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III, 1

Das Fürsorgewesen für Säuglinge.

Fürsorge für in öffentliche Versorgung gelangende Säuglinge.

Von

Dr. Alexander Szana (Temesvár). 1)

Der wichtigste Teil der öffentlichen Säuglingsfürsorge ist zweifellos die Versorgung jener Säuglinge, die ganz der öffentlichen Versorgung bedürfen, d. h. die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit muß einsetzen mit der Verhütung des Massensterbens jener Kinder, deren Mütter keine eigene Wohnung haben und so ihren Säugling von sich weggeben müssen. Es ist eine ganz bedeutende Anzahl von Säuglingen, die in diese Schicht gehören.

Damit Sie ein Bild haben, um welche Massen von Kindern es sich handelt, will ich Ihnen anführen, daß in Wien jährlich etwa 7000 Säuglinge der öffentlichen Versorgung übergeben werden, in Budapest, in dem kleinen Budapest, wurden im Jahre 1903 mehr als 3000 Säuglinge aufgenommen, in Paris genießen in demselben Jahre 10000 Säuglinge öffentliche Unterstützung (3000 kommen in öffentliche Versorgung, während 7000 bei der Mutter oder Verwandten regelmäßig unterstützt werden). In derselben Zeit wurden in dem großen Berlin in die kommunale Waisenpflege bloß 1434 Säuglinge aufgenommen und im Jahre 1890 sogar nur 385. (In den letzten Jahren hat sich diese Zahl bedeutend vergrößert.)

Die Sterblichkeit unter diesen Kindern ist eine ganz außerordentliche, und ich zweifle nicht, daß die Sterblichkeit dieser Gruppe für die ganze Säuglingssterblichkeit einer Stadt ausschlaggebend ist.

In welch wichtiger Weise die Säuglingssterblichkeit einer Stadt durch die Versorgung dieser Säuglinge beeinflußt werden kann, beweist das Beispiel der Säuglingssterblichkeit Wiens.

Ueberall ist die Sterblichkeit der unehelichen Säuglinge bedeutend höher als diejenige der ehelichen. In Wien hingegen ist die Sterblichkeit der ehelichen und unehelichen Säuglinge nahezu gleich, ja in manchen Jahren ist die Sterblichkeit der ehelichen Säuglinge größer als die der unehelichen.

1) Einzelne Teile dieses Referates sind wörtlich meinem Vortrage, gehalten in der 25. Jahresversammlung des Deutschen Vereins für Armenpflege in Mannheim, den 20.-23. September 1905, entnommen. Der Vortrag erschien in der Münch. med. Wochenschrift. 1905. Nr. 44.

Die Sonderstellung Wiens erklärt sich daraus, daß mehr als die Hälfte der unehelichen Kinder in der Gebäranstalt zur Welt kommen" und von dort durch die Findelanstalt auf das Land gebracht werden, daher also nicht in Wien sterben.

Ich glaube, diese einzige Ziffer gibt uns schon einen vollen Beweis, daß wir hier einsetzen müssen, um die Säuglingssterblichkeit zu bekämpfen. Und ich will in meinem Referate mich auf die Fürsorge für diese Säuglinge beschränken. Ich kann dies um so eher tun, als durch die Hebung des Standard of life dieser untersten Schichten sich das ganze Niveau der Säuglingshygiene hebt und die vollkommenen hygienischen Einrichtungen, die wir dieser untersten Schicht zuteil werden lassen, gehen automatisch in die oberen Schichten über.

Die erste Frage, die sich in der Frage der öffentlichen Versorgung von Säuglingen aufdrängt, ist wohl die, wessen Aufgabe die Versorgung der der öffentlichen Fürsorge bedürftigen Säuglinge ist.

Ich glaube von keiner Seite Widerspruch zu finden, wenn ich sage, daß diese Aufgabe nur eine Aufgabe des Staates sein kann.

Die Kommunen sind die größten ausgenommen auch in dem kulturell so vorgeschrittenen Deutschland noch nicht auf jener Stufe, daß man ihnen diese Aufgabe anvertrauen könnte. Die nötigen Geldmittel, die nötige soziale Einsicht ist wie gelegentlich der Verhandlung dieser Frage durch den Deutschen Verein für Armenpflege" in Mannheim festgesetzt wurde auch in Deutschland bei den Kommunen noch nicht zu finden.

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Die Gemeinden mit ihren so verschiedenartigen Auffassungen und verschiedenartigen materiellen Lagen sind hierzu ungeeignet, ist es doch gerade in Deutschland passiert, daß eine kleine Gemeinde, der die Aufgabe, einen Säugling zu verpflegen, überkam, öffentlich eine Submission ausschrieb, um den Säugling zu versorgen. Die endlosen und unangenehmen Zuständigkeitsfragen fallen natürlich bei der staatlichen Versorgung alle weg.

Daß eine Landesorganisation tatsächlich notwendig ist, auch für Deutschland, folgt daraus, daß der Deutsche Verein für Armenpflege" selbst die Regelung der Haltekinderpflege durch ein Landesgesetz verlangt hat.

Dem Leitsatz meines Korreferenten Taube daß die unehelichen Säuglinge durch die Kommune versorgt werden mögen, muß ich auch hier widersprechen.

Die Versorgung dieser Säuglinge ist eine staatliche Aufgabe, und nur in der Hand des Staates kann diese Frage in gleichmäßiger Weise, frei von kleinlichem Standpunkte gelöst werden.

Wichtig ist es, dieser Tätigkeit des Staates keinerlei charitativen Charakter zu geben. Das Kind hat durch seine Geburt Anspruch auf das Leben und sind diejenigen, deren natürliche Pflicht es ist, für das Kind zu sorgen, hierzu nicht imstande, so ist es Pflicht des Staates, dies zu tun.

In Ungarn - dessen Säuglingsfürsorge ich Ihnen in allen Teilen. als mustergiltig vorführen werde hat der Staat diese Verpflichtung übernommen, und der erste Punkt der Statuten über den staatlichen Kinderschutz lautet: Jedes Kind, welches durch die Seinigen nicht

versorgt werden kann, hat Anspruch auf Versorgung durch den ungarischen Staat." In der neuen Ordnung des Schutzes der verlassenen Kinder läßt sich der Staat nicht mit Liebe herab zu dem Kinde dies ist Sache des gesellschaftlichen Humanismus, sondern der Staat hebt den Schwachen zu sich mit dem Rechte", sagt der Kodifikator des ungarischen staatlichen Kinderschutzes, Bosnyák. Und zweifellos liegt in dieser sozialen Auffassung des Kampfes gegen die Kindersterblichkeit ein kulturhistorischer Schritt nach vorwärts.

Auf der massiven Basis des Rechtes auf staatliche Versorgung fußend ist nun die zweite Frage zu lösen, die Frage der Aufnahme in die öffentliche Fürsorge. Auf jedem anderen Gebiete eine einfache administrative Frage, ist diese Frage im Säuglingsalter eine hygienische Frage ersten Ranges. In Anbetracht der Mortalität und Morbidität des jüngsten Säuglingsalters ist jeder Tag, mit dem die ungenügende Versorgung des Säuglings verlängert wird, von folgenschwerer Abschwächung und gesteigerter Mortalität begleitet.

Andererseits aber soll die Abgabe der Säuglinge in öffentliche Versorgung nicht übermäßig erleichtert werden, da ansonsten eine große Anzahl stillungsfähiger Mütter sich dem Stillgeschäfte entzieht.

Die Verschiedenheit in der Aufnahme von Säuglingen in die öffentliche Fürsorge kommt nun in den bisher geübten zwei Systemen: dem germanischen und romanischen System, zum Ausdruck.

Die romanischen Staaten und Oesterreich, sagen wir also die vorwiegend katholischen Staaten, fördern durch Findelanstalten - also Anstalten, in die jeder Säugling aufgenommen wird. die Aufnahme

der Kinder in öffentliche Versorgung, und das ist ein großer Fehler, denn dadurch geben sie der Mutter Gelegenheit, sich ihres Säuglings zu entledigen, zu einer Zeit, wo die Mutterliebe noch nicht oder in ganz geringem Maße erwacht ist.

Es ist eine Erfahrungssache, die wir täglich zu beobachten Gelegenheit haben, daß die Mutter ihr neugeborenes Kind gerne oder mit sehr geringer Wehmut von sich hinweggibt, während sie das einige Wochen alte von ihr gesäugte Kind unter keinen Umständen mehr von sich weggibt und alles erträgt und allem entsagt, um bei ihrem Kinde bleiben zu können. Das romanische System, welches zum Schutze der Kinder gegründet wurde, ist eigentlich voll Grausamkeit und Härte gegen das Kind.

Die Härte des romanischen Systems gegen das Kind liegt in erster Linie darin, daß das Kind der Mutterbrust beraubt wird. Dieses unersetzlichen Schatzes wird das Kind beraubt, um im besten Falle ein bedeutend minderwertiges Surrogat, die bedeutend ältere Brust einer Pflegemutter zu erhalten, mit welchem Resultat will ich später nachweisen. Doch wird das Kind auch seines Familienkreises beraubt. Weggenommen von seiner Mutter hat es nur mehr ganz geringe Chancen, wieder zu seiner Mutter und in die Familie zurückzukommen. Als Regel kann es denn doch gelten, daß selbst in diesen Kreisen der erzieherische Einfluß der Mutter schwer zu ersetzen ist.

Doch trotz des Grundgedankens des ganzen Systems: das Kind zu retten, ist es heute als erwiesen zu erachten, daß durch das romanische System viele Säuglinge sterben. Denn durch die überaus leichte

Gelegenheit, mit welcher sich die Mutter ihres Säuglings entledigen kann, und durch den Gedanken, daß das dem Findelhause übergebene Kind ja gut versorgt ist, geben viele Mütter ihre Kinder in die öffentliche Fürsorge, die eigentlich das Kind behalten könnten.

Nun ist es zweifellos und mit eingehenden statistischen Untersuchungen belegt, daß die öffentliche Versorgung von Säuglingen noch immer mit einer ganz außerordentlichen Mortalität einhergeht. Endresultat also: Mit etwas Willen könnte die Mutter ihr Kind bei sich behalten. und es im natürlichen Familienkreis erziehen; durch die leichte Aufnahme in die öffentliche Fürsorge beim romanischen System entledigt sich die Mutter aber ihres Kindes in einer Zeit, wo sie das Kind noch nicht lieben gelernt hat. Das Kind kommt in schlechtere Lebensbedingungen, und es sterben Säuglinge rein nur durch das schlechte Aufnahmesystem.

Das romanische System beschützt also eigentlich nur die Mutter und vermehrt überflüssigerweise nur die Zahl der in öffentliche Fürsorge kommenden Säuglinge, trotzdem die öffentliche Fürsorge der Säuglinge große Mortalitätsziffern aufweist. Das romanische System läßt viele Borne von Muttermilch versiegen, deren Quellen die Säuglingssterblichkeit und Morbidität bedeutend gebessert hätte.

Noch größere Mängel hat aber das Aufnahmesystem in die öffentliche Fürsorge beim germanischen System: Nimmt das romanische System zu viel Kinder auf, so nimmt das germanische System zu wenig auf, und was mit denjenigen geschieht, die nicht aufgenommen werden, läßt sich erraten, wenn wir die armen 1400 Säuglinge näher betrachten, die die Stadt Berlin im Jahre 1902/03 aufgenommen hat.

Finkelstein hat die Aufnahmsgewichte dieser Säuglinge in einer Tabelle zusammengestellt; ich habe dasselbe für die in meine Anstalt gekommenen Säuglinge getan und habe dazu die Gewichte der in Wien. aufgenommenen Säuglinge gegeben, und in dieser Tabelle liegt das ganze Urteil über das germanische System bei der Aufnahme in die öffentliche Fürsorge.

Ich habe nun gefunden, daß während bei uns 3/4 der jungen Säuglinge in einem normalen Gewichte zur Aufnahme kommen, kommt in Berlin bloß der Säuglinge mit annähernd normalem Gewichte zur Aufnahme. Sie sehen also, daß Sie nicht nur unerhört wenig Kinder aufnehmen, sondern diese Kinder infolge der schweren Aufnahmsbedingungen und infolge der langen Dauer des Aufnahmsprozesses mit einem solchen Gewicht zur Aufnahme kommen, die eine Rettung der Säuglinge beinahe unmöglich macht, denn daß das Aufnahmsgewicht für das weitere Lebensschicksal der Kinder maßgebend ist, habe ich an unserem Material nachweisen können, indem von den zum Durchschnitt gerechneten leichteren Kindern doppelt so viele sterben, als von den mit schwerem Aufnahmsgewichte aufgenommenen Säuglingen: dieses Gesetz habe ich bis zum 8. Lebensmonate nachweisen können.

Bedenken Sie nun aber, meine Herren, wenn diejenigen, welche die lange Aufnahmsprozedur durchmachen und erleben konnten, mit solchem Aufnahmsgewichte zur Aufnahme kamen, was geschah mit den Tausenden von Säuglingen, die diese lange Prozedur nicht durch

machen konnten, das Ende der Aufnahmsmodalitäten nicht erwarten konnten?

Ein Heer von Todesfällen, ein endloses Maß von Schmerzen und Qualen für Mutter und unschuldigen Säugling!

Fassen wir die Sache also zusammen, so sehen wir, daß das romanische System den Müttern Gelegenheit gibt, sich ohne jede weitere Gegenleistung ihres Kindes sehr früh zu entledigen, das germanische System infolge seiner Erschwerung in der Aufnahme der öffentlichen Fürsorge selbst den tatsächlich bedürftigen Säuglingen es unmöglich macht, in die öffentliche Fürsorge zu kommen. Sie erleben die Aufnahme nicht, oder erleben sie dieselbe dennoch, so kommen sie in einem Zustande zur Aufnahme, der die Rettung des Kindes fraglich macht.

Sie werden also einsehen, daß wir Ungarn, zur Schöpfung eines Säuglingsschutzsystems schreitend, keines dieser Systeme annehmen

konnten.

Ich will hier erwähnen, daß das ungarische staatliche Kindersystem frei von den Fesseln jeder historischen Entwicklung sich ausschließlich als ein ethisches und hygienisches Postulat gebildet hat. Und so ist denn auch das ungarische staatliche Kinderschutzwesen, entgegengesetzt dem Kinderschutzwesen anderer Staaten, ein ganz neues, modernes Gebilde, welches, frei von allen Fesseln historischer Entwicklung, ausschließlich auf den Grundsätzen modernster ethischer und hygienischer Auffassung errichtet wurde.

Das ungarische Säuglingsschutzsystem akzeptiert vor allem den strengen ethischen Standpunkt der germanischen Länder, daß in erster Reihe für den Säugling, ob ehelich oder unehelich, der Vater oder die Mutter sorgen muß. Dann sind zur Alimentation die Großeltern beizuziehen, und wenn sich Wohltätigkeitsvereine und Anstalten nicht finden, die für das Kind sorgen, dann erst erwächst dem Staate die Pflicht, für den Säugling zu sorgen. Sie sehen also, daß die ethische und moralische Basis bei uns ebenso streng ist wie bei Ihnen. Nun aber tritt der fundamentale Unterschied hervor: Die aus dem Gebärhause entlassene Mutter, deren Lage in Deutschland eine verzweiflungsvolle ist, die arme Ehefrau, der der Mann gestorben ist und die mit ihrem Säugling oder oft ihrer Kinderschar mittellos dasteht, der Gatte, dem im Wochenbett die Frau gestorben ist und dem ein hilfloser Säugling zu verpflegen obliegt, welcher Aufgabe er durchaus nicht gewachsen ist, die Kinder all dieser werden bei uns in das staatliche Kinderasyl auf Grund der elterlichen zu Protokoll gegebenen Angaben. sofort aufgenommen und die strengen, behördlichen Prüfungen erfolgen nachträglich.

Hier liegt die Lösung der Frage! Das ist das Ei des Kolumbus! Die Behörde prüfe strenge alle Verhältnisse, ob das Kind wirklich der öffentlichen Fürsorge bedürftig ist, doch all dies geschehe nach der Aufnahme des Kindes, nachdem für dasselbe gesorgt ist.

Und so besteht denn die fundamentale Differenzierung des ungarischen Kinderschutzsystems vom romanischen und germanischen darin, daß der erste Paragraph unserer Statuten sagt: „In die staatliche Versorgung sind alle jene Kinder unter 15 Jahren aufzunehmen, für

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