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Ich möchte es aber nicht unterlassen, auf die von Stuttgart ausgehende Begründung eines Schularztes im Hauptamt einzugehen und will die einzelnen Sätze kurz besprechen (Zeitschr. f. Schulgesundheitspflege. 1902. Bd. 15. S. 638).

Es wird kaum bestritten werden, daß nur durch eine umfassende Tätigkeit in dieser Richtung die nötige Anteilnahme an den Fortschritten der Schulhygiene gesichert werden kann."

Daß jedoch nur so ein regelmäßiges, durch keine anderweitigen privaten Interessen beeinträchtigtes Versehen des schulärztlichen Dienstes auf die Dauer möglich sei", muß aber eine kleine Einschränkung erfahren. Gerade in der Stadtpraxis wird sehr vielen Aerzten die regelmäßige Einhaltung der Untersuchungstermine wohl möglich sein.

Im Interesse einer möglichst einheitlichen Behandlung der Begutachtung des Gesundheitszustandes der Schüler wird es liegen, wenn die Untersuchungen durch eine einzelne Persönlichkeit vorgenommen werden"; auch gegen diesen Satz ist von vornherein nichts einzuwenden. Man muß jedoch bedenken, daß die Arbeitskraft einer einzigen Persönlichkeit ebenfalls ihre Grenzen hat. Mehr wie 4000 Schulanfänger kann ein Schularzt im Hauptamt in der Zeitspanne eines Jahres auch nicht untersuchen, wenn er daneben noch Sprechstunden abhalten und andere Aufgaben erfüllen soll. Bei einer Wiederholung der Reihenuntersuchung nach 3 jährigem Schulbesuch wird sich das Maximum der von einer einzelnen Persönlichkeit zu überwachenden Kinder auf 12000 berechnen.

Bei zahlreichen Schulärzten wird die Vergleichbarkeit der Befunde und damit der statistische Wert der Berichte notleiden." Dieser Satz ist ebenfalls theoretisch zuzugeben. Man muß jedoch bemerken, daß wir mit der Betonung des statistischen Wertes unserer Arbeit keine Fortschritte machen und daß wir wohl in Anbetracht der jetzt schon vorliegenden Fülle auf diesem Gebiet gut daran tun werden, unseren Eifer in dieser Richtung etwas einzuschränken.

Endlich bedarf die schulärztliche Tätigkeit ein gewisses Maß ärztlicher Erfahrung, praktische soziale Kenntnisse und Verständnis für den Wert guter Beziehungen zu den praktischen Aerzten. Dies alles wird auf der Universität und während der Assistentenzeit nicht erworben. Ein Anfänger wird auch nicht in der Lage sein, die praktischen Aerzte für seine Zwecke genügend zu interessieren." Mit diesem Satz hat die Stuttgarter Kommission wohl das Wesentlichste ausgesprochen, was für den Schularzt im Hauptamt geltend zu machen ist, denn es ist tatsächlich ein kleines Kunststück, zwischen Schule, den Ansprüchen der Eltern und den Forderungen der praktischen Aerzte die richtige Mitte zu halten.

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Werden zahlreiche Aerzte im Nebenamt angestellt, so werden sich wesentlich jüngere Aerzte melden (zumal bei der jetzt üblichen geringen Bezahlung) und die Stelle nur so lange behalten, bis eine genügende Praxis das Einhalten der Besuchstermine in den Schulen unmöglich macht; dadurch leidet jedenfalls die Kontinuität der Beobachtung und die Gründlichkeit der Erfahrung." Die Praxis gibt diesem Satze nicht vollständig Recht. Wir haben tatsächlich viele Schulärzte, welche aus Liebe zur Sache neben einer großen Privatpraxis ihre

Schularztstelle beibehalten. In sehr vielen Fällen mag die Stuttgarter Ansicht zu Recht bestehen. Nach meinen Erfahrungen ist sie aber nicht ausschlaggebend für die Wahl des einen oder anderen Systems.

Keineswegs ist darauf zu rechnen, daß die Anstellung zahlreicher Aerzte im Nebenamt die Honorarfrage günstiger gestalten wird. Denn auch im Nebenamt muß der Grundsatz ausreichender Bezahlung geforderter Dienste festgehalten werden." Zu diesem letzten Argument unserer schwäbischen Kollegen sind die Akten noch nicht geschlossen. Wenn ich aus meiner eigenen Erfahrung heraus darüber ein Urteil fällen soll, so möchte ich darauf verweisen, was ich anfangs über den Umfang schulärztlicher Tätigkeit gesagt habe. Sollte sich mit der Zeit herausstellen, daß der Schularzt im Hauptamt doch mehr Mittel fordert, als Schulärzte im Nebenamt (ich glaube zwar das Gegenteil), so wird die größere pekuniäre Aufwendung wohl reichlich gedeckt durch die intensivere Tätigkeit, die auf der einen Seite für die reinen Schulzwecke und andererseits für die soziale Unterstützung bedürftiger Kinder aufgewendet werden kann.

Ich glaube deshalb, daß das System des Schularztes im Hauptamte oder, wenn man es anders nennen will, des Berufsschularztes ohne Privatpraxis an größeren Schulkörpern allein in Frage kommen sollte; denn es ist klar, daß dem Arzte auf allen Gebieten der Schulhygiene das kompetenteste Urteil zugestanden werden muß. Zur Umsetzung der theoretischen Forderungen in die Praxis ist eine genauere Einsicht in alle Verhältnisse und Aufgaben der Schule nötig.

Diesen Begründungen der Stuttgarter Aerzte ist aber noch Einiges hinzuzufügen. Gestern habe ich in Erfahrung gebracht, daß man in Dortmund, wo ebenfalls ein Schularzt im Hauptamt angestellt war, das hauptamtliche System wieder verlassen hat. Hierzu bemerke ich, daß der Dortmunder Schularzt nicht wie ich in Mannheim sich ganz ausschließlich seiner schulärztlichen Tätigkeit widmete. Er war früher Assistenzarzt des Stadtmedizinalrates und hat dann nur die Schule als selbständiges Dezernat bekommen. Dabei blieb er dem städtischen Gesundheitsamt unterstellt und übte nebenbei auch noch Funktionen des Polizeiarztes aus.

In Mannheim gibt es außer dem Schularzt keinen Stadtarzt. Amtliche Begutachtungen hygienischer Natur besorgen für die Stadt die großherzoglichen Bezirksärzte. Der Schularzt ist ganz direkt dem Stadtrat (Magistrat) unterstellt und ist nach einem von der Staatsbehörde genehmigten Ortsstatut voll berechtigtes Mitglied der städtischen Schulkommission. Er steht dem Stadtschulrat bzw. den Vorständen. der technischen Aemter in der Rangstellung den städtischen Beamten vollständig gleich. Dies der Unterschied zwischen Dortmund und

Mannheim.

Die Gründe, welche in Dortmund dazu geführt haben, daß man neben dem hauptamtlich angestellten Beamten des städtischen Gesundheitsamtes weitere Schulärzte im Nebenamt angestellt hat, liegen wohl darin, daß nach meiner Auffassung in Dortmund von vornherein unzweckmäßig vorgegangen wurde. Der dortige Kollege fing bei einer Schulbevölkerung von 20000 Kindern damit an, daß er sich wochenlang in eine Schule festsetzte, bis er ein um das andere Kind genau

untersucht hatte. Gelegentlich einer Besprechung machte ich (schon ehe Schulärzte im Nebenamt in Dortmund wieder angestellt waren) den Kollegen darauf aufmerksam, daß so die Sache wohl unmöglich durchzuführen sei. Denn in einem Jahr kann man mit der Untersuchung von 20000 Schulkindern unmöglich fertig werden und sobald die Versetzung dazwischen kommt, muß es eine Verwirrung geben.

Ueber glatte Unmöglichkeiten darf man eben nicht hinauswollen. Das ist in der Praxis zu berücksichtigen! Von der Störung, welche dadurch in den Schulbetrieb hineingetragen wurde, will ich gar nicht reden. Ich beschränke mich auf die Andeutungen.

In Mannheim waren es bei meinem Amtsantritt 24000 Kinder und ich sagte mir von vornherein, daß ein Arzt nicht alle allein untersuchen könne. Darüber war sich aber auch die städtische Schulkommission und der Stadtrat vollständig klar, als man das System des Schularztes im Hauptamte wählte. Die weitere Ausgestaltung war mir überlassen und wie sollte die Einteilung der Untersuchungen gemacht werden? Nach Gemeindeschulen oder Bezirksschulen abzuteilen wäre, wie schon oben erwähnt, nicht zweckmäßig gewesen. Es ging in Mannheim aber auch deshalb nicht, weil wir gar keine Bezirksschulen haben. Unser großer Schulkörper ist, wie wohl allgemein bekannt sein dürfte, nach dem Sickingerschen System vollständig einheitlich organisiert und scheidet die Schüler nicht nach ihren Wohnorten, sondern nach ihrer natürlichen Begabung in 3 verschiedene KlassenKategorien, die Normalklassen, die Förderklassen und die Hilfsklassen. In den Normalklassen steigen nur diejenigen auf, welche das vorgeschriebene Klassenziel ohne Schwierigkeit erreichen. Kinder, die dem normalen Lehrziel, sei es wegen geringerer Begabung oder wegen Kränklichkeit, nicht gewachsen sind, kommen in die Förderklassen. Und solche Kinder, welche geistig so schwach befähigt sind, daß sie auch in diesen ganz kleinen Klassen (höchstens 35 Schüler, die in 2 Abteilungen unterrichtet werden) nicht mitkommen, werden den Hilfsklassen überwiesen.

Bei dieser Organisation, welche in ganz brillianter Weise die von der Natur mitgegebenen Gaben berücksichtigt und deshalb als natürliche Fähigkeitsschule im Gegensatz zu der unnatürlichen Schablonenschule bezeichnet werden kann, bleiben die Jahrgänge nach ihrem Schuleintritt zusammen. Es war deshalb gegeben, dass man die Kinder für die schulärztliche Untersuchung nach Jahrgängen zusammenfaßte. Etwas weniger als 4000 Kinder treten jeweils auf Ostern ein. Diese Zahl kann, wie ich schon oben bemerkt habe, von einem Arzt, der gar nichts andres zu tun hat, wie Schuluntersuchungen zu machen, tatsächlich ganz leicht bewältigt werden. Man muß die Untersuchungen nur teilen in den ersten Besichtigungstermin, den Termin der körperlichen Untersuchung und den Termin der Prüfung der Sinnesorgane, wie dies ja auch sonst wo geschieht. Neben diesen Reihenuntersuchungen, welche täglich 2 bis 3 Stunden in Anspruch nehmen, bleibt noch Zeit übrig Sprechstunden abzuhalten für kränkliche Schüler, welche der Schularzt bei seinen amtlichen Begehungen aller Schulhäuser der Stadt von den Lehrern besonders vorgemerkt findet. Der Nachmittag ist dann immer noch frei für eine allgemeine Sprechstunde im Dienst

zimmer des Schularztes. Dorthin werden dringliche Fälle geschickt und dort können auch die Eltern unentgeltlichen ärztlichen Rat holen. Ferner können am Nachmittag die schriftlichen Geschäfte, die fürsorgliche Tätigkeit, die genauere Untersuchung von Hilfsklassenkindern (etwa 30 im ganzen Jahr) erledigt werden. Die Schulferien müssen die Zeit für die statistischen Arbeiten und größeren Berichte geben.

Das ist der Tätigkeitsumfang, der von einer einzelnen Persönlichkeit mit derjenigen gewissenhaften Gründlichkeit geleistet werden kann, welche notwendig ist, um durch das genaue Eingehen auf den Einzelfall, durch öftere Nachuntersuchungen und Beobachtungen für die kränklichen Kinder mehr zu leisten, als dies dem mit der Jagd nach Privatpraxis beschwerten praktischen Arzte möglich ist.

Auf der Grundlage dieser Erwägungen entschloß ich mich die Durchuntersuchung meiner kleinen Armeekorps stufenweise vorzunehmen und die älteren Jahrgänge bei der schulärztlichen Beaufsichtigung zunächst nur insoweit zu berücksichtigen, wie sie als untersuchungsbedürftig gemeldet werden, oder gelegentlich der Klassenbesuche, der Vorstellungen in den Sprechstunden etc. als bedürftig für Ferienkolonien, Solbädern oder sonstiger Fürsorgemaßregeln erkannt werden. Den Aufbau dieses Systems will ich hier kurz schematisch angeben (siehe Abbildung).

Wir haben ein achtklassiges System und keine halbjährigen Cöten. Der Schuleintritt ist immer an Ostern. Sämtliche Kinder, welche auf Ostern 1905 in die Schule traten, wurden im Laufe des Schuljahres 1905 auf 1906 untersucht. Ebenso geschah dies für das folgende und geschieht es im laufenden Jahr. Daneben ging her die Sprechstundentätigkeit, welche in der obersten Reihe von Feldern dargestellt ist.

Wie bei dem Wiesbadener Schüleruntersuchungstypus sollen in Mannheim Nachuntersuchungen im vierten, sechsten und achten Schuljahr stattfinden. Da auf Ostern 1908 eine Erstuntersuchung und eine Nachuntersuchung fällig wird, so wäre keine Zeit übrig, um nebenher noch Sprechstunden und Gutachtertätigkeit zu erledigen. Es muß deshalb eine neue ärztliche Kraft eintreten.

Der zweite Schularzt, ebenfalls vollamtlich im Hauptamte angestellt, tritt auf 1. Januar 1908 in den Dienst, um zunächst ein Vierteljahr vorgeschult zu werden und auf Ostern 1908 mit der Untersuchung des Anfängerjahrganges zu beginnen. Der zweite Arzt soll ebenso wie ich drei Jahrgänge Schulanfänger untersuchen. Sie sehen dies an der verschiedenen Schraffierung der Felder. Es besteht jedoch die Absicht, die ersten Nachuntersuchungen im dritten, anstatt im vierten Schuljahr vorzunehmen und sie sehen deshalb, daß die zweite Untersuchung der auf Ostern 1909 in die Schule tretenden Kinder schon für das Schuljahr 1911 auf 1912 vorgesehen ist. Diese günstigere Gestaltung der Nachuntersuchungen wird möglich sein, weil für Ostern 1911 der Eintritt des dritten Arztes (C) vorgesehen ist.

In späteren Jahren ist ein jährliches Alternieren der verschiedenen Aerzte bei der Erledigung der Erstuntersuchungen vorgesehen. Es ist dabei das Wachsen des Schulkörpers in Rechnung gestellt. Wenn die Zahl der Schulanfänger 4000 überschreitet, so werden eben, wie das

vielfach schon geschieht, die systematischen Reihenuntersuchungen über Sehschärfe und Gehör erst in der zweiten Klasse vorgenommen. Die Zahl der der Beobachtung eines Arztes unterstellten Kinder kann bei jährlichem Wechsel auch ruhig größer werden wie 4000.

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I. Prinzip: Die Wahrung der Einheitlichkeit ist zu erstreben: a) durch Schaffung einer Oberleitung,

b) durch Vorführung der Kinder vor den gleichen Arzt bei Erst- und Nachuntersuchungen.

II. Die Arbeitskraft eines Arztes im Hauptamte reicht:

a) für Sprechstunde und Klassenbesuche und

für eines Jahrganges Reihenuntersuchung,

b) für zweier Jahrgänge Reihenuntersuchungen ohne Sprechstundentätigkeit.

Sie sehen, daß die Felder in horizontaler Richtung immer die gleiche Schraffierung aufweisen. Bei dieser Durchführung des Systems der Schulärzte im Hauptamte wird das gewahrt, was für die Kinder von besonderer Wichtigkeit ist, das ist die Kontinuität der Beobachtung während der ganzen Zeit des Schulbesuches durch einen Arzt.

Bericht üb. d. XIV. Intern. Kongr. f. Hygiene u. Demographie. II.

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