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Ueber die Bedürfnisse der Nahrungsmittelgesetzgebung.

Von

Prof. Dr. Ferdinand Hueppe (Prag).

Die älteren Nahrungsmittelgesetze beschäftigten sich fast nur mit der Täuschung der Bevölkerung in Bezug auf Maß und Gewicht. Gesundheitsschädliche Mängel konnten kaum betroffen werden, weil stets der Nachweis des dolus, d. h. der Absicht der Schädigung geliefert werden mußte. Erst die Veränderung der Verhältnisse im vorigen Jahrhunderte zwang alle Staaten, die Nahrungsmittelgesetzgebung von anderen Gesichtspunkten aus in Angriff zu nehmen. Infolge der Aenderung der Verhältnisse, des Aufkommens des Welthandels versagten die früheren Möglichkeiten, auf engem Kreise den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. Die heimischen Märkte wurden abhängig von dem Diktate des Welthandels, und dieser konnte nicht mehr mit den beschränkten Auffassungen der früheren Zeit arbeiten. Es wurde eine rationellere Verwendung der Arbeitskräfte erforderlich, und der Neigung der Industrie entsprechend mußte auch das Rohmaterial besser ausgenutzt werden. Dazu kam, daß die Technik wesentliche Verbesserungen in der Herstellung und Erhaltung der Handelswaren ermöglichte. Weiter kam hinzu, daß vollständige Umgewöhnungen in Bezug auf manche Nahrungsmittel stattfanden, z. B. statt des altgewohnten festen Frühstücks mit Suppe und Brot trat die Gewohnheit des Genusses von Kaffee und ähnlichen Produkten und deren Surrogaten. Die Feinbäckerei brachte eine Umwälzung hervor, die sich bereits bis auf das Land erstreckt. Die Herstellung von Genußmitteln, wie Kakao, Bier, Wein, erreichte auf Grund wissenschaftlicher Forschungen eine Höhe, daß die Bezeichnung Naturprodukt sich tatsächlich nicht mehr aufrechthalten oder nur auf das Ausgangsmaterial beziehen läßt. Die Mehlprodukte, die Teigwaren werden im Großbetrieb in einer Vollkommenheit hergestellt, daß es geradezu irrationell wird, diese Produkte erst im Kleinen in jedem Haushalte herzustellen. Die Ausnutzung der Früchte hat Dimensionen erreicht, von denen man sich früher nichts träumen ließ; sie gestattet, Genußmittel zu billigsten Preisen zu liefern und sie so auch dem Aermsten zugänglich zu machen. Jeder Versuch, diese Entwicklung im Sinne der technischen Vervollkommnung und Veredelung rückgängig machen zu wollen, mußte an der Wucht der sozialen

Verhältnisse scheitern. Andererseits lag aber auch in der Natur dieser Verhältnisse die Möglichkeit, minderwertige Materialien in den Handel zu bringen, und es trat tatsächlich neben der berechtigten Veredelung eine ausgedehnte Verfälschungs-Industrie in die Erscheinung, welche einerseits minderwertige Materialien zu höheren Preisen käuflich zu machen verstand, andererseits auch bereits verdorbene Waren in einen Zustand zu versetzen wußte, der sie als noch gut erscheinen ließ. Die Veredelung durch die Technik und die Verfälschung durch die Technik mußten sich im Grunde genommen derselben technischen Mittel bedienen, um die Ware in jenem Zustand liefern zu können, den die Bevölkerung wünscht und an den sie durch die Verhältnisse allmählich gewöhnt wurde. Dazu kam, daß die Handelskammern eine Reihe von Manipulationen als im Verkehr üblich darzustellen wußten, über deren Einbürgerung sich oft nichts Genaueres erfahren ließ.

Die moderne Farbenindustrie lieferte dann eine Reihe von Farbmitteln, welche zum Auffärben und damit zur Gewinnung eines bestimmten Aussehens sich bequemer erwiesen als die früher allein üblichen pflanzlichen Farbstoffe. Die Händler gewöhnten sich dadurch daran, auch nur aufgearbeitete, appretierte Waren als Primawaren in den Handel zu bringen und so über die wirkliche Beschaffenheit Irrtümer hervorzurufen. Andere Bezeichnungen änderten sich allmählich, z. B. die Ausdrücke Münchner oder Pilsner Bier oder Kognak wurden zu Gattungsbegriffen, so daß man das wirkliche Originalprodukt sonderbarerweise durch strikte Bezeichnung aus diesem Gattungsbegriff herausheben muß. Honig sollte selbstverständlich Bienenhonig sein; aber er muß bereits als echter", unverfälchter", Bienenhonig" gekennzeichnet werden, weil wir neben diesem Bienenhonig" oder vermischten Honig" auch noch einen Kunsthonig" haben.

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In ähnlicher Weise geht es mit einer ganzen Reihe von Nahrungsmitteln, bei denen der selbstverständliche, natürliche Name seine natürliche Bedeutung vollständig verloren hat. Die Teilnahmslosigkeit des Publikums trägt an dem Einreißen solcher Gewohnheiten viel Schuld, und die Belehrungen werden in der Regel nicht beachtet, so daß ein Schutz der wirtschaftlich Schwachen im Interesse der Volksernährung und der Erhaltung der Volkskraft notwendig wird.

Aber auch ohne Täuschung kann eine einfache Minderwertigkeit der Nahrung zur Gesundheitsschädigerin werden, weil die gesamte Ernährung darunter leiden kann. Diese Auffassung ist erst ein Ergebnis der neueren Forschungen. Derartiges wird sehr zu Unrecht noch nicht unter die Gesundheitsschädigungen eingereiht, sondern bedauerlicherweise nur unter die Vermögensschädigungen. Ein Teil der Manipulationen ist aus dem Grunde selbst bei minderwertigen Waren durchaus berechtigt, wird aber auch bei den besseren Waren nebenbei verwendet, weil Farbe, Geruch und Geschmack den Genußwert erhöhen und auf die Aufnahme und Verdauung der Speisen von Einfluß sein können. Das Gesetz sollte deshalb die Entwickelung der Industrie nicht hemmen, weil diese den sich ändernden wirtschaftlichen Verhältnissen folgen muß und kann. Die bessere Ausnützung der Nahrungsmittel und die Verwertung von Teilen, die früher als wertlos weg

geworfen wurden, kann bei unseren Agrarverhältnissen direkt zu einer Notwendigkeit werden.

Im Interesse der Industrie wäre es wünschenswert, wenn eine ausgedehnte Kontrolle der Betriebe durch hygienische Sachverständige stattfinden könnte. Wenn einmal eine solche Kontrolle selbst zu Reklamezwecken verwendet werden sollte, so würde dies gegenüber der Sicherheit der Bevölkerung eine ganz untergeordnete Sache sein und wohl nur bei unreellen Betrieben, die sich einer solchen Kontrolle entziehen, Bedenken erregen können.

Das Gesetz sollte strikte das gewerbsmäßige Herstellen, den Verkauf und das Feilhalten von Gegenständen verbieten, die zur Nachahmung oder Fälschung bestimmt sind, natürlich nur soweit es sich um die Verwendung bei Nahrungsmitteln handelt. Der Verkauf von Gegenständen, die zum Aufbessern von Nahrungsmitteln bestimmt sind, darf nur unter einer der wirklichen Beschaffenheit entsprechenden Bezeichnung gestattet werden. Vor Zulassung von Mitteln zu diesem Zwecke müssen dieselben genehmigt und sodann das Einschleichen von Manipulationen, die sich nachträglich als ungeeignet herausstellen, verhindert werden. Sonst besteht die Gefahr, daß die Handelskammern nachträglich solche ungeeignete Methoden als durch den Gebrauch sanktioniert erklären können, worauf die richterlichen Entscheidungen leider vielfach mehr Wert legen als auf berechtigte Einwände der Sachverständigen. Handelsgebräuche können nur dann Anspruch auf Anerkennung haben, wenn sie dem Geiste der modernen Nahrungsmittelgesetzgebung nicht widersprechen, denn nur dann kann der redliche Händler wirklich geschützt werden. Die Bezeichnung einer Ware muß dem Wesen der Ware entsprechen und Abweichungen von der normalen Beschaffenheit sind durch Deklaration kenntlich zu machen. Wo besondere Schwierigkeiten vorliegen, wie bei Bäckerwaren, Magarine, Weinen, sind durch besondere Verfügungen die entsprechenden Definitionen festzulegen. Appreturmittel und Farbstoffe sind entweder durch besondere Definitionen klarzulegen oder in jedem Falle durch Deklaration kenntlich zu machen z. B. das Talkumieren von Rollgerste, die Färbung von Butter und Margarine, von Zuckerbäckerwaren u. dgl. Bei den Konservierungsmitteln ist einerseits die Zulassung der bewährten Mittel wie von Kochsalz oder Salpeter, von schwefliger Säure in der Kellerwirtschaft ohne Deklaration zu gestatten, auf der anderen Seite das Ausschließen gesundheitsschädlicher Stoffe strikte zu fordern. Die Deklaration muß in geeigneter Form geschehen.

Wenn man in dieser Weise die prinzipielle Frage zu lösen sucht, wird es möglich, die technische Ausführung der Nahrungsmittelgesetzgebung mit den hygienischen Forderungen in Einklang zu bringen und die Ausführungsbestimmungen werden sich von gröberen Mängeln freihalten können. Zur Zeit ist in dieser Weise vielleicht nur bedenklich das übermäßige Entgegenkommen in der Verwendung von Farbstoffen, welche über die natürliche Beschaffenheit der Ware zu Täuschungen führen können, über die ein eindeutiges Urteil manchmal nicht immer möglich ist. Alle zugelassenen Schönungs- und Appreturmittel

dürfen niemals dazu dienen, daß minderwertige oder bereits verdorbene Waren das Ansehen einer erstklassigen und normalen Ware erhalten.

Die Aufzählung verbotener Mittel darf nicht zu der Auffassung führen, daß deshalb die anderen erlaubt sind. Erlaubt werden dürfen nur solche Mittel und Methoden, welche sich bei der Prüfung als Fortschritt und hygienisch unbedenklich ergeben. Nur dann kann das Einschleichen von Fälschungen und betrügerischen oder gesundheitlich unzulässigen Manipulationen verhindert und einem Mißbrauch von Handelsbezeichnungen mit Erfolg entgegengetreten werden.

II, 3

Ueber die Bedürfnisse der Nahrungsmittelgesetzgebung.

Von

Geh. Med.-Rat Dr. R. Abel (Berlin).

In fast allen Kulturstaaten hat man erkannt, daß die für das Volkswohl so außerordentlich wichtigen Verhältnisse des Lebensmittelverkehrs einer besonderen gesetzlichen Regelung bedürfen, weil die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften für die Bestrafung von Körperverletzung und Betrug nicht genügen, um Schädigungen des Volkes im Lebensmittelverkehr zu verhüten.

Eine dreifache Aufgabe ist es, die sich die Nahrungsmittelgesetzgebung als Ziel zu setzen hat:

Verhinderung von Gesundheitsschädigungen durch die Nahrungsmittel des Handels.

Abwehr von Beeinträchtigungen der Volksernährung durch Nahrungsmittel von minderem Nährwert.

Verhütung wirtschaftlicher Benachteiligung der Nahrungsmittelkäufer durch den Verkehr mit nachgemachten, verfälschten, verdorbenen, überhaupt minderwertigen Lebensmitteln.

Was zur Vermeidung von Gesundheitsschädigungen durch Nahrungsmittel zu geschehen hat, kann nicht zweifelhaft sein: Gesundheitsschädliche Nahrungsmittel in den Verkehr zu bringen, muß ganz verboten und mit strengen Strafen bedroht werden.

Anders liegt die Sache bei den im Nährwert oder in ihrer sonstigen Beschaffenheit minderwertigen Nahrungsmitteln. Ein Teil von ihnen hat keine Berechtigung als Nahrungsmittel für den Menschen, ist daher vom Verkehr gleich den gesundheitsgefährlichen Nahrungsmitteln auszuschließen. Das klassische Beispiel dafür sind die aus Ton hergestellten Kaffeebohnen. Andere Nahrungsmittel dieser Art haben dagegen ihre berechtigte Bedeutung, weil sie wirtschaftlichen Erfordernissen der minder bemittelten Klassen entgegenkommen. Als Beispiel diene die Margarine, die, wie ihre Geschichte lehrt, eine Nachahmung der Butter sein soll und ist. Als solche ist sie heute dem Volke unentbehrlich. Die Nahrungsmittelgesetzgebung kann demnach minderwertige Waren nicht durchweg vom Verkehr ausschließen. Durchsetzen muß sie aber, daß jedes Lebensmittel, das in seinem Nährwert nicht als vollwertig gelten kann, das nachgemacht, verfälscht, verdorben, oder irgendwie minderwertig ist, nur in solcher Form und Bezeichnung dem Publikum dargeboten wird, die dem Käufer keinen Zweifel über die Minderwertigkeit der Ware läßt. Damit wird zu

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