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Der ganze Vortheil dieser Katastrophe ward wie gewöhnlich den gut berechnenden Engländern zu Theil; den Schimpf hatte Frankreich; den Schaden die Republik der sieben Provinzen; den eiteln und augenblicklichen Ruhm eines Siegs, ohne einen Feind bekämpft zu haben, kaufte Preußen mit einem sehr schweren Geldaufwand zu einer Zeit, als der neue König die von seinem Vorgänger gesammelten Schäße auch auf jede andere Weise_leicht= sinnig verschwendete, Was zunächst England betrifft, so erreichte es blos durch politische Künste und durch die Rolle, welche Harris bei dieser ganzen Revolutionsgeschichte vermöge der Prinzessin spielte, ein Ziel, nach dem es das ganze Jahrhundert hindurch vergeblich gestrebt hatte. Es unterdrückte nämlich die französische Partei in den Niederlanden gänzlich und schloß eine innige und nothwendige Verbindung mit der Gegenpartei der Republikaner, die sich an Frankreich zu halten pflegten. Es ward im April 1788 ein Defensivtraktat zwischen Holland, Preußen, England geschlos= sen, der für Preußen nicht den geringsten Vortheil hatte, wodurch aber Holland, dem in diesem Traktat seine Verfassung, das heißt die Regierung des Erbstatthalters verbürgt ward, später in den Revolutionskrieg hineingezogen wurde.

In Frankreich benußte die Partei, die schon damals dahin arbeitete, durch den Sturz des regierenden Zweigs der Bourbons, von dem durchaus keine Aenderung des veralteten Systems der Regierung zu erwarten war, eine neue Einrichtung des Reichs möglich zu machen, den Unwillen der Nation über die preußische Expedition auf dieselbe Weise, wie sie vorher die Unzufriedenheit über die Geldzahlung an den Kaiser bei der Vermittelung der Streitigkeiten über dessen Forderungen an Holland benugt hatte. Die auf ihre militärischen Eigenschaften mit allem Recht stolzen, und bis zum Kindischen auf ihre Nationalehre eifersüchtigen Franzosen haben es weder dem damaligen Ministerium, noch ihrem schwachen Könige je verzeihen können, daß auf die bloßen Drohungen der Engländer nicht blos die Rüstungen gleich eingestellt, sondern auch die geflüchteten Holländer entwaffnet und von den Gränzen entfernt wurden.

Preußen ward durch die unzeitige Großmuth des Königs in sehr bedeutende, ganz unnöthige Kosten gestürzt, weil, wenn es

wirklich nöthig war, die Verhinderung der Reise einer preußischen Prinzessin mit den Waffen zu rächen und sie und ihren Gemahl mit einer Armee zurückzuführen, es doch höchst ungerecht war, den armen Preußen zuzumuthen, aus ihrem Beutel zu bezahlen, was die reichen Holländer gefündigt hatten. Durch das Glück dieses schnellen Zugs gegen Spießbürger und schlecht geübte Soldaten vermehrte sich außerdem in Preußen die militärische Bürgerverachtung der adeligen Officiere, besonders der Garde, und das Selbstvertrauen und die Einbildung des Herzogs von Braunschweig von seinen eignen sehr großen Feldherrntalenten, in welcher sowohl Mauvillon als Mirabeau diesen Oberanführer der preußischen Armee bestärkt hatten, bis auf einen unglaublichen Grad, daß selbst die Erfahrung in der Champagne weder die Officiere noch ihren Chef von ihrer Verblendung heilen konnte.

Um diese Zeit glich Friedrich Wilhelms Regierung dem Ende der Regierung Ludwigs XV.; denn auch der König von Preußen hoffte, wie Ludwig, Gott wegen aller Sünden des Fleisches durch blinden Glauben und wilde Schwärmerei, besonders aber durch Eifern für die alte rechte Lehre und für den alten Kirchenglauben verföhnen zu können. Wöllner, der anfangs wenigstens äußerlich hatte an sich halten müssen, weil der König nicht sogleich als Reactionär hatte erscheinen wollen, durfte sich mit einer Schaar Steifgläubiger umgeben, ein sogenanntes Religionsedict erlassen und gegen den Nationalismus wüthen. Er hatte dabei einen schwerern Kampf als die, welche in unsern Tagen in seine Spuren treten, weil er dabei nicht wie diese, von zwei Parteien, von den Unverbesserlichen oder Köhlergläubigen und von den mit Redensarten und Modephilosophie und Poefie Spielenden, die nach der Mode und dem Ton der Zeit bald gläubig, bald ungläubig sind, unterstüßt ward. Wollte man übrigens Scandale oder Satyre statt Geschichte schreiben, so böte die preußische Geschichte der Zeit Friedrich Wilhelms II. dazu denselben reichen Stoff, als die Geschichte Ludwigs XV. Der durch den Zug nach Holland vermehrte Uebermuth und die Verachtung alles Bürgerlichen und der Moral war nämlich unter dem preußischen Adel damals eben so herrschend geworden als unter dem französischen Hofadel. Der Hochmuth und das thörichte Selbstvertrauen dieser fittenlosen Zeit,

wo man jeden steif rechtlichen Mann einen unbrauchbaren Pedan= ten schalt, überlebte sogar den unglückseligen Zug in der Chám= pagne und ward bis auf die Zeit der Schlacht bei Jena fort= gepflanzt. Wir alle freuten uns daher sehr, als das auf diese Schlacht folgende Elend eine völlige Wiedergeburt unter den Preußen bewirkt zu haben schien, und als endlich einmal das Prahlen und Pochen verschwand. Wir alle hofften damals, daß der despotische und servile Geist übermüthiger Beamten und Officiere gänzlich und auf immer verschwunden sei.

Wir wollen weder hier, noch im Folgenden uns auf Hofge= schichten einlassen, weil wir auch in den französischen Geschichten einen gleichen Grundsat befolgt haben und befolgen werden; obgleich leider! darüber die Quellen am reichhaltigsten sind, und den, der nur Zeitvertreib im Lesen sucht, besser unterhalten als ernste Geschichte thun würde. Mirabeaus Briefe enthalten schon einen guten Vorrath von Klatschereien, wahren und falschen; nach 1806 erschien aber bekanntlich eine ganze Bibliothek von Schriften über die preußische Hofgeschichte. Schon die allgemein bekannten Geschichten und das tägliche Leben eines schwachen von Sinnlichkeit und Fantasie, also auch durch Aberglauben und Mysticismus beherrschten Königs sind anstößig genug; die geheime Geschichte der Scandale jener Zeit würde viele Bände füllen. Dahin gehört z. B., daß anfangs die Königin, die längst die Rolle spielte, welche Ludwigs XV. Gemahlin an seinem Hofe hatte, geneigt gewesen war, für Geld ihre Einwilligung zu geben, daß das Fräulein von Voß dem Könige an der linken Hand angetraut werde, so daß der fromme König zu gleicher Zeit zwei Frauen, unzählige Beischläferinnen und eine erklärte Mätresse in der Frau Riez würde gehabt haben. Die Rieß machte übrigens bei Friedrich Wilhelm, wie die Pompadour bei Ludwig XV. die Gelegenheitsmacherin.

Als das Fräulein von Voß 1789 gestorben war, begann nämlich die Tochter des Waldhornisten Enke, die der König mit seinem Kämmerer Niet vermählt und deren Sohn er unmittelbar nach seinem Regierungsantritt zum Grafen von der Mark gemacht hatte, erst eigentlich ihre Rolle zu spielen. Sie trieb das Ge= schäft der Pompadour, welche bekanntlich für Ludwig XV. auf

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eine Weise sorgen mußte, die ihr allein bekannt war und bekannt sein konnte. Sie ward die Hauptperson im Reiche, und wie es in diesem Reiche aussah, welche Rolle sie darin als Gräfin von Lichtenau spielte, hat sie uns selbst durch ihren Defensor sagen lassen. Das von ihr eingegebene, durchaus gemeine und unver= schämte, mit gemeinen und niederträchtigen Aktenstücken gespickte Buch, welches der Prorector Schummel in Breslau in unserm Jahrhundert herausgab, 17) ist nicht, wie Mirabeaus Briefe, ge= schrieben, um Alles ins Schwarze zu malen; sondern um so viel wie möglich Alles zu rechtfertigen. Wer einigen Takt hat, wird sich aus diesem Büchlein allein schon ein Gemälde der Berliner Zustände entwerfen können, welche übrigens nicht mehr in die hier behandelte Periode gehören.

S. 3.

Belgische, holländische, französische innere Streitigkeiten. c. Frankreich.

Wir haben uns bemüht, in der ersten Abtheilung dieses Bandes durch die Geschichtserzählung und durch ihre Anordnung und Einkleidung handgreiflich zu machen, daß es nicht die jähr= liche Lücke in der Staatseinnahme und die steigende Unmöglichkeit, die jährlichen Ausgaben zu bestreiten, an und für sich selbst wa= ren, welche das Bedürfniß einer gänzlichen Veränderung der Staatsverfassung schon unter Ludwig XV. allgemein fühlbar machten. Wir haben gezeigt, daß es unmöglich war, die Mittel zu benußen, welche die Zeit und die neue Wissenschaft der Staatshaushaltung erforderten, wenn nicht eine völlige Reform des Hergebrachten erfolgte. In allen Ländern Europas waren nach und nach viele Veränderungen, wenn auch nicht gerade zum Bessern

17) Apologie der Gräfin Lichtenau gegen die Beschuldigungen mehrerer Schriftsteller. Von ihr selbst entworfen. Nebst einer Auswahl von Briefen an sie. Erste und zweite Abtheilung. Leipzig und Gera, bet Wilhelm Heinsius. 1808. 298 u. 306 S. gr. 12.

Schlosser, Gesch), d. 18. u. 19. Jahrh. IV. Thl. 4. Aufl.

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gemacht worden. In Frankreich hatte man nicht einmal Hierarchie und Aristokratie in unwesentlichen Dingen beschränkt, wie doch Maria Theresia im streng conservativen Oesterreich zu thun ge= wagt hatte. Die Maschine blieb wie sie unter Ludwig XIV. gewesen war, aber alle Räder waren rostig und die Feder verlor alle Elasticität. Weder der Wechsel der Finanzminister hatte ge= holfen, noch hätte die Sparsamkeit des Hofes, die Verminderung der Ausgaben und Vermeidung neuer Schulden, welche Necker als Universalmittel empfahl, auf die Dauer helfen können. Für den Augenblick wäre freilich die Sparsamkeit, wozu er rieth, nicht ganz überflüssig gewesen und die leichtsinnige Verschwendung der Prinzen war keineswegs, wie Calonne zu behaupten sich unterstand, als Mittel, Gewerbsamkeit zu ermuntern, dem Staate unentbehrlich.

Schon seit Ludwigs XIV. Zeiten war die französische Staatskaffe entweder wirklich im Bankerott oder in der Lage eines großen Hauses, das bald einmal seine Zahlungen einstellt, bald sich auf jede Art, redlich oder unredlich, aus der augenblicklichen Verlegenheit hilft und sie wieder aufnimmt. Es kam darauf an, im Namen und mit Hülfe des Volkes auch die bisher Privilegirten zu gleichen Beiträgen mit den andern Staatsbürgern zu zwingen und zugleich alle Hemmnisse und Beschränkungen der Betriebsamkeit und des Verkehrs wegzuräumen; um dies zu thun, hätte man aber Adel und Geistlichkeit gebrauchen müssen, die sich wohl hü= teten, Lasten auf sich zu laden.

Es scheint uns, als wenn man auf Neckers Grundsäge, wie auf sehr viele andere ganz zufällige, zu jeder andern Zeit unbedeutende Dinge, ja sogar auf das sogenannte Deficit und auf den Aufwand der Prinzen, der, verglichen mit dem, was unter Ludwig Philipp und auch gegenwärtig wieder ganz ohne allen Nugen für die Gesammtheit ausgegeben wird, ganz unbedeutend erscheint, bei einer Weltbegebenheit, wie die Revolution, welche eine reife Geburt der seit der Regentschaft mit einer gänzlichen Umgestal= tung schwangeren Zeit war, viel zu große Bedeutung gelegt hätte. Man kann jedoch ohne Bedenken zugeben, daß Neckers liberale Ansichten und sein Anleihesystem, wie Calonnes Leichtfertigkeit und Verschwendung für den Hof, die Prinzen, Günftlinge und

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