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Zweites Kapitel.

Zeiten der unruhigen Bewegung im Innern der Staaten des festen Landes bis auf die ersten Anzeichen der französischen Revolution.

S. 1.

Kaiser Joseph II. vom Tode seiner Mutter bis auf den Türkenkrieg.

Joseph II. wollte mit monarchischer Gewalt bewirken, was man in andern monarchischen Staaten mit Gewalt zu hindern sucht; er gerieth daher aus einem ganz entgegengeseßten Grunde als andere Autokraten mit dem Volke und mit dem Zeitgeiste in Zwist. Er wollte Verwaltung, Regierung und Unterricht, Erziehung und Einrichtung des Religionsverhältnisses, wie die Gesetzgebung und die Rechtspflege seiner Staaten verändern; das war freilich ohne Revolution und ohne das Volk zu Rathe zu ziehen unmöglich, und das Volk wollte Joseph nicht befragen. Josephs Geschichte ist daher die lange Leidensgeschichte eines Fürsten, der, vom besten Willen beseelt, mit dem Bestehenden kämpft, ohne Gehülfen und Bundsgenoffen zu finden, oder auch nur zu suchen. Er setzte seinen eignen gesunden Verstand dem Herkommen und Schlendrian, der Politik, dem Pedantismus, der Rechtswissenschaft, dem herrschenden Aberglauben, der Verfassung sogar und allen Urkunden entgegen; er mußte daher oft wider seinen Willen zum Tyrannen werden, um auch nur sogar die Einrichtungen durchzusehen, deren sich bis auf den heutigen Tag die Verständigen in Oesterreich freuen. Er allein ist seit Marimilian II. im Stande gewesen, einmal wieder ein dämmerndes Licht zu verbreiten; dieses Licht ist es, dessen sich die Freunde des Fortschreitens in Oesterreich jezt doppelt freuen und wegen dessen sie den Kaiser noch jezt im Stillen segnen. Sie erlangten diese Vortheile nicht immer ohne einige Ungerechtigkeit und Härte von

seiner Seite; Radicalreformen sind aber unvermeidlich mit temporärer Ungerechtigkeit und Härte verbunden.

Gleich beim Antritt seiner Regierung am 28. Nov. 1780 kündigte er an, daß er, auf das Bewußtsein seiner guten Absicht als Herrscher vertrauend, ohne Rücksicht auf Vorurtheile und Vorrechte der verschiedenen Völker und Stämme seines Reichs, nur das Wohl der Gesammtheit im Auge haben werde. Das hieß mit andern Worten, er werde die Bevollmächtigten der Böhmen,” Ungarn u. s. w. nicht befragen, sondern sie wie die germanischen Stämme seiner Unterthanen nach seiner deutschen Ansicht behandeln. Er wollte nicht einmal vom Palladium der Ungarn, von ihrer heiligen Krone und ihrer Verfassung etwas wissen, ließ sich auch nicht nach altem Brauch als Madscharenkönig krönen; daraus zogen sie für ihre Verfassung eine höchst ungünstige Vorbedeutung. In Belgien schien er anfangs das Vorurtheil scheuen zu wollen, weil ihn Tractate mit den Bürgen des Utrechter Friedens fefsel= ten. Er ließ sich nämlich als Herzog oder als Graf der verschiedenen Provinzen Belgiens persönlich huldigen und auf die bestehende Verfassung verpflichten. Schon damals (Juli 1781) schrieb er jedoch, nachdem er im vorigen Monat (Juni) Holland und besonders Amsterdam unter dem Namen eines Grafen von Falkenstein besucht hatte, den großen Unterschied der Gewerbsam= keit und des Wohlstandes, den er zwischen den sieben Provinzen und den belgischen beobachtete, ganz allein der in Belgien fortbestehenden Verfassung des Mittelalters, der Hierarchie und der Feudalität zu. In Wien machte hernach Joseph der seit undenklicher Zeit hergebrachten und unter Franz II. völlig wieder hergestellten Regierung der großen Familien und der Anstellung einer großen Anzahl vornehmer Herrn, welche die Geschäfte durch die unterge= ordneten Beamten, oder durch ihre Secretärs, oder auch gar nicht besorgten, plöglich ein Ende. Er richtete keine neue Hierarchie der Verwaltung ein, weil er mit Recht niemanden ganz traute, er wollte außerdem Alles selbst sehen, anhören und leiten, was unmöglich war. Er umgab sich in seinem Kabinet bloß mit Secretären, 91) hörte

91) Der Katser, heißt es in dem Beitrage zur Charakteristik und Regierungsgeschichte der Kaiser Joseph II., Leopold II.

selbst jedermaun an und war Tag und Nacht thätig; aber er vergaß, daß Harun Alraschids im Orient berühmtes Regierungssystem im Occident durchaus unanwendbar sei. Die Ankündigung des einen und untheilbaren österreichischen Reichs, die er ausgehen ließ, erschreckte daher auch die Ungarn, Böhmen, Belgier, Lombarden nicht weniger, als die Ankündigung der einen und untheilbaren helvetischen Republik um 1798 die mehrsten Cantons der Schweiz. Den Ungarn, oder doch einem ungarischen Magnaten, erklärt Joseph in dieser Beziehung um 1785 rund heraus, seine Regierung sei eine deutsche, und er wolle daher nicht einmal die Sprache der Millionen seiner Unterthanen, welche eine andere als die deutsche redeten, offiziell anerkennen. 92)

Joseph theilte daher ohne Rücksicht auf Nationalität seine ganze Monarchie in dreizehn Statthalterschaften, deren jede wieder in Kreise zerfiel. Dadurch ward den Ungarn gewissermaßen die Auflösung ihrer Jahrhunderte lang hartnäckig vertheidigten Constitution verkündigt, denn diese knüpfte sich an ihre heilige Krone, an die Krönung, welche der Kaiser vernachlässigt hatte und an die Abtheilung ihres Landes, welches Joseph in zehn Kreise theilte, statt daß es vorher in fünfzig Gespannschaften getheilt war. Die Veränderungen, welche der Kaiser vornahm und die unzähligen sich vielfach durchkreuzenden und nicht selten sich widersprechenden, aber immer wohlgemeinten Verordnungen Josephs aufzuzählen, gehört nicht zum Zwecke dieses Werks, man muß zu

und Franz II., ließ fast zu allen Stunden des Tags jedermann vor sich. Wollte man dem Monarchen etwas vortragen, so durfte man nur in den sogenannten Controleurgang gehen, der zu seinem Kabinete führte. Joseph fah fast alle Stunden heraus, und wenn Leute da waren, so sprach er mit ihnen oder führte sie in sein Kabinet. Er hatte keinen Thürsteher und Kammerherrn, sondern öffnete selbst jedermann die Thür und machte sie auch wieder zu.

92) Das sagt Joseph in einem Briefe in der oft angeführten Sammlung. Er ist vom Januar 1785 und war an einen ungarischen Magnaten gerichtet. Dort heißt es: Die deutsche Sprache ist Universalsprache meines Reichs; warum sollte ich die Geseze und die öffentlichen Geschäfte in einer einzigen Provinz nach der Nationalsprache derselben tractiren lassen? Ich bin Kaiser des deutschen Reichs, demnach sind die übrigen Staaten, die ich besize, Provinzen, die mit dem ganzen Staat in Vereinigung einen Körper bilden, wovon ich das Haupt bin.

diesem Zweck die zahlreichen Biographien des Kaisers, besonders die neueste von Groß Hoffinger zu Rath ziehen; auch findet man bei Dohm Vieles, was dahin gehört. Eine genaue chronologische Geschichte aller Veränderungen Josephs würden wir nur in dem Falle diesem Werke einverleiben, wenn wir im Einzelnen ent= wickeln wollten, auf welche Weise der Kaiser persönlich und allein mit seinen zum Theil durchaus verblendeten Zeitgenossen, mit Beamten und Ständen seiner Länder, mit Adel und Geistlichkeit, ja sogar mit den Juden und ihren Vorurtheilen in beständigem Streit war. Wir wollen aber nur im Allgemeinen andeuten, theils was er zu Gunsten seines im Geiste der französischen und italienischen Dekonomisten entworfenen Plans einer Totalreform versuchte, theils wo und wie er dabei auf unübersteigliche Hindernisse stieß.

Am glücklichsten war er in der Reformation des Zustandes der geistlichen Angelegenheiten seines Reichs; denn er begann gleich bei seinem Regierungsantritt und schritt so schnell vorwärts, daß man troß aller Bemühungen bis auf unsere Tage nicht im Stande gewesen ist, den alten Zustand gänzlich wieder zurückzuführen. Van Swieten hatte freilich schon unter Maria Theresia, deren volles Vertrauen er besaß, bei der Aufsicht über Hierarchie und Klöster, und der Abt Felbinger in Rücksicht des Unterrichts in den niedern Schulen und der Lehrbücher stille Verbefferung versucht, auch ward der Kaiser gerade in diesem Fache von allen den Männern Oesterreichs unterstüßt, welche an dem damaligen neuen Leben unserer Literatur Antheil nahmen. Desterreich befand sich aber gleichwohl damals gleich Baiern in geistlicher Beziehung in dem Zustande, worin es im siebenzehnten Jahrhundert gewesen war. Kaunih dachte über Geistlichkeit und Hierarchie nicht blos wie Joseph, sondern sogar wie die Pariser Philosophen, von denen der Kaiser nichts wiffen wollte; er unterstüßte daher den Kaiser in seinem Eifer gegen Papismus, Mönchthum und Hierarchie, obgleich er in andern Punkten mit dem eilfertigen Reformiren nicht zufrieden war. Die Männer, welche Joseph in geistlichen Dingen gebrauchte, verdienen schon darum genannt zu werden, weil sie als gelehrte und rechtgläubige Katholiken nur dem Papismus, dem Mönchthum, dem Jesuitismus und Fanatismus entge

gentraten, die eigentliche und reine katholische Lehre aber auf jede Weise zu erhalten und zu befestigen suchten. Die vorzüglichsten unter ihnen waren von Born, von Sonnenfels, von Greiner, der Prälat Rautenstrauch, der Baron Kresel, der Staatssekretär Molinari, die Pröbste de Terme und Wittola, der Unterkämmerer Valery, ein Riegger, ein Eybel, ein Schneller, deren bekanntere Namen wir anführen, um zu beweisen, daß es dem Kaiser an gelehrten Rathgebern nicht fehlte, und daß die vorzüglichsten Männer unter den Katholiken seine Schritte billigten.

Die Hauptveränderungen betrafen die Klöster. Man nahm es dem Kaiser sehr übel, daß er die Güter der aufgehobenen Klöster entweder ganz einzog, oder sie wenigstens unter der Aufsicht des Staats verwalten ließ. Dies war aber das beste Mittel, dem Mönchthum ein Ende zu machen. Sobald nämlich die arbeitscheue Jugend nicht mehr durch müßiges Wohlleben in die Klöster gelockt wurde, verminderte sich die Zahl derer, die sich als No= vizen anboten, täglich, so daß manche Klöster, welche sonst jährlich zwanzig Novizen zählten, deren kaum zwei hatten. Man tadelte freilich Joseph nicht ganz mit Unrecht darüber, daß er die Einkünfte der Klostergüter zum Religionsfond zog, wodurch Vieles verloren ward; dieser Tadel war aber ungerecht. Es fielen aller= dings beim Verkauf der geistlichen Güter und der Kirchengeräthe Unterschleife vor und es wurden Summen veruntreut; aber mit des Kaisers Wissen ward nie von der Religionskasse ein anderer Gebrauch gemacht, als der, für welchen die Kaffe bestimmt war.

Es waren bei der eingeführten Verwaltung die Ausgaben für das Heer für jedes Jahr gedeckt, die Militärkasse bedurfte also des Zuschusses nicht. Die Gelder des Religionsfonds wurden auf Erbauung von Kirchen und Ausstattung von Pfarreien und Anstellung neuer Pfarrer auf dem Lande, besonders in gebirgigen. Gegenden u. s. w. verwendet und ganz allein dazu angewiesen. Der Kaiser fehlte aber darin, daß er viele geistliche Güter unter ihrem Werthe verkaufen ließ und daß ihre Verwaltung mehr Geld kostete als Recht war.

Der Kaiser behauptete zwar immer, daß er sich in Religionsangelegenheiten nur in so weit mischen wolle, als es die äußere Disciplin oder das mit dem Kirchlichen verbundene ganz

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