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Aemter und legte ihm auf, seine Irrthümer zu widerrufen oder das Reich zu räumen. Sein Reichsgraf nahm ihn zwar in Schuß, er war aber ein kleiner Herr, der noch dazu gern den Fürstentitel haben wollte, das machte den Reichshofrath_dreist genug, ein Mandat an ihn zu erlaffen, worin Bahrdts Entlassung befohlen wurde.

Dadurch ward die Sache Bahrdts eine Angelegenheit des Reichs und der freien Meinungsäußerung der Protestanten und Bahrdt wandte sich in dieser Sache an die zwei angesehensten Vertheidiger freier und unbefangener Bibelforschung, an den Probst Teller in Berlin und an den Theologen Semler in Halle; der Erste bewirkte dann, daß man sich in Berlin seiner annahm. Er ward mit Geld unterstüßt und durfte in Halle Vorlesungen halten; nur keine theologischen. Semler eiferte heftig gegen Bahrdts Zulassung zum Lehrer in Halle. Er galt seitdem als Obscurant; obgleich ihn vorher derselbe Göze, der Bahrdt verfolgte, 26) als Erzkeher, Verfälscher der Lehre und Vergifter der Jugend ausgeschrieen hatte. Man hätte dies Mal Semler wohl entschuldigen sollen, daß er einen Mann, dessen Gegenwart überall wie eine sittliche Pest betrachtet ward, nicht gern auf einer Universität dulden wollte, wo Kloß schon seit der Mitte des Jahrhunderts eine Schule furchtbarer Unsittlichkeit gegründet hatte, die auch sogar, wie das auf Universitäten zu sein pflegt, nach seinem Tode nicht ausging. Semler konnte und wollte freilich diesen Grund nicht anführen, er verlor daher die ganze Gunst der öffentlichen Meinung, weil es schien, als wenn er sich an Göze, an den Weihbischof von Worms, an den Reichsfiscal und an den Reichshofrath anschließen wolle.

Bahrdt hatte nämlich ein Glaubensbekenntniß aufgefeßt, welches Teller (1779) drucken ließ. Dieses mißbilligte Semler nicht blos heftig, sondern er klagte den Verfaffer desselben als einen Feind

26) Wie ärmlich die Gründe waren, welche Göze gegen Bahrdt vorbrachte und welchen armseligen Fetischismus er als Lutherthum vertheidigte, wird man aus einem einzigen Veispiel sehen. Er wirft Bahrdt vor, er habe durch die Art, wie er die bekannte Stelle: „Ich bin bei euch alle Tage u. s. w." übersehe: Eine tröstliche Beweisstelle für die Allgegenwart der menschlichen Natur Christi den Gläubigen rauben wollen.

des Glaubens an. Das war ebenso übereilt als überflüssig, weil jeder Verständige einsah, daß ein Mensch wie Bahrdt nie irgend etwas anderes geglaubt habe und glauben werde, als was seinen rohen und finnlichen Genüffen dienen könne. Es war also ganz lächerlich, auf irgend etwas, das von ihm kam, die geringste Bedeutung zu legen, und doch that dies Semler. Er griff in Schlözers Zeitschrift, welche nicht sowohl von Theologen, als von Beamten, von Staatsleuten und von allen denen, die mit der Staatspolizei zu thun hatten, gelesen ward, Bahrdts Person so heftig an, daß selbst Schlözer dafür hielt, er müsse auch Bahrdts Gegenerklärung aufnehmen, um das Recht freier Rede nicht der Reichspolizei unterwerfen zu lassen. 27) Auch die Behörden zu Berlin nahmen sich wie Schlözer nicht sowohl der unwürdigen Person Bahrdts an, als seiner Sache, soweit sie die Sache des theuersten Rechts fedes Staatsbürgers war. Es schien nämlich den Berlinern dabei auf die unbeschränkte Freiheit anzukommen, die christlichen Religionsbücher nach besten Einsichten zu deuten.

Semler bebte damals vor dem Radicalismus in Religionsfachen, dessen er Bahrdt anklagte, um so mehr zurück, als er, wie einige beschränkte Zeloten unserer Tage, von der Zeitphilosophie Gefahr für das Wesen des Christenthums fürchtete. Eitele Furcht! Dies Wesen ist, wie der Stifter des Christenthums gesagt hat, auf dem Felsen unseres eigenen innern Wesens gegründet, den die Pforten der Hölle nimmer erschüttern. Wer Gott im Geiste geschaut hat, wird Neligion mit eiteln Grillen eingebildeter Theologen nie verwechseln. Semler bebte vor Voltaires und der Encyklopädisten Wig, vor Lessings mächtiger Skepsis, vor des Wolfenbüttler Fragmentisten furchtbarer Kühnheit und ganz besonders vor dem Gedanken, daß Bahrdt von seiner Seite den Deismus in Halle fördern werde, den der Verfasser der Apologie des Sofrates als Profeffor der Philosophie und der natürlichen Theologie damals dort lehrte.

27) Semler ließ in Schlözers Briefwechsel No. XXIX. S. 233 einen Artikel gegen Bahrdt einrücken, Schlözer nahm daher auch Heft XXXII. S. 82 Bahrdts Antwort auf Semlers Widerlegung seines Glaubensbekennt• niffes_auf.

J. A. Eberhard, der Verfasser der erwähnten Apologie des Socrates, war protestantischer Theolog, hatte aber, seitdem die Apologie 1772 gedruckt war, von den damals noch in den Confistorien herrschenden Rechtgläubigen keine ordentliche Beförderung erhalten können, sondern hatte sich mit ein Paar elenden Pfarreien behelfen müssen, bis sich derselbe Teller, der auch Bahrdt durchhalf, seiner annahm. Er bewog den Minister Zedlig, ihm durch Friedrich II. eine Stelle in Charlottenburg zu verschaffen, wo er um 1776 durch seine allgemeine Theorie des Denkens und Empfindens den von der Berliner Akademie ausgefeßten Preis gewann. In dieser Schrift entwickelte er sein, wenn man will philosophisches System und ward deßhalb, eigentlich gegen seinen Wunsch, um 1778 zum Professor der Philosophie zu Halle ernannt. In Halle war die Richtung und die große Mehrzahl der Studirenden theologisch, Eberhard wandte also sein System auf Theologie an. Er ward hernach einer der ärgsten Vielschreiber, was bekanntlich für einen Philosophen ein schlechter Ruhm ist, stand aber, weil man es mit der Schärfe der Dialektik und der Tiefe der Gedanken nicht so genau nahm, als Mensch und als Gelehrter im besten Rufe. Er begann zur Verbreitung seiner deistischen Lehre ein eignes Journal, und erschütterte durch die in denselben Grundsäßen geschriebene Apologie des Sokrates, wovon schnell hintereinander dret vermehrte und verbesserte Auflagen gemacht wurden, die Altgläubig= keit der heranwachsenden, nach Basedows und Rousseaus Manier erzogenen Jugend in ihren Grundlagen. Er wirkte nicht sowohl wissenschaftlich auf Denker und Forscher, als rednerisch auf das große Publikum, mehr in die Breite als in die Tiefe.

Eberhard war ein ruhiger, vielseitig gebildeter, gemäßigter Mann, er paßte ganz für den damaligen Zustand der Literatur und machte auch dort Eindruck, wo man den sittenlosen Bahrdt verachtete und von seiner glatten, leichten, oft im Romanstyl vorgetragenen Moral nichts hören wollte. Eberhard richtete sich in seinem Hauptwerke eigentlich absichtlich gegen die alte Dog= matik und bewies oder wollte wenigstens von allen ihren Hauptlehren beweisen, daß sie durchaus unhaltbar seien; er machte sich aber die Sache auf ähnliche Weise leicht, wie die französischen

Akademiker, wenn gleich mit dem Unterschiede, daß er ernst und würdig und diese spaßhaft redeten. Eberhard behauptete, und es war fast Niemand, der ihm gründlich widersprach, als Lessing, den man gleichwohl als einen Ungläubigen verschrie, daß weder die Lehre von der Prädestination, noch die von der Genugthuung Christi, noch die von den Gnadenwirkungen und Höllenstrafen, noch eine Anzahl anderer in der Schrift ihren Grund hätten, und daß sie außerdem der Vernunft widersprächen und der Sittlichkeit nachtheilig seien. Diese Art Glauben und diese Art Philosophie beförderte Nicolai in Berlin nicht blos als Schriftsteller und Verleger, sondern er führte in seiner A. D. B. auch eine ganze Armee rüstiger und kecker Verfechter derselben aufs Schlachtfeld.

§. 3.

Nicolai und die allgemeine deutsche Bibliothek. Wieland, die Brüder Jacobt und der deutsche Merkur.

Die Kritik war in Deutschland im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts und in der ganzen ersten Hälfte desselben in so elenden Händen, daß man fast glauben sollte, Gottsched sei noch einer der besseren Kritiker gewesen, und wie verfuhr nicht dieser und die Creaturen, die unter seinen Fahnen dienten!! Als Gottscheds kritisches Ansehn durch den gar zu groben Mißbrauch, den er und die Seinigen von ihren Journalen machten, untergegangen war, trieb Kloß das gemeine kritische Spiel von Halle aus, wie es Gottsched in Leipzig getrieben hatte. Auch Kloß, wie Gottsched, benußte die Kritik nur für niedrige, persönliche Zwecke. Er posaunte seine Clienten und Creaturen aus und suchte jeden guten Kopf, jeden Gelehrten, der die niedrige und gemeine Cameraderei verachtete, auf seine Art zu verhöhnen und herabzuseßen; die guten Deutschen ließen sich aber bis auf unsere Tage, wo endlich alle kritischen Tribunale ihr Ansehn verloren haben, immer durch gelehrte Anmaßung leiten und in ihrem Urtheile bestimmen. Die Literatur war der Reihe nach von Gottsched, von Kloß und dem elenden Riedel, von der allgemeinen deutschen Bibliothek und von der allgemeinen jenaischen Literaturzeitung abhängig, wir müssen deßhalb den Gang der Kritik hier noch einmal berühren.

Klog und Niedel waren Leute ohne Grundsäße und ohne Sitten, sie hatten aber Talent, und Kloß war Meister eines leichten und fließenden lateinischen Styls, was in jenen Zeiten noch viel galt; auch hatte er einen Anhang unter liederlichen Studenten und unter denen, welche gern sahen, daß den halleschen Pietisten ein Extrem der Leichtfertigkeit entgegengesezt ward. Den Studenten gefiel das wüste Leben, welches Kloß führte, der burschikose Ton, worin er vom Katheder redete, die Nenomisterei seines Schriftstellerns und seines kritischen Unfugs. Beide, Kloß und Niedel, herrschten durch eine ganze Anzahl fliegender Blätter, die ihnen zu Gebot standen, und Kloh galt für einen großen Kenner des Alterthums und der Kunst, bis ihm Lessing und Herder mit einer Heftigkeit entgegentraten, die sein elendes Publikum bestürzt machte. Sie beraubten den elenden Menschen des ganzen Nimbus, den er zu der Zeit um sich zu verbreiten gewußt hatte, als die Dämmerung der deutschen Bildung noch nicht zum vollen Lichte geworden war. Da Klos auch mit Nicolai und der allgemeinen deutschen Bibliothek in Kampf war, so mußte ihm Niedels Hilfe besonders schäßbar sein. Diesen berief der Kurfürst von Mainz, welcher der Universität Erfurt neuen Glanz geben wollte, nach Erfurt, wo auch Wieland, der die Biberacher Kanzlei bis dahin geleitet hatte, eine Zeit lang lehrte. Auch diesen Leztern wollte Kloß durch Riedel an sich ziehen; aber der praktische Schwabe war ein besserer Diplomat als beide. Er hielt sie allerdings, so lange er ihrer Posau= nen bedurfte, bei guter Laune, ließ sich aber auf keinen Bund zur Kritik ein, sondern suchte sich selbst sobald als möglich ein Organ zu verschaffen, weil bei der Mehrzahl der Leser immer der Recht hat, der am leßten, am lautesten, am flachsten redet.

Riedel arbeitete, bis auch er mit Kloh zerfiel, an dessen Bibliothek der schönen Wissenschaften und gab zugleich selbst eine philosophische Bibliothek heraus, worin unter seiner Leitung auf seine Weise rezensirt ward. Dabei blieb aber Niedel nicht stehen, er arbeitete auch noch an der Leipziger neuen Bibliothek und an andern Blättern, ließ auch daneben Pasquillen, Satyren, Schmähschriften ausgehen, wodurch er sich in Ansehen seßte, weil man ihn fürchtete. Der weltkluge Wieland wußte, wie schlecht Riedel war, er wußte aber auch, wie man in Deutschland Ruhm

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