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Condorcet hat daher auch an der Stelle, wo er die Schriftsteller seiner Nation in zwei Klaffen theilt, mit vollem Rechte Büffon in die zweite gebracht, an deren Spize er Corneille stellt, Boileau dagegen steht an der Spize der Ersten. Er sagt näm= lich, was den Styl betreffe, so hätten ihn entweder die Schrift= steller der klassischen Zeit desselben, wie Boileau, Racine, Fenelon, Massillon, Voltaire auf die Ueberzeugung und den Verstand der Leser berechnet, oder wie Corneille, Bossuet, Montesquieu, Rousseau, Büffon auf Ueberredung, auf Bestechung des Gefühls, auf ein Fortreißen des Verstandes ohne eigentliche Ueberzeugung. Büffon hatte mit der Politik nichts zu schaffen, er war viel zu behutsam, als daß er, wie die Herrn seines Kreises, religiöse Vorurtheile geradezu hätte angreifen sollen; er zerstörte aber die Systeme der Theologie eines Bonnet und die theologische Naturwissenschaft eines Haller, auch ohne alle Polemik. Seine Systeme, seine Hypothesen, seine kühnen Blicke, seine Aufschlüsse über den Zusammenhang der Erscheinungen, obgleich sie nur selten die Prüfung späterer Kenner und Forscher ausgehalten haben, warfen doch auf Natur, Leben, Organisation und Entstehung der Dinge ein Licht. Auf diese Weise ward auch von ihm das Dunkel des Mittelalters zerstreut, die Theologie von der Naturwissenschaft ausgeschlossen, und das ganze Leben des Menschen erhellt.

Die rechtgläubigen calvinistischen Naturforscher merkten gleich anfangs das, was dem sonst so scharfen Geruche der katholischen Theologen, ihrer Parlamente und ihrer Polizei entging; denn sowohl Haller, der auch mit Voltaire in stetem Kampf war, als Bonnet, der bekanntlich die sogenannte Physikotheologie bis zum äußersten Grad der Lächerlichkeit trieb, erhoben sich gegen ihn. Nicht blos Haller, sondern auch Bonnet waren unstreitig bessere Beobachter, Forscher und Kenner des Einzelnen, sie waren der eigentlichen Wissenschaft der Natur mächtiger als Büffon, die Theologie lieh ihnen aber immer ein Glas, welches sie doppelsichtig machte, und die Scheu vor einem biblischen Worte, welches doch nur Kleid der Offenbarung, nicht die Offenbarung selbst sein kann, hielt sie ab, dem Fluge seines Geistes zu folgen, doch waren sie stets unter seinen Gegnern die furchtbarsten. Auch unter den Philosophen fand freilich Büffon in Condillac einen

Gegner; dieser richtetete sich aber gegen seine Systeme und Hypothesen, worauf wir uns weder einlassen können, noch wenn wir auch könnten, wollten, da wir Büffon blos deshalb erwähnen, weil er von allen Andern am mehrsten beigetragen hat, das neuere Leben aus dem dunkeln Grübeln des Mittelalters ins Licht der Erfahrung zu ziehen.

S. 3.

Philosophische Staatsökonomen und Politiker.

In der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts war England auf der Höhe seines durch Handel und Betriebsamkeit ganz auf äußeren materiellen Genuß und Behaglichkeit gerichteten Strebens, es war damals die, mit einem unermeßlichen Reichthum des einen Theils stets verbundene, unaussprechliche Armuth des andern noch nirgends auffallend; alle Staaten blickten daher neidisch auf die reichen und comfortabel eingerichteten Britten, und ein reicher Lord war stets der Theatergott der Romane. Die bis ins Unglaubliche vermehrten Quellen des Reichthums in England, der Handel, die Gewerbe, die Betriebsamkeit, der großartig_von Kapitalisten wissenschaftlich und kaufmännisch betriebene Landbau_er= regte in Frankreich um so mehr Aufmerksamkeit, je weniger Behaglichkeit dort die ganz ausschließend besteuerten Klassen der Bevölkerung genossen, je auffallender das jetzt zum Theil verschwundene Elend der Hauptmasse des Volks, je ärmer die Schahkammer eines so vortrefflich mit allen Produkten des Südens und Nordens ausgestatteten Reichs war. Man sollte denken, daß damals wie jezt der Wunsch, die Staatskasse aus dem Vermögen der Privatleute zu füllen und dem Lurus der Reichen neue Mittel zu schaffen, auf die Idee der Staatsökonomie geführt hätte; dies war aber nicht der Fall, sondern die Erfindung der neuen Wissenschaft war eine Folge der von den Philosophen verkündigten allgemeinen Menschenliebe. Ein Arzt Quesnay und ein Kaufmann Gournay stellten jeder ein eignes philosophisches System auf über den Reichthum der Staaten, über die Quellen des Erwerbs und die Mittel, diefen zu fördern und auf diese Weise zu gleicher Zeit den Wohlstand der arbeitenden Klassen und

die Einnahme des Staats zu vermehren. Quesnay, der begünftigte Leibarzt Ludwigs XV., war der Sohn eines Gutsbesizers, und enthusiastischer Freund ländlicher Beschäftigungen. Er war durch seine chirurgische Geschicklichkeit dem Könige und der Pompadour sehr wichtig und mit ihnen vertraut; er war daher am besten im Stande, den König für sein System, welches den Reichthum eines Landes ausschließend in Kultur des Bodens suchte, zu gewinnen. Auf diese Weise ward die Pompadour zu manchen Schritten bewogen, die der bürgerlichen Freiheit günstig waren, und der König ließ manches Neue einführen, nur damit das System in Anwendung gebracht werden könnte. Quesnays Grundsaß, wie seine Stellung, war rein monarchisch, obgleich er freilich sein System mit dem, was man damals in Paris Philosophie nannte, in Verbindung zu bringen suchte, und den Enchklopädisten befreundet war. Schon Sülly hatte bei der Staatsverwaltung unter Heinrich IV. dieselben Grundsäße praktisch befolgt, welche Quesnay theoretisch vortrug. Quesnay erkannte zwar drei Klassen von Arbeiten, schaffende, vertheilende, erhaltende; aber die erste Klasse (producteurs) war ihm doch die im engsten Sinne zu berücksichtigende; also nahmen Fischerei, Landbau, Steinebrechen, Holzbau, Bergbau den ersten Plaz unter den Gewerben ein. Der menschenfreundliche Mann schrieb aus wahrer Theilnahme an dem unglücklichen Schicksale des französi= schen Bauernstandes, er wußte den König, der bekanntlich auch Büffon für seine Forstspekulationen benußen wollte, für seine Erperimente als für Spielerei zu gewinnen. König Ludwig XV. ließ daher manche der kleinen ökonomistischen Aufsäße seines Arztes drucken, sah die Correcturbogen durch und corrigirte sie. Wie der König auf der einen Seite Quesnays Auffäße unter seinen Augen drucken ließ, so bedienten sich auf der andern auch die Encyklopädisten seiner, so weit auch seine religiösen und politischen Grundsäße von den Ihrigen entfernt waren. Sie bewogen ihn, die Resultate seiner Forschung über die Verbesserung des Systems, welches den Landmann drückte, in den beiden Artikeln, Korn (grains) und Pächter (fermiers) ihrer Encyklopädie einzuverlei= ben. Die Aufmerksamkeit der Gelehrten und der Güterbesizer ward durch diese Artikel auf Dinge gezogen, die man ihnen

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vorher nie so handgreiflich gemacht hatte; die Freunde der Pariser Philosophen bemächtigten sich seiner Ideen, um sie für ihre Absichten zu gebrauchen und manche Minister monarchischer Staaten, sowie einige vortreffliche Fürsten dieser Zeit machten von seinen Lehren bei ihren neuen Einrichtungen Anwendung. So wenig Quesnay gesonnen war, so weit zu gehen als die Männer tha= ten, die ihn vergötterten, welche schon damals an eine mögliche Veränderung des gesellschaftlichen Zustandes und der Regierung dachten, so drang er doch darauf, daß die Frohnden in Frankreich abgeschafft, der innere Verkehr von allen Zöllen befreit und der Getreidehandel völlig frei gegeben werden müsse. Der bessere, edelgesinnte Theil der Aristokratie huldigte um so lieber Quesnays Grundsägen, als die Gutsbesizer in Beziehung auf Bewirthschaftung ihrer großen Landgüter und der Domänen sehr gut ein= sahen, daß Quesnah Recht habe, daß der Bauern Vortheil auch der Ihrige sei.

Unter den Enthusiasten für Quesnays System müssen wir ganz vorzüglich den Vater des durch die Revolution unsterblich gewordenen Grafen von Mirabeau nennen. Diesen alten Mirabeau wie seinen Bruder, den Malteser Commandeur, muß man zu den provenzalischen Originalgentes zählen, die mit unbändigem Stolz Menschenfreundlichkeit verbanden, und, für große Ideen empfänglich, oft bis zum Wahnsinn begeistert oder erbittert auftraten. Aus den in unserm Jahrhundert bekannt gemachten Briefen von Mirabeaus Vater und Onkel geht hervor, daß, wenn auch der Erste der Berühmteste war, doch der Zweite ihn bei Weitem an provenzalischer Originalität übertraf. Mirabeaus Vater war das Original der mehrsten Volksmänner; er war, wie diese leider mehrentheils find, auf der einen Seite eifriger Demokrat, während auf der andern er und sein Bruder den provenzalischen Adelstolz, und zugleich die Anmaßung und Einbildung der Systematiker, wie aus ihrem übrigens höchst geistreichen und originellen Briefwechsel hervorgeht, bis zu einem ganz un= glaublichen Grade trieben. Mirabeaus Buch, nach dessen Titel man ihn zu benennen pflegte, so wenig menschenfreundlich auch fein Betragen war, führte den Titel, der Volksfreund. Der Marquis Victor Riquetti von Mirabeau, nach diesem Journal

der Volksfreund genannt, war nicht blos unermüdlicher Vertheidiger von Quesnays System, sondern auch dessen persönlicher Freund. Er hat über zwanzig Bände über die neue Staatsweisheit des ökonomischen Systems geschrieben, und eine Lobrede auf den Urheber desselben herausgegeben, die wegen des über die Maßen lächerlichen Tons, in dem sie abgefaßt war, ihrer Zeit eine ganz eigene Art von Berühmtheit hatte und den Spöttern reichen Stoff gab.

Der Volksfreund des despotischen Hausthrannen erschien um 1755 in fünf Bänden, machte aber die neue Wissenschaft weder klarer noch beliebter, denn fein Styl war deklamatorisch und abenteuerlich schwülstig, und sein eigener Charakter bildete einen zu großen Contrast mit der Lehre, die er predigte, als daß er viele Profelyten hätte machen können. Während er für das Wohl des Volks und für die Grundsäße, worauf seine Secte von Oekonomisten dieses zu gründen gedachte, auf eine komische Weise eiferte, bewies er sich bis zum höchsten Scandal als einen Haustyrannen, als den furchtbarsten Egoisten gegen Frau und Kinder und als schlechten Staatsbürger. Das willkürliche Verfahren der Regierung, oder wenn man will, der Minister Ludwigs XV. mit Mirabeaus Vater, und hernach auf Ansuchen dieses Vaters mit dem Sohne, erklärt und entschuldigt die Heftigkeit, mit welcher der Graf Mirabeau hernach, sobald es die Umstände zuließen, alles aufbot, um der Willkür der Minister gefeßliche Schranken zu sehen. Mirabeaus Vater nämlich oder der sogenannte Volksfreund, hatte nicht blos wegen seiner beiden Schriften über Nüßlichkeit und Nothwendigkeit der Provinzialstände viel auszustehen, sondern ward wegen seiner Abhandlung über das Abgabensystem (Théorie de l'impôt) sogar in die Bastille gesezt.

Wir nennen hier den Volksfreund Mirabeau blos wegen zwet Schriften, die er in Verbindung mit Quesnah geschrieben hat, nicht wegen der großen Zahl anderer, die er allein herausgab. Die eine enthält die ausführliche Entwickelung des Systems einer auf Benutzung des Reichthums des Bodens gegründeten Staatsverfassung, wie sie Quesnay ausgedacht hatte; die Andere enthält einen kurzen und klaren Inbegriff der wesentlichen Punkte des neuen Systems. Das eine dieser Bücher nannte er und sein

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