erprobt. Aus den höheren Schulen gehen die leitenden Kräfte hervor, die ihr Wissen und Können für das Wohl des Volkes einsetzen. Niemand mehr als sie sind berufen, auf eigener wohltätiger Erfahrung fußend, für eine erneute Bäderkultur im Vaterlande einzutreten. Dann wird es auch vielleicht dahin kommen, daß das Dorfbad sich aus vereinzelten Anfängen zu einer allgemein gültigen Institution erhebt. Einstweilen spielen Unkenntnis, Armseligkeit der Verhältnisse, Gleichgültigkeit und Wassermangel eine zu große Rolle, um wesentliche Abhilfe zu gewärtigen. Wir haben einen Wettbewerb für mustergültige Dorfbäder ausgeschrieben und vortrefflich brauchbare Ergebnisse erzielt. Hier handelte es sich um eine ganz neue Aufgabe, deren Gedanken wir dem

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erfindungsreichen und für das Badewesen unermüdlich tätigen Baurat Herzberg, meinem verehrten Korreferenten, verdanken. Baulichkeit, Maschinerie, Wassergewinnung sind auf dem flachen Lande ganz andere Dinge als inmitten verkehrsreicher Stadtbetriebe. Die Resultate der Konkurrenz: Dorfbad" und deren Bearbeitung sind in einem Sonderhefte erschienen, das von der Geschäftsstelle der Gesellschaft für Volksbäder, Berlin NW. 6, Karlstraße 19, gern wie andere Drucksachen gleichfalls auf geäußerten Wunsch den Freunden der Sache zugestellt wird. Auch haben sich seither bereits eine Anzahl ländlicher Gemeinden und Grundbesitzer um Auskunft dorthin gewandt. Der Begriff Dorfbad ist eingeführt und damit weiterer Entwicklung gewiß. Rühmlich ist in dieser Beziehung die Armee vorgegangen. Sie war die erste Instanz, welche die Regenbäder für ihre Soldaten in Verwendung zog, und es hat nur verhältnismäßig wenige Lustra gedauert,. bis jede Kaserne und jeder Truppenteil damit ausgerüstet worden ist. Sie hat damit auch das Paradigma für Volksbrausebäder gegeben. In Hinblick auf die damals in Entstehung begriffenen Militärdouchen entstand in mir die Idee, Volksbrausebäder zu dem bis dahin ungekannt billigen Preise von zehn Pfennigen zu beschaffen. Nächst der Schule leistet die Armee den größten Beitrag zur Volkserziehung auch in bezug auf das Baden und die körperliche Reinlichkeitspflege. Diese Auffassung beginnt auch in den anderen Kulturstaaten maßgebend zu werden. Wie Offiziere und Mannschaften sollten auch die Arbeiter in jeder Fabrik oder sonstigen größeren Stätte baden können. Zuvörderst gilt dies für alle Betriebe, wo giftige oder sonst gesundheitschädliche und schmutzige Arbeiten zu verrichten sind. Allerdings wird Ersprießliches nur da zu erreichen sein, wo das Baden nicht von der Arbeitszeit abgezogen wird. Daß nach deren Schluß die nach Hause drängenden Leute noch langen Aufenthalt im Reinbad nehmen, kann nur bei weitgehender Berußung und Bestäubung erwartet werden. Auch kommt die Kleiderfrage in Betracht. Wer will sich reinbaden und dann wieder Arbeitskleider anziehen? Daran scheitert auch vielfach der Gebrauch der öffentlichen Anstalten. Auf dem Heimwege begriffen, können die Arbeiter weder Wäsche noch Gewand wechseln. Dies ist meist nur möglich, wenn sie es in der Werkstatt selbst besorgen können. Ferner ist in Betracht zu ziehen, daß viele in abhängiger Stellung Befindliche das Gratisbad, weil es ein Geschenk ist, ablehnen oder unterschätzen, andererseits jedoch selbst kleine Beträge von fünf oder acht Pfennigen für andere, genußreichere Auslagen zurückhalten. So krankt, dies sei hier offen ausgesprochen, die Entwicklung eines volkstümlich allgemeinen Bäderwesens vielfach noch an schwer überwindlichen Umständen, die teils in der Natur der Sache, teils im Gemüt der Menschen begründet sind.

Zu diesen Schwierigkeiten gehört in erster Linie die Kapitalbeschaffung. In Deutschland bedürfen die größten geldstarken Organisationen, d. h. die Krankenkassen und die Landesversicherungsanstalten, einer ihnen bisher nicht einwandsfrei oder gar durchweg erteilten gesetzlichen Erlaubnis, um ihren Angehörigen aus prophylaktischen, gesundheitsstärkenden Gründen und in eigener Iniative Bäder zu verschaffen, Die Krankenkasse hat sich nur mit dem Kranken zu be

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