Изображения страниц
PDF
EPUB

ben, einen ausgezeichneten Werth. Dohms Buch ist bekanntlich das Einzige der Art, welches ein deutscher Staatsmann über öffentliche Angelegenheiten einfach und klar ohne andere Rücksichten als die eines Biedermannes geschrieben hat. Dohm zeigt sich zwar mit Recht als Bewunderer Friedrichs II.; aber von alberner Ver= götterung, von blinder Billigung Alles dessen, was Friedrich II. that und dachte, wird man keine Spur bei ihm finden. Dies geht schon daraus hervor, daß Dohm seiner Zeit stets unter denen. glänzte, welche ihren Zeitgenossen und den Nachkommen in jener Periode Freiheit des Geistes und eine freiere bürgerliche Verfas= fung zu erkämpfen suchten.

Dohms Lebensgang und die stattswissenschaftlichen und historischen Schriften, die er bekannt machte, ehe er in preußische Dienste trat, zeigen ihn uns als den einzigen Mann, der die Tüchtigkeit der alten Bildung und die Fähigkeit eines brauchbaren Geschäftsmanns mit dem eifrigen Streben verband, das erstorbene, in Pedanterei, Gelehrsamkeit, Schlendrian erstarrte deutsche Leben durchaus zu reformiren. Er ergriff als junger Mann Basedows Gedanken, die Erziehung der Jugend dem Bedürfniß der Zeit anzupassen, mit großem Eifer; er war sogar eine Zeit lang bei Basedow in Dessau, bis er erkannte, daß Leute wie Basedow und Wolke weder andere als utopische Plane aushecken könnten, noch auch, wenn sie andere Plane faßten, im Stande sein würden, fie auszuführen. Unmittelbar hernach griff er zu F. H. Jacobi's großem Verdruß das von diesem und von der Mode damals überall begünstigte sogenannte physiokratische System der Staatswissenschaftslehre mit siegenden Gründen an, weil er als Verkündiger der Lehre von einem neuen Leben und einer neuen Geschichte darin eine Stüße des alten fand. An der Anstalt in Kaffel, welche der Landgraf oder eigentlich der Herr von Schlieffen in Gegensatz gegen die Universitäten des Mittelalters, deren Hauptsache die sogenannten Brodfächer waren, gründen wollte, war er eine vorübergehende Erscheinung. Die Zwitteranstalt in Kaffel zerfiel bald, oder, wie wir schon an einem andern Orte bemerkt haben, sie hatte aus Mangel an Schülern so wenig Bestand, als die medizinische und philosophische Fakultät, welche der Fürst Primas zu Frankfurt am Main gründete, welche mit

der philosophisch juristischen in Wehlar und der theologischen in Aschaffenburg eine Universität bilden sollte. An dieser, so lange sie bestand, war der Verfasser dieser Geschichte zwei Jahre lang angestellt.

In dem Jahre (1779), als einem der ausgezeichnetsten Män= ner Deutschlands, dem edeln und freiheitliebenden Georg Forster, an dem sogenannten Carolinum in Kaffel eine Zuflucht gegeben ward, ging Dohm von dort nach Berlin und trat seine diplomatische Laufbahn an, während der Schweizer Johannes Müller das historische Fach in Kaffel mit ungeheuren Ansprüchen und Anmaßungen übernahm. Dieser, immer nach Anderem strebend als nach dem, wozu ihn die Natur bestimmt hatte, ward bald darauf nach Mainz gerufen, um dem Kurfürsten mit seiner Feder zu dienen; er wandte sich also vom Lehren zum Schreiben und traf in Mainz mit Sömmering und Forster, der zuerst von Kaffel nach Wilna war gerufen gewesen, wieder zusammen. Müller, obgleich er als der Geschichtschreiber der Freistaaten vergöttert ward, war in Mainz wie später in Wien als Höfling durch die Gunst der Fürsten, Pfaffen und des hohen Adels beglückt, so lange er die Hierarchie und Feudalaristokratie, wie später den Bonapartismus vertheidigte; während Forster unglücklich lebte und elend starb, weil er den schönen Traum von Freiheit und Menschenrechten geträumt hatte und die dürre Realität zu spät erkannte.

Müller brachte damals eine ganz neue und eigne Art von Historiographie in Deutschland empor, die hernach jedermann als das Höchste pries. Er schrieb ein Werk, das zwar nur Wenige verstanden und das nur stellenweise genossen werden konnte, in welchem auch die ungeheure Gelehrsamkeit und die Masse von Citaten mehrentheils ganz überflüssig verschwendet ward; das Werk ist aber gleichwohl als vollendetes Meisterwerk allgemein anerkannt worden. Müllers mühselige Arbeit galt überall, als wenn es ein Meisterwerk einer freien Seele wäre; es ward am Ende des vorigen Jahrhunderts, wie in dem unsrigen, bis zum Lächerlichen gerade in seinen Mängeln nachgeahmt; wir können uns aber kurz darüber faffen, weil eine Kritik desselben zu spät käme und nicht hieher gehört. Eine Bemerkung mag dienen, um anzudeuten, daß Woltmann in seiner Schrift über Müller ungerecht ist, und daß König Ludwig von Baiern Recht hat, wenn er Müller durch ein

auf dessen Grabe lastendes Kunstdenkmal ehrt. Die Deutschen nämlich belohnten ja schon im vorigen Jahrhundert, nach ihrer Art, Müller mit Ruhm, mit Ehren, mit Orden, mit Geld für ein Werk, worin sehr künstlich die Schweizer, welche keine Deutsche sein wollen, den alten Griechen gleichgestellt werden. Der= selbe Mann, der das Lob der Freiheit und ihre Helden, einen Tell, einen Arnold von Winkelried, und wie sie weiter heißen, ausposaunte, war unbeschadet seines Eifers für Freiheit, wie er sie verstand, Höfling der Hierarchen von Mainz, war als Prote= stant Apologet Pius VI., Schüßling der Habsburger in Wien, als sie die Freiheit verfolgten, Diener der militärischen Monarchie in Berlin und endlich gar Minister eines Hieronimus Bonaparte in Kaffel.

Da an allem diesem Niemand bei dem Herolden des Rütlibundes Anstoß genommen hat, so sieht man, wie sehr Müller seiner Zeit vorausgeeilt war, wie er schon im vorigen Jahrhunderte rein wissenschaftlich und künstlerisch ein objektives Werk schuf, dem weder in Rücksicht des Inhalts noch der Sprache das Geringste Subjective anklebte. Wir wollen daher nur im Vorbeigehen einen Blick auf die Wirkung des Buchs nach Außen hin werfen. Müller bildete sich nämlich sonderbarer Weise für seine Schweizergeschichte einen ganz eignen Styl, der von dem, dessen er sich sonst bediente, ganz verschieden war. Dieser Styl ist eben so künstlich und mühsam als Jakobis Styl, nur in einer andern Art, weil Jakobi seiner akademisch modernen Philosophie auch seinen akademischen Styl anpaßte, wie Müller seiner romantischantiken Geschichte den griechisch oder lateinisch und teutonisch_alterthümelnden. Müllers Schweizergeschichte erlangte zuerst durch seine zahlreichen Freunde und Bekannten, zu denen gerade die bedeutendsten Männer im Staate und in der gelehrten Welt gehörten, denselben Ruf, den früher Klopstocks Messias auf ähnliche Art als Epos erlangt hatte. Er gewann die Gelehrten durch die große Gelehrsamkeit und auch sogar durch den Lurus des Citirens einer Menge von Urkunden für Dinge, die ohne alle Urkunden geglaubt und bewiesen werden können, besonders aber dadurch, daß Einrichtungen, Sitten, Gefeße und Aristokratie des Mittelalters histo= risch in ein neues, sehr glänzendes Licht gestellt waren. Je we=

niger Personen es gab, die das Werk ganz lasen, und je glän= zender und rednerischer die einzelnen Stücke waren, welche von sehr vielen wirklich gelesen wurden, je inniger die Feudalaristokratie sich freute, daß Alles zur Ritterzeit noch viel schöner gewesen set, als man es nur zu wünschen wagte und daß dies Alles aus Chroniken und Urkunden documentarisch bewiesen werden könne, desto größer war Müllers Ruhm. Er ist von Woltmann, dem er emporgeholfen hatte, und der doch in der That nicht werth war, ihm die Schuhriemen zu lösen, auf seinem eignen Felde, das heißt als historischer Künstler, sehr hart angegriffen worden; wir dagegen erkennen ihn gern als Meister einer Kunst, die wir weder verstehen noch auch nur verstehen wollen. Unsere Leser mögen Woltmann über die Art historischer Kunst befragen, die Müller durch Beispiel und Woltmann durch seine Kritik empfiehlt. Wir haben es hier nicht mit der Theorie der Geschichte, sondern mit der Wirksamkeit der Schriftsteller und mit ihren Wirkungen in ihrer Zeit und auf ihre Zeit zu thun. Nachtheilig war Müller der sonderbare Einfall der Gelehrten, ihn bald als den Thucydides, bald als den Tacitus der Deutschen thöricht zu preisen, besonders aus dem Grunde, weil der Ruhm, dessen er unter den Vornehmen und Gelehrten genoß, eine neue Generation von Schriftstellern ermunterte, ihn durch Affektation zu überbieten, besonders als anfangs die Nomantiker, dann die Reaktion gegen die falsche Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts seine Manier und sogar seine Sprache in die Mode brachte.

Wie Wenige aber verstehen, was sie loben, und auf welchem Weg die mehrsten Schriftsteller zum Gipfel des Nuhms gelangen, kann man an Müller lernen. Er verdankt seinen Ruf im großen Publikum der Schweizergeschichte, und doch haben wir in dem ersten Viertel unseres Jahrhunderts unter denen, mit denen wir über Müller sprachen, sehr wenige gefunden, die auch nur einzelne Stücke der Schweizergeschichte aufmerksam gelesen hatten; alle kann= ten nur die Arbeiten, die er selbst mit allem Rechte des Drucks nicht werth gehalten hatte. Dies sind seine vier und zwanzig Bücher allgemeiner Geschichten; denn seiner Reisen der Päpste und seiner Schriften über den Fürstenbund wollen wir lieber gar nicht erwähnen. Was die allgemeine Geschichte angeht, so sieht

man auf den ersten Blick, daß die alte Geschichte auf den Effekt berechnete Vorlesungen für junge Herrn von Stande waren, worin unstreitig viel Geistreiches glänzend gesagt wird, die aber Woltmann oder einer Seinesgleichen eben so gut hätten schreiben und viel besser halten können, als Müller mit seinem widrigen Dialekt. Gerade diese Vorlesungen haben in unserm Jahrhundert Müller ein großes Publikum verschafft. Wir dürfen hier aber von der allgemeinen Geschichte und von Müllers späterer historischen Wirksamkeit um so weniger reden, als beides dem neunzehn= ten, nicht dem achtzehnten Jahrhundert angehört.

S. 7.

Verhältniß der Schriftsteller zu den Regierungen. Journas listik. Staatswissenschaft.

An Oeffentlichkeit war im leßten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts nicht zu denken, es war auch nicht der Schein einer Freiheit der Presse vorhanden, der doch von 1815 bis 1852 hie und da gefunden ward. Glücklicherweise herrschte damals in Deutschland in vielen Ministerien ein von den Fürsten selbst angeregter Eifer für Aufklärung des Volks und Abschaffung der Mißbräuche, sonst wäre jede Aeußerung über öffentliche Angelegenheiten unmöglich gewesen. Politische Zeitungen waren so gut wie gar nicht vorhanden; denn was konnten die unter scharfer Censur gehaltenen Zeitungen in einem Lande berichten, wo weder die Gerichtsverhandlungen mündlich noch öffentlich waren, wo der Bürger weder die Schrift seines Advokaten noch das Urtheil feines Nichters verstehen konnte, weil beide halb lateinisch, halb kauderwelsch abgefaßt waren, und wo das Urtheil der Form wegen oft in einem einzigen athemlosen Saße von zwei oder drei Seiten gefaßt war. Welche Freiheit konnte in einem Lande gefunden werden, wo selbst die Feudalstände in amtlichem und vornehmen Stillschweigen und Geheimniß gehalten wurden? Wer hätte es auch nur wagen dürfen, einen von den winzigen Reichsgrafen oder hochgebornen Reichsbaronen, die in den Dörfern und Weilern souverän waren, oder einen der adligen oder bürgerlichen Bürgermeister, welche in den Städten polizeilich und juristisch herrschten, durch ein Wort der Wahrheit zu reizen? Nur durch die Begün

« ПредыдущаяПродолжить »