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gedruckten Schriften debattirt ward. Necker war freilich damalı noch Privatmann, er war aber ein angesehener Bankier, der nicht blos mit der Theorie des Handelswesens sehr vertraut war, son= dern auch große Erfahrung hatte; er war daher eine bedeutende Autorität. Morellet erkennt dies nicht an; er wirft Necker vor, was oft den Genfern wegen ihres doktrinären Treibens, ihrer Eingebildetheit von sich selbst und ihres Wortschwalls vorgeworfen wird. Er sagt nämlich in seiner Schrift von Neckers dickem Buche: Es würden darin gar viel Worte und Phrasen ge= macht; alles Gerede führe aber doch am Ende zu einem ganz unbedeutenden Resultat. Morellet gab da= her seiner Schrift auch nur den Titel einer Rezension des Neckerschen Buchs (Analyse de l'ouvrage de la législation et du commerce des blés).

Wir sollten jezt noch von einigen Andern, von Mirabeau, Beaumarchais, Briffot, La Clos oder richtiger de la Close, Louvet, Condorcet, der Frau Noland und Andern reden, diese aber gehören schon der Revolution an, wir können ihrer daher erst im folgenden Bande gedenken.

Des zweiten Abschnitts drittes Kapitel.

Deutsche Literatur im Verhältniß zum deutschen Leben.

S. 1.

Deutsche Universitätsphilosophie und Theologie
bis auf Fichte.

A. Philosophie.

In die Geschichte der philosophischen Wissenschaft einzugehen ist dem Zwecke eines Werks, welches sich nur mit den Erscheinungen des menschlichen Lebens, nicht mit dem Wesen desselben, beschäftigen soll, eben so fremd, als Aufzählung von Büchern und

oystemen; keines von beiden darf man im Folgenden suchen. Wir reden bloß von der Bildung, welche die Klaffe von Menschen, die sich mit Literatur beschäftigten, und deren Zahl bis nach dem fiebenjährigen Kriege, wie Sulzer bezeugt, selbst in Berlin sehr klein war, durch den Unterricht, der auf den Universitäten ertheilt ward, erhalten, und durch Lehre, Predigt, Schriften unter dem Volke verbreiten konnte.

Die Nation nahm an dem literarischen Leben wenig oder gar keinen Antheil; die zahllosen Bücher, aus denen das Volk jezt einen faßlichen Unterricht über alle Theile der Wissenschaft und geistige Unterhaltung schöpfen kann, waren entweder noch nicht geschrieben, oder doch nur wenigen Privilegirten zugänglich. Das gab den Orakeln der Studenten eine ganz andere Bedeutung, als sie jezt haben können. Die Enge des deutschen Lebens, die unzähligen erbärmlich kleinen Höfe mit großen Prätenfionen, die Reichsstädte mit ihrer Pedanterie und ihrer Krämerei, der Mangel einer Hauptstadt nöthigte die auf den Universitäten gebildeten Männer, in dem prosaischen Geschäftsleben, in Kanzleien und an Höfen ihr ganzes Leben hindurch geistig von dem zu leben, was sie ehemals im Hörsaale irgend eines sogenannten berühmten Docenten niedergeschrieben hatten. Dies ist es, was dem größten Theile der an und für sich vielleicht unbedeutenden Männer, deren wir hier erwähnen wollen, in Beziehung auf Nationalbildung eine große Wichtigkeit gibt. Es mußten ja selbst die Decretirmaschi- . nen der Gerichte und Kabinete, die vielen gelehrten Formelmänner der Kanzleien, die Aerzte, ja sogar die vornehmen Herren, die sich des Studierens wegen mit ihren Hofmeistern auf den Universitäten aufhielten, philosophische Vorlesungen gehört haben. Es nahm sogar bis 1770, wie man bei Pütter sehen kann, die Noblesse und die zu ihr gehörenden Publicisten an der auf Universitäten geltenden systematischen Theologie, als an der Stüße aller kleinen Throne, großen Antheil.

Da jeder deutsche Gelehrte, das heißt jeder, der nicht die Cavaliers-Bildung hatte, denn diese war durchaus und ausschließend französisch, das System der Universität seines Landes und des berühmten Mannes auf derselben, bei dem er gehört hatte, sein ganzes Leben durch als Leitstern seines Denkens und Han

delns betrachtete, so sollten wir hier eigentlich alle kleinen word großen Universitäten Deutschlands aufzählen. Wir sollten, weil nur von der lezten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts die Rede ist, die Lehrer der Philosophie, welche in Rostock, Erlangen, Altdorf, Tübingen, Ingolstadt Aufsehen machten, ebensowohl aufzählen als die Männer, welche nacheinander oder nebeneinander in Göttingen, Leipzig u. s. w. Epoche machten; wir verschmähen aber diese Vollständigkeit und erwähnen nur, was uns passend für unsern ganz besondern Zweck scheint. Gelegentlich müssen wir jedoch bemerken, daß gerade in dem Zeitraum seit Wolfs Rückkehr von Marburg nach Halle bis auf Reinholds und Fichte's Auftreten in Jena, zum ersten Mal eine nicht vom Katheder und von Universitäts- und Studentenpropheten gepredigte Philosophie in lesbaren Büchern, nicht in Compendien, in gutem Deutsch, nicht in einer nur Adepten verständlichen Terminologie der deutschen Nation, gelehrt ward. Wir meinen Lessing, Mendelssohn, Herder und Jacobi.

Was die Philosophie der deutschen Bildungsanstalten angeht, so hatten die Pietisten durch die Verfolgung, welche sie über den Philosophen Wolf durch den orthodoren König Friedrich Wilhelm von Preußen verhängen ließen, die deutsche Philosophie von Halle nach Marburg getrieben, wohin die Zuhörer dem vertriebenen Lehrer gefolgt waren. Als Friedrich II. den baronisirten Philosophen zurückrief, fand er den Zulauf der Studenten, den er früher gehabt hatte, zwar in Halle nicht wieder, dafür ward er aber als Schriftsteller desto berühmter. Er stiftete eine philosophische Secte, welche bis auf Kants Zeit die zahlreichste in Deutschland war. Er befriedigte die deutsche Vorliebe für Gründlichkeit und bis ins Kleinste gehende Genauigkeit und Ausführ= lichkeit dadurch, daß er das Gold und Silber eines Leibniz, mit feinem eigenen Kupfer verfeßt, in zahlreichen Quartanten, die in furchtbarem Latein geschrieben sind, ausmünzte. Er war ursprünglich Mathematiker, er nannte seine Methode die mathematische, trieb aber das sogenannte Demonstriren so weit, daß endlich die armen Deutschen, als sie ihrem Orakel blindlings folgten, wenig dadurch gewannen, daß durch Wolf die scholastische Methode und die scholastische Lehre des Mittelalters von den Kathedern nicht

bus der protestantischen, sondern auch der katholischen Universitäten verbannt ward.

Man müßte ganz im Tone der Satyre reden, wenn man beschreiben wollte, auf welche Weise zur Zeit des siebenjährigen Kriegs die Wolf'sche Philosophie, so wie später die Kant'sche die deutschen Köpfe verwirrte und in allen Fächern ein höchst lächer= liches Demonstriren hervorrief. Auf allen Kanzeln wurden Predigten in' mathematischer Methode gehalten, in theologischen und andern Lehrbüchern wimmelte es von Ariomen, Lehrsägen, von Theorien, Definitionen, Divisionen, Distinctionen und haarscharfen Beweisen solcher Dinge, die sich zwar glauben, anschauen, empfin= den, aber niemals mathematisch demonstriren lassen. Um Gründlichkeit, Ordnung, Deutlichkeit erwarb sich Wolf, gerade weil er vom mathematischen Wissen ausgegangen war, große Verdienste, darauf legten aber die Nachbeter und Bewunderer viel weniger Werth, als auf die Erfindung einer bestimmten Terminologie und auf die Breite und die Anmaßung, alles Wissen in die Begriffe seines Systems zu preffen. Es kam dahin, daß in jener Zeit jeder Wolfianer, wie später der Kantianer, Fichtianer, Schellingianer, wenn er einige Bücher über reale oder historische` und Erfahrungswissenschaften durchblättert hatte, über alles Mögliche entscheidend absprechen durfte, sobald er die Orakel und die Terminologie des Mannes, der ihn entzückt hatte, auswendig wußte und fertig anwendete.

Daß Wolf zuerst die philosophische Allwissenheit der deutschen Sectenhäupter und ihrer jugendlichen Schüler begründete, geht schon aus dem Verdienst hervor, welches ihm die Deutschen allge= mein zugeschrieben haben, daß er nämlich zuerst eine Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften aufgestellt habe. Seine Quartanten behandelten nämlich die theoretische Philosophie in folgenden Abtheilungen: Logik, Ontologie, Psychologie, Kosmologie, Theologie (die lezten vier unter dem allgemeinen Namen Metaphysik); die praktische Philosophie in folgende Fächer ge= theilt: allgemeine praktische Philosophie, Ethik, Naturrecht, Politik. Wir haben schon im ersten Bande an der Stelle, wo von Bodmer und Breitinger die Rede war, bemerkt, daß erst Wolfs Schüler, Baumgarten, auch Kunst und Poeste der speculativen

Philosophie und den Systemen der Schule unterwarf. Herder leitete hernach die Philosophen darauf, auch in den historischen Wissenschaften ihre strengen Gebote geltend zu machen. Er trug Geogonie, Ethnographie, Geschichte und was damit zusammenhängt, auf den seraphischen Schwingen seiner Art Philosophie und auf den cherubischen der Poesie zu luftigen, Höhen empor. Wolfs praktische Philosophie behauptete sich länger als seine Spekulation und sein mathematisches Demonstriren, und machte, des alten Gewandes beraubt, noch am Ende des Jahrhunderts zwei Männer, bei unserer an Moralisiren gewöhnten und dem Eudämonismus günstigen Nation, sehr berühmt. Diese Männer waren Platner und Garve, welche das Wesen der Wolf'schen Philosophie beibehielten, Form, Darstellung und Richtung aber änderten, und deßhalb hier auch nur im Vorbeigehen erwähnt werden dürfen.

Halle war damals, troß aller Bemühungen Friedrichs II., Pflanzschule für pietistische Lehrer und für orthodore Theologen, bis Semler später eine andere Nichtung angab und Friedrichs aufgeklärte Minister und Räthe Eberhardt anstellten. Wolfs Philosophie erhielt sich dort nur in theologischer Form. Siegmund Jakob Baumgarten übernahm als Profeffor der Theologie das schwere Geschäft, die Theologen mit Wolfs System auszusöhnen und wandte das neue System auf die alte Theologie und Ascetik an, ohne diesen im Geringsten wehe zu thun, während sein Bruder, Alexander Gottfried, Wolfs System in die praktischen Fächer brachte, und eine Wissenschaft erfand, die man Aesthetik nennt.

Jakob Siegmund Baumgarten fand in Halle den Pietismus und die strenge lutherische Orthodorie in Zwiespalt, er wußte seines Lehrers Wolf Demonstrir- und Definirmethode anzuwenden, um sie zu vereinigen und philosophisch zu machen. Baumgarten benußte in seinen Vorlesungen bald einmal Freylingshausens Grundlegung der Theologie, bald des berüchtigten Lange, der durch seine Kabalen Wolf aus Halle vertrieben hatte, Oekonomie des Hetls (Oeconomia salutis evangelica etc.). Fr zog die Theologen nach Halle, wie sein Bruder die Juristen nach Frankfurt a. d. Oder. Die beiden Baumgarten führten aus, was Bilfinger, Reusch, Winkler, Baumeister, Canz, Cramer, Gott= sched, jeder in seiner Art, versucht hatten, und was Ploucquet und

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