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verständlich, wenig leisten, wir müßten denn täglich sämtliche Kinder durchmustern. Hingegen ist Anregung zur Durchführung der sanitätspolizeilichen Bestimmungen vielfach unsere Pflicht. Die neuen Anweisungen zur Verhütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten in Preußen vom 9. Juli 1907 werden nur mit Hilfe des Schularztes völliges Leben erlangen. Krätze und ansteckende Pilzkrankheiten der Haare, wie sie z. B. in einer Schweizer Stadt die Kinder zu Hunderten befiel, und nicht zuletzt die egyptische Augenkrankheit können nur durch ihn aus der Schule ausgemerzt werden. Leider beansprucht auch der Kampf gegen die Läusesucht immer noch überall einen großen Zeitaufwand. Ohne die Möglichkeit, zwangsweise Reinigung verfügen zu können, kommt der Schularzt hier nicht aus.

Welchen Beitrag vermag nun der Schularzt zur Bekämpfung der wichtigsten Infektionskrankheit, der Tuberkulose, zu liefern? An offener Lungentuberkulose leidende Kinder sind in der Schule selten, und da sie meist schwer leidend sind, relativ leicht zu erkennen. Auch werfen sie meist nicht aus und sind daher verhältnismäßig ungefährlich. Bedenklicher sind sie jedoch in Alumnaten und Waisenhäusern, und es dürfte nicht vorkommen, daß sie bis kurz vor dem Tode dieselben Räume mit ihren Kameraden teilen. Gerade hier wären gesetzlich vorgeschriebene regelmäßige Kontrolluntersuchungen sehr am Platze. Für die Schule am gefährlichsten ist ein schwindsüchtiger Lehrer. Einer schulärztlichen Kontrolle sind aber die Lehrer nirgends unterstellt. Wenn man Bedenken trägt, die schulärztlichen Kompetenzen dahin zu erweitern, so müßte man den Schulleiter verpflichten, von schwindsuchtsverdächtigen Lehrern ein Attest eines beamteten Arztes einzufordern, statt, wie die vorher zitierte Anweisung verlangt, nur auf eine ärztliche Untersuchung zu dringen. Die krank Befundenen müßten nach Dänemarks Beispiel mit vollem Gehalt vom Amt suspendiert werden.

Unsere Hauptaufmerksamkeit gilt demnach in der Schule den Kindern, die, ohne für ihre Umgebung gefährlich zu sein, bereits tuberkulös erkrankt sind. Die Frage ist nur, ob wir diese Fälle als solche erkennen können. Wenn wir die Vorschriften Grancher's lesen und an unsere eigene Sprechstundentätigkeit denken, müssen wir zugeben, daß die Feststellung latenter Tuberkulose außerordentlich viel Zeit und Mühe beansprucht. Selbst fortlaufende Untersuchungen, Temperaturmessungen und Wägungen führen oft nicht zur Gewißheit. Wer freilich auf Grund eines etwas hauchenden Exspiriums am hinteren Teil der rechten Lungenspitze eine Bronchialdrüsentuberkulose diagnostizieren zu müssen glaubt, könnte 70% aller Gemeindeschüler Berlins für tuberkulös erklären. Die bescheidene Aufgabe des Schularztes ist vielmehr, Verdacht zu schöpfen und denselben, wenn die Untersuchung versagt, durch Rücksprache mit Eltern und Lehrer vorläufig zu begründen. Die weitere Tätigkeit liegt dem Hausarzte ob, oder, da es sich meistens um Minderbemittelte handelt, den Fürsorgestellen für Lungenkranke. Ernährungen der leicht Erkrankten und Verdächtigen von Schulwegen, wie sie Grancher eingeführt hat, bleiben daneben sehr wünschenswert. Wo solche Einrichtungen nicht existieren, beschränkt sich die Tätigkeit des Schularztes diesen Kindern gegenüber auf dasselbe, was er bei allen nicht gedeihenden zu tun hat.

Wir kommen damit zu einem besonderen Zweig der Tätigkeit des Schularztes, der an einer Schule mit ärmerer Bevölkerung wirkt. Wohl hat er, ebenso wie bei der Aufnahmeuntersuchung geschildert wurde, auch späterhin das Elternhaus anzuregen, daß es für das leidende Kind tut, was es nach seinen Kräften vermag. Sein Hauptstreben aber muß dahin gehen, den Bedürftigen alle Wohltaten sozialer Fürsorge zu verschaffen, wie Schulfrühstück, Ferienkolonie, Soolbäder oder gar Aufnahme in die Waldschule, mit der Charlottenburg glücklicherweise nicht mehr allein steht. Die zweckentsprechende Benützung dieser Einrichtungen ist nur mit Hilfe des Schularztes möglich. Eine wichtige pädagogische wie hygienische Ergänzung unserer Bestrebungen wäre die Errichtung zahlreicher Jugendheime.

Wenn wir aber eine solche individuelle Tätigkeit vom Schularzt erwarten, dann darf die Zahl der ihm unterstellten Kinder keine zu große sein. Die Zeit, die der praktische Arzt gerade während der Schulstunden zur Verfügung hat, ist doch nur beschränkt. So glaube ich, daß einem einzelnen höchstens 1200 Kinder zugewiesen werden dürfen.

Bei meinen bisherigen Ausführungen hatte ich nur den Schularzt an Volksschulen, die sich wesentlich aus unbemittelten Schichten der Bevölkerung rekrutieren, im Auge. Von selbst versteht es sich, daß er sich in mittleren und höheren Schulen sehr viel mehr zurückhalten muß und nur in amtlicher, sozusagen unpersönlicher Weise mit den Eltern der Schüler verkehren darf. Hierfür scheint mir der Schularzt im Hauptamt geeigneter zu sein.

Mit der Beurteilung der Tätigkeit des einzelnen Schularztes werden wir der Bedeutung des Systems doch nicht ganz gerecht. Die Einführung einer so großen Zahl von Aerzten in die Schule hat ihr Verständnis für die Bedürfnisse und Einrichtungen der Schule geweckt, und ebenso wie wir Anregung durch die Pädagogen erfahren haben, hoffen wir auch den Pädagogen Anregung gebracht zu haben. Der lebhafte Meinungsaustausch, der sich in den schulhygienischen Zeitschriften entwickelt hat, ist in diesem Sinne zu begrüßen. Nur von einem Zusammenwirken von Arzt und Lehrer ist eine gedeihliche hygienische Fortentwicklung unserer Schulen zu erwarten.

Ich habe versucht, Sie, meine Herren, in die Werkstatt des Schularztes einzuführen. Ich hoffe, daß Sie mit mir die Ueberzeugung teilen, daß es auf das Schema wenig ankommt, sondern daß alles von der Persönlichkeit abhängt. Hierin beruht Stärke und Schwäche jeglichen. Schularztsystems. Auch hier heißt es wie überall: Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

III, 6

Die Frage der Ueberarbeitung in der Schule.

Von

Prof. Dr. A. Czerny (Breslau).

Bei der Frage der Ueberarbeitung in der Schule handelt es sich mehr darum, einem weitverbreiteten Vorurteil entgegenzutreten, als einem sichergestellten Uebel abzuhelfen. Ueberarbeitung kann sich nur durch Ermüdungssymptome äußern. Da sich diese nach jeder Arbeit einstellen, so kann von Ueberarbeitung erst dann die Rede sein, wenn sie einen pathologischen Grad erreichen. Man spricht auch von Ueberarbeitung, wenn sich zwischen der geleisteten Schularbeit und den Ermüdungssymptomen ein grobes Mißverhältnis ergibt.

An Untersuchungen über Ermüdung von Schulkindern fehlt es nicht. Sie gestatten aber keine Entscheidung der uns vorliegenden. Frage. Die Ermüdung ist eine subjektive Empfindung, welche durch Ablenkung von der Ursache leicht zu beeinflussen ist. Dadurch ergeben sich bei allen Messungen der Ermüdung von Schulkindern Fehlerquellen, welche sie vollständig entwerten. Selbst davon abgesehen, erfahren wir aber mit ihrer Hilfe nichts anderes, als daß es Kinder gibt, die bei gleicher Inanspruchnahme mehr, und solche, die weniger leicht. ermüden.

Die Schulärzte haben die uns vorliegende Frage bisher nicht gelöst. Wir sind deshalb genötigt Umschau zu halten, ob wir von anderer Seite dazu Material erhalten können. Dieses findet sich in den Erfahrungen der Lehrer, der Eltern der Kinder und der praktizierenden Aerzte.

Die Folgen der Ueberarbeitung können sich sehr bald, also noch in der Schule, oder erst später an den Kindern äußern. Im ersteren Falle können die Lehrer und Lehrerinnen Auskunft erteilen. Sie sind genötigt bald dies, bald jenes Kind aus der Schule nach Hause zu schicken, weil sie den Eindruck haben, daß dasselbe dem Unterrichte nicht mehr folgen könne oder sich bei ihm Krankheitserscheinungen zeigen. Bei einem Teil dieser Kinder handelt es sich um den zufälligen Ausbruch einer Krankheit während der Schulstunden. Fälle haben nichts mit Ueberarbeitung in der Schule zu tun. bleibt aber noch eine große Zahl von Fällen übrig, in welchen die während des Unterrichtes einsetzenden Krankheitserscheinungen nicht in dieser Weise zu erklären sind. Die Lehrer bemerken, daß manches Kind während des Unterrichtes sein Aussehen ändert. Es wird blaß und hat einen müden Gesichtsausdruck. Manchmal gesellt sich dazu

Diese

Es

Schläfrigkeit und häufiges Gähnen oder es kommt zu ohnmachtsähnlichen Schwächezuständen. Hier und da erfolgt so rasch Erbrechen, daß die Kinder nicht einmal Zeit finden, vorher das Schulzimmer zu verlassen. Die häufigste subjektive Klage ist die über Stirnkopfschmerzen. Werden die Kinder aus der Schule nach Hause geschickt, so verschwinden bald die Krankheitssymptome, und aus diesem Effekt läßt sich der Schluß ableiten, daß wohl die Schule das auslösende. Moment gebildet hat. Keinesfalls ist es aber gerechtfertigt, daraus auf eine Ueberarbeitung" in der Schule zu schließen, denn es gibt in der Schule mehrere Umstände, welche die Ermüdung beeinflussen. An erster Stelle möchte ich die Art des Unterrichtes anführen. Bei einem Lehrer, welcher das Interesse der Kinder nicht genügend anzuregen weiß, treten an allen Schülern Ermüdungssymptome früher und stärker hervor. Man könnte das Gähnen der Schulkinder als Maßstab für die Güte des Unterrichtes betrachten.

An zweiter Stelle kommt die Wärmestauung für die Ermüdung in Betracht. Es ist zurzeit sichergestellt, daß das, was man früher auf die verdorbene Luft in den Schulzimmern bezog, nichts anderes als die Folge von Wärmestauung ist, welche sich in Schulzimmern bei höheren Temperaturen und fehlenden Einrichtungen für Luftströmungen einstellt. Die Reaktion auf Wärmestauung ist individuell verschieden. So läßt es sich erklären, daß in einer Klasse nur ein oder das andere Kind darauf reagiert, während sich die übrigen noch leidlich wohl befinden. Es ist kaum zweifelhaft, daß in den meisten Fällen, in welchen Kinder wegen der oben genannten Erscheinungen nach Hause geschickt werden müssen, Wärmestauung die Veranlassung abgibt. Ich bin überzeugt, daß, wenn der Begriff der Wärmestauung allgemeiner bekannt und beachtet sein wird und zweckmäßige Einrichtungen zur Vermeidung derselben in den Schulen vorhanden sein werden, die Angst vor den Nachteilen der Schule abnehmen wird.

An dritter Stelle kommt als Ursache auffallender Ermüdungssymptome die Beschaffenheit der Kinder in Betracht. Es kommt nicht darauf an, ob ein Kind zart und schwach oder stark ist, auch nicht, ob es diesen oder jenen körperlichen Defekt hat, sondern lediglich darauf, ob es sich um ein normales oder um ein mehr oder minder psychopathisches (nervös veranlagtes) Kind handelt. Auf die Merkmale der Psychopathie werde ich später zu sprechen kommen. Hier sei nur hervorgehoben, daß sie sich bei begabten und intelligenten und ebenso bei geistig minderwertigen Kindern findet. Gerade die intelligenteren Kinder, denen das Lernen leicht fällt, beweisen, daß es sich nicht um Ueberarbeitung handelt, wenn sie während oder nach dem Schulunterricht Krankheitssymptome aufweisen. Es läßt sich nur folgern, daß die Verhältnisse unserer Schulen nicht den besonderen Anforderungen psychopathischer Kinder angepasst sind. Ich bin überzeugt, eine Rundfrage an alle Lehrer und Lehrerinnen würde das Resultat ergeben, daß sie von einer Ueberarbeitung der Kinder nicht überzeugt sind, wohl aber davon, daß es in jeder Schule eine Anzahl psychopathischer Kinder gibt, für welche sich die zurzeit üblichen Unterrichtsmethoden und Schuleinrichtungen nicht eignen.

Die hauptsächlichsten Vertreter der These von der Ueberarbeitung

sind Eltern von Schulkindern.

Ihnen fällt es auf, daß die Kinder während des Schuljahres schlechter aussehen, weniger Appetit haben, weniger an Körpergewicht zunehmen oder sogar abnehmen, nervös werden etc., und dies allein genügt schon, den Einfluß der Schule zu fürchten. Für sie besteht kein Zweifel, dies alles könne nur die Folge einer Ueberarbeitung der Kinder sein, und in dieser Meinung werden sie bestärkt, wenn sie ihre Kinder zu Hause noch mit Schularbeiten beschäftigt sehen. Aus den Kreisen von Eltern der Schulkinder gehen infolgedessen immer die Forderungen aus nach Einschränkung der häuslichen Arbeiten, Verlängerung der Ferien, Verlängerung der Schulpausen, Beginn des Schulunterrichts erst in den späten Vormittagsstunden usw.

Als ein Zeichen der Zeit ist auch der in Bremen entstandene Elternbund anzusehen, welcher es sich zur Aufgabe stellt, Schulreformen herbeizuführen. Die Pädagogen teilen das Schicksal der Mediziner. Gerade so, wie jeder Laie sich berechtigt fühlt, ärztliche Maßnahmen ohne Sachkenntnis schroff zu beurteilen, ebenso glaubt jedes Elternpaar das Recht zu haben, ohne Kenntnisse von Schulwesen und Pädagogik, über Schule und Lehrer aburteilen zu dürfen. Dabei erstreckt sich die Erfahrung der Eltern gewöhnlich nur auf die eigenen Kinder und in der Beurteilung dieser können sie nicht als objektive. Richter betrachtet werden. Außerdem fällt es schwer ins Gewicht, daß es vorwiegend Eltern sind, deren Kinder nicht gut in der Schule fortkommen, welche die These von der Ueberarbeitung in der Schule am schärfsten vertreten.

Suchen wir von den Kindern zu erfahren, wie sie über die Ueberarbeitung denken, so kommen wir zu folgendem Ergebnis: Die Kinder unterscheiden unter den Lehrern zwei Kategorien. Die einen lieben sie, die andern fürchten und hassen sie. Bemerkenswert ist dabei, daß es sich nicht um das Urteil eines einzelnen Kindes, sondern um dasjenige der Gesamtheit einer Schulklasse handelt. Wenn sich Kinder mit Arbeiten in der Schule und zu Haus für überlastet halten, so bezieht sich dies immer auf die Unterrichtsgegenstände, welche von den ihnen unsympathischen Lehrern unterrichtet werden. Auf solche Meinungsäußerungen der Kinder kann kein großes Gewicht gelegt werden. Es zeigt sich aber vielfach, daß ein Kind, welches in einer Schule den Anforderungen in einem Gegenstande auch mit Fleiß nicht nachkommen kann, diese leicht bewältigt, wenn es an eine andere Schule und zu einem anderen Lehrer versetzt wird. Da der Lehrplan an den gleichwertigen Anstalten überall derselbe ist, so kann sich eine solche Differenz nur daraus ergeben, daß der eine Lehrer den Lehrgegenstand dem Kinde leichter beizubringen vermag, als ein anderer. Das Bewußtsein der Ueberarbeitung schwindet nach dem Schulwechsel, obwohl das Kind die gleiche Arbeit leistet. Wenn es auch die Pädagogik erfordert, den Kindern nicht das Recht zuzugestehen, über ihre Lehrer zu urteilen, so läßt sich doch nicht übersehen, daß das Urteil der Kinder, wenn es nicht von einem Einzelnen, sondern von der Gesamtheit ausgeht, gewisse Uebelstände im Unterrichte beleuchtet, welche geeignet sind, den Gedanken an eine Ueberarbeitung zu unterstützen.

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