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Fürsorge für Blinde, Taubstumme, Idioten und Epileptiker; die Debilen und Psychopathen aber sind im Gesetz nicht mit aufgezählt, nicht etwa, weil der Gesetzgeber diese Gruppe Hilfsbedürftiger ausschließen wollte, sondern einfach, weil sie seinerzeit dem Gesetzgeber als eine besondere Gruppe noch gar nicht bekannt war. Diese Lücke im Gesetz macht sich den beteiligten Kreisen täglich fühlbar: den Vormundschaftsrichtern, die das eingeholte psychiatrische Gutachten bezüglich der geeigneten Unterbringung des Mündels nicht verwirklichen können, den Pädagogen, deren Erfolge in der Schule durch unzulängliche oder zweckwidrige Einwirkung des Elternhauses vernichtet werden, den Aerzten, speziell den Nerven- und Kinderpolikliniken, die wohl wissen, was zu geschehen hätte, die aber aus Mangel an geeigneten Anstalten und vor allem an einem Kostenträger für das Heilerziehungsverfahren ratsuchenden Eltern ratlos gegenüberstehen. Selbst wenn Selbst wenn es gelänge, private Mittel für den Bau von Heilerziehungsanstalten flüssig zu machen, ähnlich wie seinerzeit bei dem Bau von Lungenheilstätten, so müßte dennoch auf legislativem Wege ein Kostenträger für das Heilerziehungsverfahren geschaffen werden, wie ihn bei den Lungenheilstätten die Landesversicherungsanstalten darstellen.

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3. Um eine Ueberfüllung der Heilerziehungsanstalten zu vermeiden, müssen die schweren Fälle nach wie vor in den Kinderabteilungen bzw. Idiotenschulen der Irren- und Idiotenanstalten untergebracht werden. Ferner ist an die Heilerziehungsanstalten ein ausgedehntes System der Familienpflege unter der zentralen Kontrolle der Anstalt anzugliedern. Endlich würden in den leichtesten Fällen Kinderhorte" oder „Tagebewahranstalten", die im Anschluß an den Schulunterricht die Kinder für den übrigen Teil des Tages aufnehmen und nur abends zur Familie entlassen, eine ärztlicherzieherische Behandlung auch ohne gänzliche Entfernung des Kindes aus der Familie ermöglichen, vorausgesetzt, daß diese Horte hygienisch eingerichtet, mit den nötigen Bildungs- und Beschäftigungsmitteln ausgestattet, von sachverständiger pädagogischer Seite mit den erforderlichen Hilfskräften geleitet und. ärztlich überwacht werden.

Die Vorbereitung auf die Schule durch besondere heilpädagogische Kindergärten ist sehr zweckmäßig, noch wichtiger jedoch die Fürsorge für die schulentlassenen geistig-abnormen Kinder; sie bedürfen einer besonderen Berufsbildung von Lehrkräften, die mit der Eigenart der Kinder vertraut sind. Es sind demnach im Anschluß an die Fortbildungsschule für Hilfsschulentlassene Berufsbildungsstätten zu gründen - Flickund Nähschulen, Koch- und Haushaltsschulen für Mädchen, Korb- und Holzbearbeitungsschulen, Streicher- und Töpferschulen für Knaben, in denen ein großer Teil der Kinder in einer ihrer Neigung und Fähigkeit entsprechenden Weise zu halben Kräften" im Dienste

der Gesellschaft erzogen werden kann. Auch im Anschluß an die Heilerziehungsanstalten sind solche Berufsbildungsstätten zu schaffen.

4. Die erforderlichen Mittel werden von Kommunen, Provinzen und Privaten in demselben Maße bewilligt werden, als die Erkenntnis wächst, daß es sich im Grunde nur um eine zweckmäßigere Verwendung schon bestehender Lasten, auf die Dauer sogar wahrscheinlich um Ersparnisse handelt. Denn: das Verbrechen, die Prostitution, Vagabondage, Geisteskrankheiten rekrutieren sich gerade aus den Kreisen derjenigen Kinder, die der Heilerziehung bedürfen und durch Heilerziehung zu retten sind.

Aufgabe des Staates aber ist die Förderung wissenschaftlicher Bestrebungen zur Erforschung der körperlichen und geistigen Entwicklung normaler und abnormer Kinder. Das täglich an Bedeutung wachsende Gebiet der Medikopädagogik bedarf eines eigenen Institutes in Berlin mit einer ärztlichanthropologischen, pädagogisch-psychologischen und psychophysikalischen Abteilung. Das Institut würde eine zum dringenden Bedürfnis gewordene Fortbildungsanstalt darstellen für den Juristen, speziell den Vormundschaftsrichter, den Arzt an höheren Schulen, Volks- und Hilfsschulen, die ärztlichen und pädagogischen Leiter und Mitarbeiter an Fürsorge- und Heilerziehungsanstalten; es könnte endlich die Seminarbildung des Lehrers ergänzen nach der Seite der Anthropologie und Psychologie des Kindesalters, der experimentellen Pädagogik, der pädagogischen Pathologie und Therapie.

Das Institut müßte die Individualpsychologie pflegen, die Sammelforschung organisieren; es könnte die Personalbogen der Hilfsschulen, der Fürsorge- und Heilerziehungsanstalten sammeln und einheitlich verarbeiten. Späterhin wäre dem Institut eine Beobachtungsstation (für jugendliche Angeschuldigte, für vorläufig unterzubringende Fürsorgezöglinge usw.), auch eine Muster- und Uebungsschule anzugliedern, wie sie Japan schon heute besitzt.

Ein medikopädagogisches Institut in Berlin ist notwendig, wenn Preußen seine zentrale Stellung im Erziehungswesen bewahren will!

Sektion IV.

Berufshygiene und Fürsorge für

die arbeitenden Klassen.

(Diskussion und Vorträge finden sich in Bd. IV.)

IV, 1

Die Ermüdung durch Berufsarbeit.

Von

Regierungsbaumeister W. Eisner, Ober-Ingenieur der Berliner
Städtischen Wasserwerke.

Die 4. Sektion des Brüsseler Kongresses ist der Hauptsache nach zu dem Resultat gekommen, daß sich als Folgeerscheinungen einer Ermüdung durch Berufsarbeit gewisse medizinische und physiologische Aenderungen des normalen körperlichen und geistigen Zustands des Arbeiters feststellen lassen, bei deren wiederholtem Eintreten eine dauernde gesundheitliche Schädigung anzunehmen sei, daß aber derartige Beziehungen zwischen Arbeit und Arbeiter numerisch bisher nicht klarlägen.

Der Ingenieur kann medizinisch und physiologisch wissenschaftlich natürlich nicht mitsprechen. Er hat aber während seiner Ausbildung Berufsarbeit, wie sie hier in Frage kommt, selbst geleistet und kann sich danach auch in andere nicht selbst geleistete Arbeiten hineindenken, so daß ihm ein Urteil über die subjektiven Empfindungen des Arbeiters bei seiner Arbeit zusteht.

Bezüglich der Arbeit selbst ist zu beachten, daß sich gleich benannte Berufsarbeiten in erheblich ungleicher, zum Teil individueller Weise aus verschiedene Anforderungen stellender Tätigkeit und verschiedenen Arten von Ruhe zusammensetzen, und daß solche Unterschiede bei demselben Arbeiter und derselben Arbeit täglich und stündlich vorhanden sind.

Es werden ganz individuelle kleine Pausen auch bei der leichtesten Arbeit gemacht, erklärlich daraus, daß der Mensch keine zwangläufig in Bewegung bleibende Maschine ist. Außerdem macht jeder Arbeiter bei weniger leichter Arbeit kurze Pausen, die oft zwar nur nach Minuten, eventuell sogar Bruchteilen derselben zählen, die aber für den Augenblick ausreichen, um die arbeitenden Gliedmaßen durch Strecken etc. aus der Arbeitsstellung in eine andere zu bringen und dadurch einen für die weitere Arbeit günstigen Einfluß auszuüben. Der Arbeiter fühlt instinktiv, daß er damit dem vorzeitigen Versagen vorbeugt, und niemand verwehrt ihm diese Ruhepunkte, wenn auch die Ansichten über ihre erforderliche Häufigkeit und Länge natürlich oft verschieden sind. Bei schwerer Arbeit ist eine gewisse Ruhe nach einer mehr oder weniger großen Anzahl einzelner Arbeitsvorgänge schon dadurch geboten, daß ohne diese Ruhe der nächste Arbeitsvorgang sich nicht

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